Long Covid hinterlässt seine Spuren im retinalen Kapillarsystem

Eine Forschungsgruppe der Augenklinik am Universitätsklinikum Erlangen hat den Einfluss einer Infektion mit SARS-CoV2 auf das retinale Kapillarsystem untersucht und mit einer Kontrollgruppe verglichen. Zu welchen Ergebnissen kam das Forschungsteam?

Die Mikrozirkulation der Retina wird akribisch genau untersucht

In einer prospektiven Studie mit insgesamt 61 Studienteilnehmer:innen hat die Forschungsgruppe die Mikrovaskulatur der Augen von Patient:innen (n=33) mit Long Covid untersucht und mit einer Kontrollgruppe (n=28) verglichen. In beiden Gruppen überwog das weibliche Geschlecht. Die Untersuchungen wurden im Schnitt 138,13 ± 70,67 Tage (Bereich 34-281 Tage) nach einem positiven SARS-CoV-2-PCR-Test durchgeführt. Es lagen keine Vorerkrankungen des Sehnervens oder der retinalen Blutgefäße vor. Auch wurde bei keiner/keinem der Teilnehmer:innen zuvor eine Laserkoagulationstherapie der Netzhaut durchgeführt. Das Durchschnittsalter der Long Covid-Patientengruppe betrug 43,7 ± 19 Jahre. Die Axiallänge lag im Durchschnitt bei 23,7 ± 1,1. Das Durchschnittsalter der Kontrollgruppe lag bei 29,2 ± 12 Jahren und die durchschnittliche Axiallänge bei 23,9 ± 0,8.

Für ihre Analyse unterteilte die Forschungsgruppe die retinale Mikrozirkulation mittels OCT-Angiographie in 3 Schichten. Die Blutgefäße im Bereich der Makula, sowie peripapillär wurden mit dem Spectralis II gescannt. Es erfolgten Messungen der Gefäßdichte der Makula im Bereich des oberflächlichen Gefäßplexus (SVP), des intermediären Kapillarplexus (ICP) und des tiefen Kapillarplexus (DCP). Die morphologische Untersuchung erfolgte mittels anatomischen Positionierungssystem und dem Erlangen-Angio-Tool.

Zur Analyse der peripapillären Gefäßdichte wurden Bruch'sche Membranöffnungen (BMO) als Orientierungspunkte genutzt. Es erfolgte eine Einteilung in die zirkuläre Gefäßdichtesegmente c1, c2 und c3, sowie in die sektoriellen Gefäßdichtesegmente s1 bis s12. Die Forschungsgruppe untersuchte mit dieser Technik nicht nur Long Covid- Patient:innen. Zusätzlich wurden kurzfristige Netzhautbeeinträchtigungen während der COVID-19-Erkrankung mittels OCT-Angiographie dargestellt. Hier erfolgte eine retrospektive Studie mit insgesamt 29 Patienten mit schweren Komplikationen einer COVID-19-Infektion. Das Durchschnittsalter der auf der Intensivstation hospitalisierten Patient:innen betrug 60,9 ± 15 Jahre.1

Long Covid hinterlässt Spuren an den Netzhautgefäßen

In der prospektiven Studie konnte ein deutlicher Unterschied der Mikrozirkulation zwischen der Long Covid- Gruppe und der Kontrollgruppe nachgewiesen werden. Die Analyse der alterskorrigierten Daten der Gefäßdichte für den gesamten Makulabereich führten zu folgenden Ergebnissen: Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigte sich eine signifikante Reduktion der Gefäßdichte des intermediären Kapillarplexus der Makula in der Long Covid-Gruppe. Hinsichtlich der Gefäßdichte der Makula im Bereich des oberflächlichen Gefäßplexus und des tiefen Kapillarplexus zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen.

Die Subgruppenanalyse der alterskorrigierten Daten der Gefäßdichte der drei Perimakulakreise (c1, c2 und c3) erbrachte ebenso ein signifikantes Ergebnis: Es zeigte sich eine signifikante Verringerung der Gefäßdichte der Segmente c1, c2 und c3 des intermediären Gefäßplexus der Long Covid-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe. Im Bereich des oberflächlichen Gefäßplexus und des tiefen Kapillarplexus zeigte sich kein signifikanter Unterschied der Gefäßdichte der Segmente c1, c2 und c3.

Schwere der COVID-19-Erkrankung hat großen Einfluss

Als nächsten Schritt führte die Forschungsgruppe eine sektorielle Analyse durch. Nach der Alterskorrektur der Daten der Gefäßdichte zeigte sich hier eine signifikante Reduktion der gesamten peripapillären Gefäßdichte zwischen der Long Covid-Gruppe und der Kontrollgruppe. Die Forschungsgruppe konnte eine wichtige Beobachtung machen: Die Reduktion der Gefäßdichte des oberflächlichen Gefäßplexus und des tiefen Kapillarplexus korrelierten mit der Zunahme des Schweregrads der COVID-19-Erkrankung. Die klinischen Schweregradparameter zeigten ebenso eine negative Korrelation mit der Gefäßdichte im Bereich des intermediären Gefäßplexus der Makula, sowie mit der peripapillären Gefäßdichte.

In der retrospektiven Studie untersuchte die Forschungsgruppe die Patient:innen mit schweren Komplikationen einer COVID-19-Infektion mittels Funduskopie. Hier zeigten sich bei 17% der auf der Intensivstation behandelten Patient:innen Netzhautblutungen und Cotton-Wool-Herde.1

Je mehr wir über das neuartige Coronavirus wissen, desto eher können wir die Langzeitfolgen einer COVID-19-Erkrankung behandeln und Medikamente zur Heilung von Long Covid entwickeln. Wir warten gespannt auf weitere Forschungsergebnisse zu dieser Thematik. Im nächten Blog-Beitrag werden wir mehr zur Diagnose von COVID-19 mittels ICG-Aniographie erfahren.

Quelle:
1. Hohberger B. et al. (2021). Retinal Microcirculation as a Correlate of a Systemic Capillary Impairment After Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 Infection. Frontiers in Medicine. Vol. 8.