- Yaqub MO, Jain A, Joseph CE, Edison LK. Microbiome-Driven Therapeutics: From Gut Health to Precision Medicine. Gastrointestinal Disorders. 2025; 7(1):7. https://doi.org/10.3390/gidisord7010007
Verschiedene Erkrankungen stehen in enger Verbindung mit einem gestörten Gleichgewicht der Darmflora: Beim zeigt sich etwa eine deutlich verringerte Vielfalt an nützlichen Darmbakterien. Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) verschiebt sich die Darmflora zugunsten von entzündungsfördernden Keimen (z. B. E. coli) bei gleichzeitiger Abnahme schützender, entzündungshemmender Bakterien (wie Faecalibacterium prausnitzii). Auch bei metabolischen Erkrankungen wie Adipositas und Diabetes wurden charakteristische Mikrobiom-Veränderungen identifiziert, die auf eine Mitwirkung der Darmflora schließen lassen.
Auch Gehirn und Psyche stehen über die Darm-Hirn-Achse unter Einfluss der Darmflora – Hinweise darauf gibt es etwa bei Autismus und Parkinson. Auch für das Immunsystem ist das Mikrobiom bedeutsam: Eine Dysbiose wird bei
Autoimmunerkrankungen (z. B. rheumatoider Arthritis) als möglicher Einflussfaktor diskutiert. Selbst an der Krebsentstehung ist die Darmflora beteiligt – beispielsweise können manche Bakterien bei Darmkrebs durch chronische Entzündung DNA-Schäden begünstigen.
Angesichts dieser Zusammenhänge rücken therapeutische Eingriffe ins Mikrobiom zunehmend in den Fokus der Forschung und klinischen Anwendung. Eine bereits etablierte Methode ist die fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT), bei der Darmbakterien eines gesunden Spenders einem Patienten übertragen werden, um dessen Mikrobiom wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Vor allem bei wiederkehrenden Clostridioides-difficile-Infektionen erzielt FMT Erfolgsraten von über 90 %; auch bei CED-Patienten zeigen Studien teils deutliche Verbesserungen. Eine weitere Säule sind Probiotika – lebende, nützliche Mikroorganismen, die die Darmflora stärken sollen. In Kombination mit Präbiotika (Nährsubstrat für erwünschte Keime) werden sie als Synbiotika eingesetzt.
Auch die Verabreichung nützlicher mikrobieller Stoffwechselprodukte (etwa kurzkettiger Fettsäuren) wird als Therapieoption erforscht. Die kurzkettige Fettsäure Butyrat wirkt z. B. neuroprotektiv und immunmodulierend – mit möglichem therapeutischen Nutzen bei neurodegenerativen Erkrankungen wie und Parkinson.
Über diese Ansätze hinaus werden neuartige Strategien entwickelt, um gezielt in das Mikrobiom einzugreifen. Forscher arbeiten an synthetischen Mikrobiota – künstlich zusammengestellten mikrobiellen Gemeinschaften –, die bestimmte Funktionen erfüllen und Krankheitsprozesse modulieren sollen. Zudem rückt die gezielte genetische Veränderung von einzelnen Darmbakterien-Stämmen mittels in den Fokus, um etwa pathogene Keime auszuschalten. Im Gegensatz zu Transplantationen, die das gesamte Mikrobiom verändern, wird durch dieses Mikrobiom-Editing das restliche mikrobielle Gleichgewicht geschont. Ein weiterer Ansatzpunkt ist das Mikrobiom als therapeutisches Ziel in der Arzneimittelentwicklung – insbesondere zur Bekämpfung von Infektionen und Antibiotikaresistenzen. Diese Methoden befinden sich jedoch noch im frühen Stadium. Fragen der stabilen Etablierung der modifizierten Keime, ihrer sicheren Anwendung und der Kontrolle möglicher Risiken müssen vor einem klinischen Einsatz noch geklärt werden.
Trotz aller Fortschritte stehen mikrobiomgesteuerte Therapien vor diversen Hürden bis zur klinischen Routine. Ein zentrales Problem ist die große interindividuelle Variabilität des Mikrobioms – jeder Mensch hat eine einzigartige , sodass ein und dieselbe Behandlung unterschiedlich wirken kann. Solange die genauen Wirkmechanismen der Mikrobiom-Interventionen unklar bleiben, ist auch eine gezielte Weiterentwicklung schwierig. Auch gibt es noch viele Verständnislücken in der Mikrobiom-Forschung generell. Zudem fehlen einheitliche Protokollstandards, um Erkenntnisse aus verschiedenen Studien vergleichbar zu machen. Darüber hinaus gibt es noch keine klaren regulatorischen Leitlinien für die Zulassung und Anwendung dieser neuartigen Therapien, was die Umsetzung in die Praxis bremst.
Die jüngsten Entwicklungen verdeutlichen das enorme Potenzial mikrobiomgesteuerter Therapien. Künftig gilt es, verbleibende Wissenslücken zu schließen und bestehende Hürden zu überwinden. Gelingt dies, könnten Mikrobiomtherapien zu einem Eckpfeiler der personalisierten Medizin werden und als maßgeschneiderte, wirksame sowie nachhaltige Behandlungsoptionen für zahlreiche Krankheiten dienen.