Seit 17 Jahren bin ich niedergelassene Diabetologin - und seit rund 10 Jahren berufspolitisch interessiert. Schon als ich mich niedergelassen habe, fehlte mir ein hilfreiches Netzwerk. Da ich aus dem Rhein-Main-Gebiet nach Berlin gekommen war, fiel es mir schwer, in bestehende Netzwerke hinein zu kommen. Sie waren noch dazu sehr männlich geprägt und es ist nunmal eine Tatsache, dass Frauen, berufstätige Mütter wie ich, andere Bedingungen und Bedürfnisse im Beruf haben als ihre männlichen Kollegen.
Jetzt habe ich mir meinen lang gehegten Wunsch selbst erfüllt und zusammen mit engagierten Kolleginnen unser Netzwerk "Hauptstadtdiabetologinnen" gegründet. Es sind inzwischen Playerinnen aus verschiedenen Bereichen dabei: Chefärztinnen, Frauen aus der DDG, junge Kolleginnen, die sich gerade niedergelassen haben oder die noch in der Ausbildung sind.
Unlängst habe ich als stellvertretende Vorsitzende des BVND mit weiteren Vorstandskolleginnen an einer KBV-Krisensitzung teilgenommen. Da ging es hoch her.
Es ging um Dinge, die keinen Niedergelassenen kalt lassen: um eine tragfähige Finanzierung der ambulanten Medizin, um die Abschaffung von Budgets, die Unterstützung der Ambulantisierung. Außerdem um sinnvolle Digitalisierung, weniger Bürokratie und um Weiterbildung in den Praxen.
Warum muss ich eigentlich für die leitliniengerechte Medikation teilweise mit meinem privaten Vermögen gerade stehen? Das ist doch niemandem vernünftig zu erklären.
Gerade in Punkto Digitalisierung ist uns Netzwerkerinnen nun ein erstes greifbares Ergebnis gelungen, auf das ich stolz bin. Denn neben dem Mentoring und Coaching für junge Kolleginnen geht es uns um Probleme, die wir alle in den Praxen haben. Ein großes Thema ist tatsächlich die Digitalisierung. Für uns Diabetologinnen geht es vor allem um die Interoperabilität von Pumpen und Sensoren. Die gibt es oft überhaupt nicht. Und das nervt alle Beteiligten. Wenn ein technisches Problem mit einem AID-System besteht, melden sich die Patienten natürlich erst mal bei uns. Da ist dann ein schneller und guter Austausch mit den Industriepartnern notwendig. Da Sensor und Pumpe häufig von verschiedenen Partnern angeboten werden, ist es manchmal schwierig eine Lösung zu finden. Der eine sagt, es liegt am Sensor, der andere sagt, es ist die Pumpe. Das macht Stress. Und den können wir und unsere Patientinnen und Patienten nun gar nicht brauchen. So entstand in unserem Ärztinnennetzwerk die Idee eines gemeinsamen Call Centers der verschiedenen Anbieter.
Zunächst sind wir mit der Industrie ins Gespräch gegangen. Wir haben viele Player an einen Tisch gebracht. Das waren rund 50 Diabetologinnen, von der Chefärztin, bis zur Assistenzärztin in Ausbildung, sowie etliche verschiedene Hersteller automatischer Insulin-Devices und Sensoren, die normalerweise, meines Wissens nach, gar nicht so miteinander im Austausch sind. Wir haben dann die praxisrelevanten Probleme mit ihren Produkten auf den Tisch gepackt und sehr offen und konstruktiv diskutiert. Schon mit einem Treffen haben wir erreicht, dass wir auf Seiten der Industrie eine Awareness für diese Problematik wecken konnten.
Unser Netzwerk hatte die Idee, dass alle technischen Probleme an einem Punkt zusammengeführt und beantwortet oder gelöst werden können. Sodass sich ein Expertenteam am Telefon sowohl dem Sensor-Problem als auch dem Pumpenproblem widmen kann - unabhängig davon, welche Firma hinter dem jeweiligen Device steckt.
Die Industrie nahm die Idee tatsächlich auf, bot schon einen gemeinsamen Patiententag in Berlin an und diskutierte die Möglichkeiten einer technischen Umsetzung eines gemeinsamen Callcenters. Über weitere konkrete Schritte werden die Hauptstadtdiabetologinnen informieren.
Das klingt alles eigentlich so logisch und einfach, aber es mussten erst einmal der Anstoß und eine praktikable Idee her. Gerade die Typ 1-Versorgung wird ja immer technischer und digitaler. Und das muss entsprechend professionell begleitet werden. Dafür haben wir 50 Kolleginnen aus den verschiedenen Versorgungsbereichen unser Standing und unsere Kreativität eingesetzt. Und so soll es weitergehen, im Sinne der Patientinnen und der Kolleginnen.
Dr. med. Iris Dötsch ist Fachärztin für Innere Medizin und Akupunktur mit den Zusatzqualifikationen zur Diabetologin DDG sowie Ernährungsmedizinerin. Frau Dötsch ist niedergelassen in einer eigenen Diabetologischen Schwerpunktpraxis am Kurfürstendamm. Ihre Praxis ist als Diabetologikum DDG anerkannt sowie zertifizierte Fußambulanz nach DDG.