Der häufigste Fehler bei prädiktiven Biomarkern ist überraschend grundlegend: Viele vermeintliche "Prädiktoren" sind keine echten Vorhersagen. Eine vorausgegangene Darmoperation, die Notwendigkeit fortgeschrittener Therapien oder bereits entwickelte Komplikationen sind keine "Prädiktoren" für eine aggressive CED – sie sind vielmehr klare Indikatoren, dass eine Erkrankung bereits vorliegt.
Zudem wird Assoziation oft mit Prädiktion verwechselt. Viele statistisch robuste Assoziationen werden als potenzielle Prädiktoren bezeichnet, obwohl ihre Vorhersageleistung in Wirklichkeit unzureichend ist. Für einen klinisch nützlichen Prädiktor sind ausreichende Sensitivität, Spezifität sowie positive und negative Vorhersagewerte erforderlich. Klinische Parameter wie junges Erkrankungsalter, früher Steroidbedarf und perianale Erkrankung bei Morbus Crohn oder ausgedehnte Erkrankung bei Colitis ulcerosa werden in der klinischen Praxis häufig verwendet, obwohl seit langem bekannt ist, dass sie schlechte Prädiktoren sind.
Eine Hauptursache für das Scheitern von Biomarkern ist die fehlende adäquate unabhängige Replikation. Dies ist besonders wichtig für potenzielle Biomarker aus "-omics"-Studien, bei denen die Anzahl der gemessenen Parameter die Anzahl der Proben bei weitem übersteigt, was zu Überanpassung (Overfitting) führen kann. Unabhängige Validierung muss daher eine Voraussetzung für alle künftigen Biomarker sein.
Um schnell große Studienkohorten mit längeren Nachbeobachtungsdaten zu erhalten, wählen viele Forscher einen retrospektiven Ansatz. Dabei besteht die Gefahr einer umgekehrten Kausalität, bei der ein scheinbarer Prädiktor tatsächlich das Ergebnis des untersuchten Outcomes ist. Ein Beispiel sind Antikörper gegen mikrobielle Antigene, die mit kompliziertem Krankheitsverlauf bei Morbus Crohn assoziiert wurden. Spätere Untersuchungen zeigten jedoch, dass die Seropositivität im Laufe der Zeit zunimmt, was die prognostische Aussagekraft dieser Marker einschränkt.
Bei der Interpretation von Biomarkern ist es wichtig, andere Faktoren zu berücksichtigen, die das Ergebnis beeinflussen können. Ein offensichtliches Beispiel ist der Einfluss der Krankheitslokalisation auf die Calprotectin-Werte. Bei isolierter Dünndarmerkrankung sind die Calprotectin-Werte im Vergleich zu Patienten mit Kolonbeteiligung generell niedriger, was zu einer verringerten Sensitivität führt.
Auch die Vortestwahrscheinlichkeit ist entscheidend für die Interpretation. Bei Colitis ulcerosa-Patienten in symptomatischer Remission beträgt die geschätzte Rate moderater oder schwerer Entzündung etwa 15%. In diesem Kontext hat ein Calprotectin-Wert < 250 μg/g einen negativen prädiktiven Wert von 92%. Bei einem symptomatischen Patienten mit rektalen Blutungen und erhöhter Stuhlfrequenz (85% Wahrscheinlichkeit für moderate oder schwere Entzündung) sinkt der negative prädiktive Wert des gleichen Calprotectin-Grenzwerts auf nur 26%.
Die Ergebnisse der PROFILE-Studie haben eine neue Perspektive auf die relative Bedeutung prognostischer und prädiktiver Biomarker eröffnet. In dieser Studie wurden neu diagnostizierte Morbus Crohn-Patienten nach Biomarker-Tests randomisiert entweder einer beschleunigten Step-up-Therapie oder einer Top-down-Therapie (Infliximab und Azathioprin) zugeordnet.
Obwohl der Biomarker keinen prognostischen Nutzen zeigte, gab es einen überwältigenden Vorteil der Top-down-Therapie mit höheren endoskopischen Remissionsraten als je zuvor in Phase-3-Studien berichtet. Etwa einer von 20 Patienten mit Step-up-Therapie benötigte im ersten Jahr eine Operation aufgrund von Komplikationen, während in der Top-down-Gruppe nur eine Operation wegen eines Gallensteinileus erforderlich war.
Bemerkenswert ist, dass es bei neu diagnostizierten Patienten mit Top-down-Therapie keine erhöhte Rate schwerer Infektionen gab. Dies deutet darauf hin, dass das Infektionsrisiko bei CED-Patienten möglicherweise ebenso durch die physiologische Dekonditionierung aufgrund langfristig unkontrollierter Erkrankung wie durch die Behandlungen selbst bedingt ist.
Die Botschaft ist klar: Die Top-down-Therapie sollte für die meisten neu diagnostizierten Morbus Crohn-Patienten als Standard angesehen werden, insbesondere mit der Verfügbarkeit von Biosimilars, die diese Therapie in vielen Gesundheitssystemen erschwinglich machen.
Trotz erheblicher Forschungsanstrengungen bleibt die genaue Rolle, die prädiktive und prognostische Biomarker in der zukünftigen CED-Behandlung spielen werden, unklar. Die Ergebnisse der PROFILE-Studie unterstreichen zwar die Herausforderungen bei der Entwicklung von Biomarkern, sollten aber nicht von zukünftigen Bemühungen zur Biomarker-Entdeckung abhalten.
Die wichtige Lehre aus PROFILE war, dass es einen klaren Nutzen bei der Verwendung einer Top-down-Therapie von der Diagnose an bei Morbus Crohn-Patienten geben kann, auch ohne Biomarker. Der Nutzen umfasst sowohl die Krankheitskontrolle als auch die Vermeidung von Komplikationen und ist nicht mit eindeutigen Nachteilen hinsichtlich Nebenwirkungen oder Infektionsrisiken verbunden.
Die Auswahl der ersten Therapie bleibt ein wichtiger ungedeckter Bedarf, aber vermutlich wird dies nicht mit einem einzigen Biomarker gelöst werden. Tatsächlich erfordert die Bestimmung, ob ein bestimmtes Medikament für einen einzelnen Patienten geeignet wäre, sowohl die Vorhersage der Wirksamkeit als auch des Risikos von Nebenwirkungen.
Trotz der Herausforderungen bei der Entwicklung von Biomarkern wird die klare Kommunikation ihrer Ergebnisse an Patienten zusätzliche Hürden mit sich bringen. Wie jede Prognose werden biomarkerbasierte Vorhersagen nicht definitiv sein, und die Fähigkeit, die damit verbundene Unsicherheit zu kommunizieren, wird wichtig sein, um die Arzt-Patienten-Beziehung aufrechtzuerhalten und Erwartungen zu managen.
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