MIS-C bei Kindern nach COVID-19: Ursprung im Darm?

Das Multisystemische Entzündungssyndrom kann bei Kindern und Jugendlichen als Folge einer SARS-CoV-2-Infektion in Erscheinung treten.

Postakute COVID-19-Symptome haben Ähnlichkeiten mit dem toxischen Schocksyndrom

Die klinischen Merkmale des MIS-C überschneiden sich zum Teil mit dem bereits seit Längerem bekannten Kawasaki-Syndrom. Neben dem anhaltenden Fieber zeigen sich beim MIS-C Hautausschlag, Veränderungen der Mundschleimhaut sowie Bindehautentzündung. Die Lippen können rot und rissig sein, die Zunge erdbeerfarben. In dieser Symptomatik ähnelt MIS-C dem Kawasaki-Syndrom. Weitere Überschneidungen gibt es jedoch auch mit dem toxischen Schocksyndrom (TSS). Das letztere wird durch bakterielle Superantigene (SAgs) ausgelöst. Beim TSS können Staphylokokken- oder Streptokokken-Exotoxine zu hohem Fieber, arterieller Hypotonie und diffusen erythematösen Hautausschlägen führen. Wie beim MIS-C kann es beim TSS zu einem Multiorganversagen kommen.1

Bakterielle Superantigene und das Glykoprotein Spike 1 sind sich verblüffend ähnlich

Ähnlichkeiten in der Symptomatik beider Syndrome lassen sich auf molekularer Ebene durch folgende Theorie und Beobachtungen erklären: Das SARS-CoV-2-Virus besitzt SAg-ähnliche Strukturen. Im Bereich des Glykoprotein Spike 1 (S1) von SARS-CoV-2 konnte ein Motiv entdeckt werden, das einem Fragment von Staphylokokken-Enterotoxin B (SEB) sehr ähnlich ist. Computergestützte Studien deuten darauf hin, dass SAg-ähnliche Motive eine hohe Affinität zur Bindung von T-Zell-Rezeptoren (TCRs) und MHC-Klasse-II-Proteinen aufweisen. Weitere Untersuchungen mittels Immunsequenzierung peripherer Blutproben von MIS-C-Patienten bestätigten diese Theorie. Hier zeigte sich eine starke Expansion des variablen TCR-β-Gens 11-2 (TRBV11-2). Diese Expansion korrelierte positiv mit dem Schweregrad des Multisystemischen Entzündungssyndroms (MIS-C). Diese immunologische Beobachtung stimmt mit einer SAg-ausgelösten Immunantwort überein. Bei den betroffenen Patienten konnten darüber hinaus Autoantikörper isoliert werden. Dies ist ein wichtiger Hinweis auf eine postakute Autoimmunität nach einer SARS-CoV-2-Infektion.1

Welche Rolle spielt der Darm für SARS-CoV-2 und MIS-C?

Bei Kindern mit MIS-C konnte eine verlängerte Persistenz von SARS-CoV-2-RNA im Darm beobachtet werden. Gleichzeitig litten die Kinder unter einer erhöhten Darmdurchlässigkeit. Bei den Kindern konnten erhöhte Werte von zirkulierendem S1 (Glykoprotein Spike 1) gemessen werden. Die Forschungsgruppe stellte die Hypothese auf, dass eine kontinuierliche Exposition gegenüber den viralen SAg-ähnlichen Motiven im Bereich des Glykoproteins Spike 1 (S1) eine Autoimmunität fördern kann. Neben den viralen SAg-ähnlichen Motiven sind auch Neurotoxin-ähnliche Motive bei SARS-CoV-2 bekannt. Diese beiden Motive können zur Entwicklung von postakuten COVID-19-Syndromen, wie dem MIS-C und Long-COVID beitragen.1

Quellen:

1. Noval Rivas M. et al. (2022). Multisystem Inflammatory Syndrome in Children and Long COVID: The SARS-CoV-2 Viral Superantigen Hypothesis. Front Immunol. 2022 Jul 7;13:941009.