Mit neuen Medikamenten gegen Adipositas

Prof. Dr. Sebastian Schmid von der Universität zu Lübeck sprach auf dem DGIM-Kongress in einer Adipositas-Session über "Medikamentöse Therapieansätze - heute und in der Zukunft".

Medikamentöse Therapieansätze - heute und in der Zukunft

Prof. Dr. Sebastian Schmid von der Universität zu Lübeck sprach auf dem DGIM-Kongress in einer Adipositas-Session über "Medikamentöse Therapieansätze - heute und in der Zukunft".

Einleitend stellte der Endokrinologe fest: Die medikamentöse Therapie der Adipositas ist momentan noch sehr eingeschränkt. Es gibt wenige zugelassene Substanzen. Zudem sind die wenigen zugelassenen Substanzen in Deutschland nicht erstattungsfähig. Nach der Sozialgesetzgebung ist die Adipositas nicht als Erkrankung definiert. "Das ist ein Problem, dem wir uns politisch weiter widmen müssen," urteilt der Experte.

Welche Medikamente sind einsetzbar?

Was leistet die medikamentöse Adipositas-Therapie? Zulassungsstudien für Liraglutid in der 3,0 mg-Formulierung für Adipositas zeigen innerhalb eines Jahres einen Gewichtsverlust von rund 9 Prozent im Vergleich zu placebo-behandelten PatientInnen. Das trifft sowohl auf PatientInnen mit Prädiabetes als auch auf solche mit normoglykämischer Stoffwechsellage zu. Es geht aber nicht nur um den absoluten Gewichtsverlust, sondern auch um Gewichtskategorien. Hier haben zwei Drittel der PatientInnen unter der Therapie mehr als 5 Prozent Gewichtsreduktion erreicht. Und ein Drittel zeigt einen Gewichtsverlust von mehr als 10 Prozent des Ausgangsgewichts. Die sogenannten Super Responder, also die 15 Prozent, die besonders gut ansprechen, erreichen mehr als 15 Prozent Gewichtsverlust. Im Umkehrschluss bedeutet das, das ein Drittel nicht mehr als 5 Prozent abnimmt. Man schaut sich in der Praxis daher den Verlauf über drei Monate an und wenn es dabei unter 5 Prozent Gewichtsverlust bleibt, sollte die Therapie gestoppt werden.

Liraglutid als Adipositas-Therapie ist aktuell für Erwachsene zugelassen. Aber erste Studien zeigen, dass die Therapie auch bei Jugendlichen sicher eingesetzt werden kann. Das Wirkungs-und Nebenwirkungsspektrum unterscheidet sich nicht von dem der Erwachsenen.

Medikamentöse Therapien im Kontext der Gesamtheit der Therapieoptionen

Im Vergleich zeigt sich die geringste Effektstärke bei der konservativen Therapie. Die Pharmakotherapie steht etwas besser da. Und die deutlich höchste Effektstärke zeigt die bariatrische Chirurgie. Das bedeutet aber in den Augen des Referenten, dass es zwischen den Optionen einen sehr großen Raum für Innovationen gibt, in den weitere medikamentöse Therapien vordringen könnten.

Welche neuen Ansätze gibt es?

Es werden aktuell verschiedenste Ansätze beforscht. Beispielsweise Mechanismen und Signalwege, die in der Körperperipherie adressiert werden, sowie auch zentralnervöse Zielstrukturen. Aktuell in der Diskussion sind noch wirksamere GLP1-Rezeptor-Agonisten, die auch kombinierbar mit anderen Inkretin-Hormonen sind, das sind sogenannte duale oder auch Tripel-Agonisten. Man kann auch auf andere gastrointestinale Peptide fokussieren, wie beispielsweise das PYY.

Ausblick für zukünftige Pharmakotherapien

Nähere Zukunft

Für die Substanz Semaglutid, etabliert in der Typ-2-Diabetes, zeigen Zulassungsstudien für die Adipositastherapie in der Dosis 2,4 mg einmal wöchentlich eine deutliche Gewichtsreduktion über ein Jahr von 16 Prozent zum Ausgangsgewichts. Es läuft dazu eine kardiovaskuläre Endpunkt-Studie mit 17.000 PatientInnen weltweit. Die Ergebnisse hält Prof. Schmid für relevant vor dem Hintergrund der Anerkennung der Adipositas als Erkrankung.

Zu weiteren künftige Optionen gehört das Tirzepatid – das Peptidhormon kann an zwei Rezeptoren binden und ist im Zulassungsprozedere schon relativ weit. In frühen klinischen Studien wurde in der Dosierung von 15mg einmal wöchentlich kein Plateau erreicht, das heißt, die Gewichtsabnahme schreitet offensichtlich weiter fort. Hier sind ganz deutliche Effekte zu erwarten. Man darf gespannt sein, wie sich die medikamentöse Adipositastherapie weiterentwickelt.

Zusammenfassung

Quelle: DGIM-Kongress 2021; Prof. Dr. Sebastian Schmid: Medikamentöse Therapieansätze - heute und in der Zukunft