Glykämische Belastung und kardiovaskuläre Erkrankungen

Inmitten der Epidemie von Übergewicht und Diabetes Typ 2 sind die gesundheitlichen Auswirkungen von qualitativ schlechten kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln und Getränken zunehmend in den Fokus gerückt.

Inmitten der Epidemie von Übergewicht und Diabetes Typ 2 sind die gesundheitlichen Auswirkungen von qualitativ schlechten kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln und Getränken zunehmend in den Fokus gerückt. 

"Schlechte Kohlenhydrate" sind allgegenwärtig – damit sind unter anderem Lebensmittel gemeint, die einen geringen Anteil an Ballaststoffen, einen höheren Anteil an raffiniertem Getreide und einen hohen glykämischen Index (ein Maß dafür, wie stark 50g Kohlenhydrate aus einem bestimmten Lebensmittel den Blutzuckerspiegel erhöhen) enthalten.
Viele Studien unterstützen eine Ernährung mit niedrigem glykämischen Index zur Prävention und Mitbehandlung bei Diabetes.1,2

Eine aktuell im New England Journal of Medicine veröffentlichte große Studie3 mit Teilnehmern aus fünf Kontinenten fügt nun weitere Evidenz zum Zusammenhang zwischen dem glykämischen Index und kardiovaskulären Erkrankungen sowie der Gesamtmortalität hinzu.

Ernährung mit einem hohen glykämischen Index geht mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Tod einher

Die Prospective Urban Rural Epidemiology (PURE)-Studie schloss 138 Tsd. Personen zwischen 35 und 70 Jahren mit einem breiten Spektrum an Kohlenhydratzufuhr und unterschiedlichen Ernährungsmustern ein und beobachtete diese für 10 Jahre nach.
Die Studienautoren von Universitäten zahlreicher Länder ermittelten mithilfe länderspezifischer Fragebögen zur Nahrungsaufnahme den glykämischen Index und die glykämische Belastung. Der primäre Endpunkt war schwerwiegende kardiovaskuläre Komplikation (kardiovaskulärer Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt, Apoplex und Herzinsuffizienz) oder Tod jeglicher Ursache.

In der Studienpopulation traten während des Nachbeobachtungszeitraums 8.780 Todesfälle und 8.252 schwere kardiovaskuläre Ereignisse auf.
Eine Ernährung mit einem hohen glykämischen Index war mit einem erhöhten Risiko für ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis oder Tod assoziiert, sowohl bei Personen mit vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankungen (Hazard Ratio 1,51; 95% Konfidenzintervall 1,25–1,82) als auch bei Teilnehmern ohne solche Erkrankungen (HR 1,21; 95% KI 1,11–1,34).
Insbesondere war ein hoher glykämischer Index auch mit einem erhöhten Risiko für Tod durch kardiovaskuläre Ursachen verbunden.

Implikationen für Strategien der Primär- und Sekundärprävention

Wie anhand von Resultaten früherer prospektiver Untersuchungen4 erwartet, war die Assoziation zwischen glykämischem Index und kardiovaskulären Komplikationen bei Menschen mit höherem BMI (≥ 25) noch stärker ausgeprägt.
Personen mit hohem BMI weisen ein erhöhtes Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmte Krebsarten auf.

Obwohl der glykämische Index eines Lebensmittels unabhängig vom Glukosetoleranzstatus ist, steigt die gesamte postprandiale glykämische Reaktion auf Mahlzeiten mit zunehmendem BMI an. Wenn die Insulinresistenz, die mit einem erhöhten BMI Hand in Hand geht, auf eine Ernährung mit besonders vielen hochglykämischen Lebensmitteln trifft, resultiert eine noch höhere postprandiale glykämische Reaktion und die negativen Folgen einer Ernährungsweise mit einem hohen glykämischen Index werden verstärkt, erklären die Autoren. Der Unterschied hinsichtlich der Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse zwischen Menschen mit einem BMI über versus unter 25 fiel in dieser Untersuchung signifikant aus (p = 0,01).

Eine Ernährungsweise mit einem niedrigen glykämischen Index ist mit niedrigeren postprandialen Blutzuckerspiegeln, niedrigeren Serumcholesterin- und CRP-Konzentrationen und niedrigerem Blutdruck in Verbindung gebracht worden, sowie mit einer geringeren Inzidenz von Diabetes und kardiovaskulären Störungen – Bedingungen also, die das Risiko eines Todes durch andere Ursachen maßgeblich beeinflussen können.3,4

Referenzen:
1. Livesey, G. & Livesey, H. Coronary Heart Disease and Dietary Carbohydrate, Glycemic Index, and Glycemic Load: Dose-Response Meta-analyses of Prospective Cohort Studies. mcp:iqo 3, 52–69 (2019).
2. Brand-Miller, J., Hayne, S., Petocz, P. & Colagiuri, S. Low–Glycemic Index Diets in the Management of Diabetes: A meta-analysis of randomized controlled trials. Diabetes Care 26, 2261–2267 (2003).
3. Jenkins, D. J. A. et al. Glycemic Index, Glycemic Load, and Cardiovascular Disease and Mortality. New England Journal of Medicine 0, null (2021).
4. Liu, S. et al. A prospective study of dietary glycemic load, carbohydrate intake, and risk of coronary heart disease in US women. The American Journal of Clinical Nutrition 71, 1455–1461 (2000).