Colitis ulcerosa: Erster Patient bekommt neuartige T-Zellen-Therapie

Colitis ulcerosa-Betroffene leiden an anhaltenden blutigen Durchfällen und krampfartigen Bauchschmerzen. Peter M. hat unzählige erfolglose Behandlungsversuche hinter sich - nun ist er der weltweit erste Patient, der eine Therapie mit körpereigenen regulatorischeN T-Helferzellen beginnt.

Neuer Therapieansatz bei Colitis ulcerosa erstmals angewendet

Einer von ihnen ist Peter M. (Name geändert). Die Beschwerden des heute 22-Jährigen begannen 2015, unzählige Behandlungsversuche mit verschiedenen Therapeutika brachten keine anhaltende Besserung. M. setzte deshalb seine ganze Hoffnung in eine neuartige Therapie, die er jetzt als weltweit erster Colitis-ulcerosa-Patient im Deutschen Zentrum Immuntherapie (DZI) am Universitätsklinikum Erlangen im Rahmen einer durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderten Studie verabreicht bekam: Körpereigene regulatorische T-Helferzellen (Treg) sollen das Gleichgewicht in seinem Darm wiederherstellen und so die chronische Entzündung abklingen lassen.

Es gegann mit Magen-Darm-Beschwerden und Durchfällen

Bei Peter M. fing es mit Magen-Darm-Beschwerden und Durchfällen an. Nach einer Darmspiegelung stellte ein Gastroenterologe bei dem damals 16-Jährigen die Diagnose Colitis ulcerosa. S. ging es nach und nach immer schlechter, bei 1,80 Meter Körpergröße wog der Jugendliche bald nur noch 57 Kilogramm. "Ich war schwach und konnte kaum aufstehen. Irgendwann bin ich dann in die Notaufnahme gegangen“, erinnert sich der Patient. Er wurde stationär behandelt und bekam Medikamente zur Eindämmung der Symptome. "Ich dachte damals, mein Leben wäre vorbei. Im ersten Jahr konnte ich meine Erkrankung nur schwer akzeptieren." 

Verschiedenste Behandlungsmethoden brachten nicht den gewünschten Erfolg. Die Symptome besserten sich nicht oder kamen bald vollständig zurück. "2016 hatte ich dann genug von den vielen Behandlungen und ich brach die Therapie ab. Daraufhin war ich sogar ein Jahr lang symptomfrei. Aber danach kamen die Beschwerden wieder und ich ließ mich an der Charité behandeln." Die Berliner Ärzte machten den jungen Mann  auf ein Verbundprojekt zwischen der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Uni-Klinikum Erlangen aufmerksam.

Balanceakt der T-Zellen

"Im gesunden menschlichen Körper besteht ein Gleichgewicht zwischen entzündungsfördernden T-Zellen (Effektor-T-Zellen) und entzündungshemmenden regulatorischen T-Zellen (Treg)", erklärt Prof. Dr. Raja Atreya, Leiter des Schwerpunkts CED sowie Oberarzt der Medizinischen Klinik 1 – Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie (Direktor: Prof Dr. Markus F. Neurath) und des DZI am Uni-Klinikum Erlangen. Treg sind eine spezialisierte Untergruppe von T-Zellen mit stark entzündungshemmenden Eigenschaften. Sie sollen die Aktivierung des Immunsystems in bestimmten Situationen unterdrücken und verhindern dadurch eine Entzündungsreaktion. "Es konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass bei Patienten mit Colitis ulcerosa das Gleichgewicht zwischen Effektor-T-Zellen und regulatorischen T-Zellen gestört ist", so Atreya. "Die Treg sind dabei nicht in ausreichender Konzentration vorhanden und die entzündungsfördernden T-Zellen somit in der Überzahl."

Körpereigene T-Zellen gewinnen und zurückführen

Aus dem Blut des Patienten werden mittels Leukapherese körpereigene regulatorische T-Zellen gewonnen und anschließend im Reinraumlabor vermehrt. Die körpereigenen Treg werden dem Patienten als einmalige Infusion wieder zurückgegeben. PD Dr. Bosch-Voskens, Oberärztin der Hautklinik (Direktorin: Prof. Dr. Carola Berking) des Uni-Klinikums Erlangen, erklärt: "So wollen wir das natürliche Gleichgewicht der verschiedenen T-Zellen im Darm wiederherstellen und die entzündlichen Veränderungen der Darmschleimhaut damit zum Abheilen bringen. Im Tiermodell hat sich bereits gezeigt, dass der therapeutische Einsatz von Treg einen heilenden Effekt hat."

Im DZI besteht für Patienten wie Peter M. die besondere Möglichkeit, im Rahmen von Studien eine neue Behandlungsoption wahrzunehmen, die andernorts noch nicht zur Verfügung steht. Die Treg-Studie im Sonderforschungsbereich Transregio 241 wurde in Kooperation mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin konzipiert und wird von Dr. Bosch-Voskens und Prof. Atreya unter der Leitung von Prof. Dr. Markus F. Neurath durchgeführt.

Weltweit erster behandelter Colitis-ulcerosa-Patient

Peter M. ist der weltweit erste Patient mit Colitis ulcerosa, der die Treg-Therapie erhalten hat. Nach nur etwa 30 Minuten hatte der 22-Jährige die Infusion der aufbereiteten Zellen hinter sich. Im Anschluss wurden Temperatur und Blutdruck regelmäßig kontrolliert: zuerst jede Viertelstunde, danach jede Stunde und später alle drei Stunden – auch nachts. "Die Infusion an sich habe ich vertragen. Durch die ständige Überwachung bin ich etwas müde", berichtet S..

Seit 2012 arbeiteten die Erlanger Wissenschaftler der Medizin 1 und der Hautklinik daran, ein Produkt aus körpereigenen regulatorischen T-Zellen in der benötigten Qualität und Menge herzustellen, das die Entzündungsreaktion bei Colitis ulcerosa zurückgehen lässt. Das Ziel der aktuell laufenden Phase-I-Studie ist es, die Verträglichkeit und Sicherheit der Infusion von körpereigenen regulatorischen T-Zellen für Patienten mit Colitis ulcerosa nachzuweisen. Die Erlanger Forschenden erwarten sich außerdem eine Aussage darüber, ob die Tregs tatsächlich in den Darm einwandern und dort die aktive Entzündung der Darmschleimhaut hemmen. So wollen sie es künftig ermöglichen, mehr Colitis-ulcerosa-Patienten eine wirksame Therapie anbieten zu können.

"Weltweit wurden bisher ca. 160 Patientenfälle veröffentlicht, die eine ähnliche Infusion mit regulatorischen T-Zellen erhalten haben. Der Einsatz bei Colitis ulcerosa wurde bislang noch nicht erprobt. Wir sind daher sehr stolz, diesen Therapieansatz nun bei uns in Erlagen weltweit zum ersten Mal durchzuführen", freut sich Prof. Neurath. Bei Peter M.nächstem Besuch am Uni-Klinikum Erlangen wird sich nach einer Darmspiegelung zeigen, ob die Entzündung zurückgegangen ist und die Therapie erfolgreich war.