DDG Herbsttagung – die Tagungspräsidenten ziehen Bilanz

Die erste hybride Diabetes Herbsttagung in Kooperation mit der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) am 5. und 6. November 2021 in Wiesbaden war ein voller Erfolg. Im Interview ziehen die Tagungspräsidenten, Professor Dr. Werner Kern und Professor Dr. Sebastian M. Meyhöfer Bilanz.

Tagungspräsidenten blicken auf sehr erfolgreiche Diabetes Herbsttagung zurück

Fast 4.200 Teilnehmende und 85 Veranstaltungen an zwei Kongresstagen – die erste hybride Diabetes Herbsttagung in Kooperation mit der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) am 5. und 6. November 2021 in Wiesbaden war ein voller Erfolg. Trotz der langen Planungsunsicherheit aufgrund der Corona-Pandemie verzeichnete die Diabetes Herbsttagung 2021 einen Teilnehmerrekord. So konnten mehr als 2.800 Besucher:innen vor Ort begrüßt werden, über 1.300 verfolgten die Vorträge und Symposien online. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf den Zusammenhängen zwischen Diabetes und Adipositas. Im Interview ziehen die Tagungspräsidenten, Professor Dr. Werner Kern, Ärztlicher Leiter des Endokrinologikums Ulm, und Professor Dr. Sebastian M. Meyhöfer, Direktor am Institut für Endokrinologie & Diabetes der Universität zu Lübeck, Bilanz. 

esanum: Herr Professor Kern, Herr Professor Meyhöfer, mit welchen Eindrücken blicken Sie auf die Diabetes Herbsttagung 2021 zurück?

Prof. Kern: Mir wird vor allem die Begeisterung der Teilnehmenden noch lange in Erinnerung bleiben. Die Stimmung war in allen Veranstaltungen immer gut und bei den Symposien auch sehr konstruktiv. Wir haben bereits vor Ort sehr viel Zuspruch und Lob für die Veranstaltung, die tolle Organisation und das wissenschaftliche Programm erhalten. Das freut mich natürlich sehr.  

Prof. Meyhöfer: Es war sehr schön zu sehen, mit wie viel Freude die Teilnehmenden vor Ort dabei waren. Alle haben den persönlichen Austausch und das Wiedersehen sehr genossen und das hat zu einer ganz besonderen Atmosphäre vor Ort beigetragen. Mitreißend fand ich die Trommelgruppe BAZOOM, die die Teilnehmenden quasi für die Eröffnungsveranstaltung "zusammengetrommelt" hat. Das war ein richtiger gelungener Auftakt und sorgte für eine unglaubliche Stimmung im Saal.

esanum: Sie haben sich in diesem Jahr ganz bewusst für ein hybrides Format entschieden. Das heißt, dass die Vorträge und Symposien live gestreamt wurden und die Teilnehmenden auch online am Bildschirm teilnehmen konnten. War die Entscheidung für ein hybrides Format richtig?

Prof. Kern: Absolut! Wir haben sehr viel Zuspruch für unsere Entscheidung erhalten – vorab und auch vor Ort. Die 2G-Regel hat allen Teilnehmenden schon vor der Anreise ein sicheres Gefühl vermittelt und den Austausch sowie die persönlichen Gespräche in Wiesbaden ungemein erleichtert. Es macht einfach Spaß, die Freude und das Interesse im Gesicht des Gegenübers zu sehen.

esanum: Welche Symposien, Workshops und Praxisdialoge haben Ihnen am besten gefallen? Was nehmen Sie ganz persönlich mit Ihren Alltag mit?

Prof. Meyhöfer: Ein persönlicher Höhepunkt war der von der DAG und DDG gemeinsam organisierte Praxisdialog "Bariatrische Interventionen bei Adipositas und Diabetes mellitus" am Samstag. Trotz der späten Session war das Format sehr gut besucht, da die bariatrische Chirurgie ein wichtiger Pfeiler der Behandlung ist, aber es oftmals noch zurückhaltend in der Praxis umgesetzt wird. Besonders gefallen hat mir zudem auch der Praxisdialog "Social Media, Adipositas und COVID – was können wir lernen?". Soziale Netzwerke haben während der Corona-Pandemie eine zentrale Rolle für die Interaktion und aus den Austausch gespielt. Hier sind unsere Patientinnen und Patienten aktiv – hier erreichen wir sie. Wir müssen uns daher noch mehr mit den Chancen und Möglichkeiten solcher Plattformen auseinandersetzen. 

esanum: Wie konnte der zentrale Zusammenhang zwischen Diabetes und Adipositas und damit auch das Motto der diesjährigen Tagung herausgearbeitet werden?

Prof. Kern: Es ist uns sehr wichtig, dass Diabetes und Adipositas in der Therapie und Vorsorge zusammengedacht werden. Die Krankheitsbilder gehen oftmals miteinander einher und sollten daher auch in der Versorgung, Therapie und Prävention besser verzahnt werden.

esanum: Alpinist Simon Gietl berichtete in seiner Keynote emotional und in bewegenden Bildern, wie er seinen persönlichen Weg zum Glück – trotz großer Schicksalsschläge – gefunden hat. Was können die Teilnehmenden für den medizinischen Alltag daraus mitnehmen? 

Prof. Meyhöfer: Sein Vortrag hat mich sehr beeindruckt. In der Natur und am Berg muss man einen eisernen Willen mitbringen und sich immer neu selbst motivieren, um den nächsten Schritt zu machen. Wir müssen im Alltag unsere Patientinnen und Patienten auch oft motivieren, damit sie den Mut und die Kraft aufbringen, ihre Behandlung weiterzuverfolgen. Diese Motivation wirkt auch in das Behandlungs- und Praxisteam hinein. 

esanum: Herr Professor Kern, Herr Professor Meyhöfer, welche Aspekte bzw. Themen werden Behandlungsteams in den kommenden Jahren beschäftigen? Worauf müssen sich Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegende in der Diabetologie Ihrer Ansicht nach einstellen? 

Prof. Kern: Wir beobachten in der Praxis, dass es immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund gibt, die an einem Diabetes leiden und oftmals kaum oder gar nicht über ihre Erkrankung informiert sind. Die kultursensible Behandlung, die verschiedene kulturelle Besonderheiten berücksichtigt, wird daher an Bedeutung gewinnen. Ein weiterer Aspekt ist die weiter voranschreitende Digitalisierung im Gesundheitswesen. Apps, digitale Behandlungsprogramme und die elektronische Diabetesakte, die die elektronische Patientenakte (ePA) ergänzt, bieten viele Chancen, aber halten auch Herausforderungen bereit. Hier müssen wir künftig Orientierung bieten und die Interessen von Patientinnen und Patienten sowie von Behandelnden im Blick behalten. 

Prof. Meyhöfer: Für mich ist klar: Adipositas und die verschiedenen Behandlungsansätze müssen künftig noch mehr in den Fokus rücken. Betroffene brauchen eine strukturierte und kontinuierliche Versorgung in einem multiprofessionellen Behandlungsumfeld. Ich begrüße es daher sehr, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nun mit der Ausgestaltung eines DMP Adipositas begonnen hat. Ein solches DMP würde es uns ermöglichen, ganzheitlicher auf die Patientinnen und Patienten zu schauen – und dies über alle Sektoren der Versorgung im Gesundheitssystem hinweg. Allerdings ist mit dem Abschluss des Verfahrens nicht vor 2023 zu rechnen.