Landtag NRW debattiert über Gratisessen an Schulen und Kitas

Sollte es an Kitas und Schulen Gratismahlzeiten geben, vielleicht sogar Frischküchen? Darüber streiten in NRW Expertinnen und Experten.

Die Folgen der Kinderarmut bekämpfen

Voller Bauch studiert nicht gern, besagt ein Sprichwort. Mit Hunger lernt es sich aber erst recht nicht gut. Sollte es an Kitas und Schulen Gratismahlzeiten geben, vielleicht sogar Frischküchen? Darüber streiten in NRW Expertinnen und Experten.

Täglich mindestens ein gesundes, warmes, kostenfreies Essen und Frühstück für alle Kinder - das fordert die SPD für alle Kindergärten und Schulen in Nordrhein-Westfalen. Gutes Essen sei ein "wichtiger Bestandteil im Kampf gegen die Folgen von Kinderarmut", heißt es in einem Antrag der Landtagsfraktion. Am 05.02. erörtern Sachverständige im Schulausschuss des Landtags, wie und ob das in NRW umzusetzen ist. In schriftlichen Stellungnahmen äußerten sie sich bereits zum Für und Wider von Frischküche oder Tiefkühlkost, Elternbeiträgen oder Gratisversorgung.

Ein Beispiel an Berlin nehmen

Vorreiter Berlin: Berlin feilt seit Jahren an seinem Ziel, "familienfreundlichste Stadt der Welt" zu werden. In der hoch verschuldeten Hauptstadt sind Kitas und Tagespflege komplett kostenlos. Auch die ersten beiden Hortjahre sind beitragsfrei. An Grundschulen müssen keine Lehrbücher mehr bezahlt werden, und es gibt Gratis-Schülertickets für Busse und Bahnen. Seit Beginn dieses Schuljahres kostet auch das Mittagessen in den Grundschulen die Eltern nichts mehr. Der Kantinenkosthersteller Apetito weist in seinem Beitrag an den NRW-Landtag auf die Folgen hin: Die sprunghafte Zunahme der Teilnehmenden am Essen habe an vielen Schulen bereits die räumlichen und zeitlichen Kapazitäten gesprengt.

Beispiel Düsseldorf: Die Landeshauptstadt will mit einem ämter- und trägerübergreifenden Gremium gesunde, nachhaltige Verpflegung nach verbindlichen Qualitätsstandards für alle Kinder in Kitas, Schulen, Tagespflege, Freizeiteinrichtungen und in der Familienhilfe sicherstellen. Ein kostenloses, gesundes Mittagessen für jedes Kind sei wünschenswert, schreibt Stadtdirektor Burkhard Hintzsche.

Gesundes Essen als Kinderrecht

Kosten: Die Kommunen könnten die Belastungen für Gratismahlzeiten aber nicht alleine tragen, heißt es im Bericht der Landeshauptstadt. "Bereits für die kostenlose Mittagsverpflegung in den städtischen Düsseldorfer Schulen würden jährliche Kosten in Höhe von mindestens 15 Millionen Euro anfallen." Apetito stellt unter Bezug auf die bundesweite Situation fest: "Fakt ist, dass die Kommunen die Schulen bereits heute mit bis zu 1,2 Milliarden Euro pro Jahr bezuschussen, um die durchschnittlichen Kosten von 3,50 Euro pro Schulessen zu decken, weil Eltern sich diese nicht leisten können oder wollen."

Fertigkost: Laut einer bundesweiten Erhebung zur Qualität der Schulverpflegung erhalte etwa die Hälfte der Schulen in NRW warme Fertigmahlzeiten, berichtet die SPD in ihrem Antrag "Gesundes Essen ist Kinderrecht". Nur jede siebte Schule serviere Mahlzeiten aus einer Frischküche, die übrigen arbeiteten mit Tiefkühlkomponenten.

Frischeküchen als unrealistische Vorstellung

Frischeküchen: Dass Frischküchen in Kitas und Schulen die beste Option seien - wie von der SPD behauptet - hält Apetito für eine "unrealistische, romantische Vorstellung". Eine unabhängige Studie des Öko-Instituts Fresenius habe Tiefkühlkost die beste Klimabilanz attestiert. Die räumlichen Voraussetzungen für Frischküchen fehlten an den meisten Schulen, das Fachpersonal sei knapp und die Hygiene- und Dokumentationspflichten seien hoch. Darauf weist auch die Verbraucherzentrale hin.

Tiefkühlkost: Düsseldorf habe sich unter Abwägung aller Vor- und Nachteile entschieden, die Zubereitung von Mahlzeiten an den Schulen aus Tiefkühlkomponenten ("Cook&Chill") künftig als Standard zu setzen, berichtete Stadtdirektor Hintzsche. Bei Neubauten würden entsprechende Küchen eingerichtet. Die SPD fordert ein Sonderinvestitionsprogramm von Land und Bund zum Kücheneinbau in Schulen und Kitas.

Kinderarmut und Mangelernährung sind eng verbunden

Armut: Kinderarmut und Mangelernährung seien eng verbunden, unterstrich Hintzsche. "In Haushalten, die von Armut bedroht sind, haben andere Probleme in der Regel höhere Priorität als eine gesunde Ernährung." Mangelernährung werde auch als "der verborgene Hunger" bezeichnet und falle oft nicht so schnell auf. "Umso schlimmer sind die Auswirkungen auf die körperliche und geistige Entwicklung des Kindes."

Gesundheit: Eine Langzeitstudie des Robert Koch-Instituts zur Gesundheit der Kinder und Jugendlichen in Deutschland habe ergeben, dass Minderjährige aus schlechter gestellten Familien deutlich häufiger von Übergewicht und Fettleibigkeit betroffen seien, heißt es in der Düsseldorfer Stellungnahme. Das wirke sich negativ auf Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit, Koordination, Blutdruck, Blutwerte, Fett- und Zuckerstoffwechsel sowie auf Fuß-, Knie- und Hüftgelenke aus. In der Kita begünstige eine abwechslungsreiche, gesunde Ernährung den Aufbau des Immunsystems, reduziere das Allergierisiko und die Infektanfälligkeit und schütze vor Zivilisationskrankheiten.