Kein COVID-19-bedingter Babyboom

Die Zwangsnähe in der Pandemie verändert nach Experteneinschätzung das Sexleben in vielen Beziehungen. Aber mehr Sex bedeutet nicht zwingend mehr Babys. Denn die Unsicherheit vieler Paare ist groß.

Mehr Sex, aber auch mehr Sorgen

Die Zwangsnähe in der Pandemie verändert nach Experteneinschätzung das Sexleben in vielen Beziehungen. Aber mehr Sex bedeutet nicht zwingend mehr Babys. Denn die Unsicherheit vieler Paare ist groß.

Reisen werden verschoben, Konzerte finden kaum statt und gefeiert wird ebenfalls wenig. Beschäftigen können sich viele deutsche Paare auch anders. "Sie haben mehr Sex", nimmt zumindest der Psychotherapeut und Buchautor Wolfgang Krüger an. Die Pandemie helfe gegen die Sexmüdigkeit. Kommt es zu einem Baby-Boom in etwa ab Ende des Jahres?

In Deutschland werden laut Berufsverband der Frauenärzte (BVF) jährlich zwischen 770.000 und 800.000 Kinder geboren. Das seien etwa acht neue schwangere Frauen in jeder frauenärztlichen Praxis pro Monat. Eine leichte Zunahme an Schwangerschaften sei zwar denkbar. "Weil vielleicht Paare, die einen Kinderwunsch hatten, mehr Zeit und Gelassenheit hatten", sagt BVF-Präsident Christian Albring. Das werde sich aber, wenn überhaupt, sicherlich nur im einstelligen Bereich bewegen. Denn andererseits kämen durch die Corona-Pandemie Paare auch in finanzielle Not, so dass sie möglicherweise den Gedanken an ihren Kinderwunsch zurückstellten, so Albring.

Für eine statistisch belastbare Aussage zu Schwangerschaften während Corona sei es noch viel zu früh, sagen ÄrztInnen. Doch die bisherige Einschätzung vieler Fachleute ist dieselbe: Es werde keinen Baby-Boom in Deutschland aufgrund der Corona-Pandemie geben.

Unsicherheiten in der Krise sind groß

Dieser Meinung sind auch Hersteller von Baby-Produkten. "Tatsächlich erleben sowohl wir bei unseren Bestelleingängen als auch der Fachhandel selbst keine Auswirkungen eines möglichen Baby-Booms durch Corona", sagt Monika Holhut vom Kinderwagen-Hersteller Gesslein. Bei myToys verzeichnet der Onlinehandel nach Unternehmensangaben in den vergangenen Monaten zwar eine stärkere Nachfrage. Dies sei jedoch eher der Verlagerung der Einkäufe in den Online-Handel als erhöhten Geburtenraten zuzuschreiben, sagt Sprecherin Katrin Schäkel.

"Die Unsicherheit in der Krise ist generell sehr groß. Da bekommen Paare nicht plötzlich mehr Kinder", erklärt die Vorsitzende des Hebammenverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Kathrin Herold. Auch ihre bayerische Kollegin, Mechthild Hofner, bestätigt das. Einen Geburten-Rückgang werde es zwar nicht geben, schätzt sie. "Aber einen deutlichen Anstieg bei Anmeldungen für Geburtsvorbereitungskurse spüren unsere Hebammen auch nicht." Gleiches gilt für Brandenburg und Niedersachsen.

Rückgang bei den Anmeldungen Schwangerer in Geburtsvorbereitungskursen

Einige Praxen verzeichnen sogar einen Rückgang bei den Anmeldungen Schwangerer in Geburtsvorbereitungskursen. "Die Frauen müssen mit Mundschutz und Mindestabstand ihre Atemübungen machen", sagt etwa Hebamme Christine Zinsler aus München. Viele Kurse seien deswegen storniert worden.

Auch wenn die Zahl der Schwangerschaften während der Corona-Krise den ÄrztInnen und Hebammen zufolge nicht steigt - mehr Sex haben die Deutschen nach Annahmen des Berliner Beziehungsexperten Krüger trotzdem. "Ein enges Beisammensein gepaart mit einer gewissen Angst oder Unsicherheit fördert immer die Sexualität", sagt Krüger. Ob es deswegen aber auch mehr Babys geben werde, kann er nicht sagen. "Wir wissen, dass es mehr Sex gibt. Aber ob der verhütet ist, oder nicht - so genau wollen wir es ja dann auch nicht wissen", sagt Krüger mit Verweis auf eine Umfrage von ihm und lacht.