- Kampmann, Kristina, Dr. med., Universitätsklinikum Essen. Vortrag: Genetisch determinierte Erkrankungen – Fokus auf die Darm-Leber-Achse. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 2025, Wiesbaden, 06.05.2025.
Morbus Wilson (Prävalenz ca. 1:30.000) beruht auf einer autosomal-rezessiven ATP7B-Mutation mit gestörter biliärer Kupferausscheidung. Klinisch imponiert Morbus Wilson typischerweise mit der Trias aus
Kinder zeigen jedoch laut Dr. Kampmann meist primär nur hepatische Symptome.
Der Verdacht auf Morbus Wilson ergibt sich aus Klinik und Labor: typischerweise niedriges Serum-Coeruloplasmin, erhöhte Kupferausscheidung im 24-Stunden-Urin und erhöhte Leberkupfergehalte, falls eine Leberbiopsie erfolgt. Eine molekulargenetische Bestätigung durch ATP7B-Genanalyse sollte angestrebt werden.
Neu hinzugekommen als diagnostisches Tool ist der Parameter „relative exchangeable copper (REC)“, der den Anteil des austauschbaren Kupfers am Gesamtkupfer im Serum angibt. Dieser Biomarker hat sich als äußerst sensitiver und spezifischer Indikator für Morbus Wilson erwiesen (~100 % Sensitivität/Spezifität). Ein pathologisch erhöhter REC-Wert von mehr als 18,5 % kann dabei nicht nur die Diagnose sichern, sondern auch als Screening-Tool im Familienscreening dienen. Die aktualisierte EASL-ERN-Leitlinie 2025 empfiehlt die Bestimmung des REC ergänzend zum klassischen Diagnosealgorithmus, parallel zum bewährten Leipzig-Score.
Trotz diagnostischer Fortschritte hat sich an den etablierten Behandlungsoptionen für Morbus Wilson bislang nichts Grundlegendes geändert. Da die Erkrankung unbehandelt zu fulminantem Leberversagen führen kann, ist eine frühzeitige und lebenslange Therapie unverzichtbar. Im klinischen Alltag kommen folgende Maßnahmen zum Einsatz:
Das ARC-Syndrom (arthrogryposis-renal dysfunction-cholestasis syndrome, inzwischen als PFIC Typ 12 [PFIC12] klassifiziert) ist eine extrem seltene, hereditäre Erkrankung des Säuglingsalters – bislang sind weltweit weniger als 100 Fälle bekannt. Pathogenetisch handelt es sich um einen autosomal-rezessiven Defekt, meist durch Mutationen im VPS33B-Gen bedingt. Hierdurch kommt es zu einer gestörten intrazellulären Proteinverarbeitung, welche die Leber-Galle-Funktion und andere Organe betrifft.
Klinisch zeigt sich das ARC-Syndrom durch die Trias aus:
Weitere Organbeteiligungen sowie Hautveränderungen (z. B. generalisierte Ichthyosis) sind möglich. Aufgrund des multisystemischen Krankheitsbildes ist die Prognose sehr ungünstig: Im Verlauf entwickeln sich und eine Entwicklungsretardierung, viele Kinder sterben bereits im ersten Lebensjahr.
Eine kausale Therapie existiert bislang nicht – die Behandlung ist rein symptomatisch/supportiv und beinhaltet u. a.:
Ergänzt wird dies durch eine vitamin- und energie-/kalorienreiche Ernährung zur Gedeihförderung. Besonders quälend ist häufig der chronische, therapieresistente Pruritus. Invasive Maßnahmen wie eine biliodigestive Diversion werden als Ultima Ratio eingesetzt, um den Gallensäurepool zu reduzieren.
In neueren Klassifikationen wird das ARC-Syndrom dem Formenkreis der Progressiven Familiären Intrahepatischen Cholestasen (PFIC) zugeordnet. Seit 2021 bzw. 2024 stehen bei Krankheiten aus dem Formenkreis PFIC zwei neuartige Medikamente zur Verfügung: Odevixibat und Maralixibat. Dabei handelt es sich um nicht-resorbierbare Ileal Bile Acid Transporter (IBAT)-Inhibitoren, die die enterale Rückresorption der Gallensäuren verringern. Dadurch sinkt der systemische Gallensäurepool, und der cholestatische Pruritus nimmt deutlich ab.
In einem von Dr. Kampmann vorgestellten Fallbericht konnte Odevixibat bei einem jungen Patienten sowohl den Juckreiz als auch die Serum-Gallensäurewerte signifikant senken. Der zuvor therapierefraktäre Pruritus besserte sich drastisch, andere antipruritische Medikamente (z. B. Phenobarbital) konnten reduziert und die externe biliäre Drainage perspektivisch beendet werden. Diese neuen Therapieoptionen bieten betroffenen Kindern somit erstmals die Chance auf eine bessere Lebensqualität.
Der Vortrag von Dr. Kristina Kampmann machte deutlich, wie essentiell spezialisierte Diagnostik und neue Therapieoptionen bei seltenen genetischen Lebererkrankungen sind. Während beim Morbus Wilson der Biomarker REC die diagnostische Sicherheit erhöht, ermöglichen IBAT-Inhibitoren wie Odevixibat und Maralixibat eine bessere Symptomkontrolle bei PFIC-assoziierten Erkrankungen wie dem ARC-Syndrom. Für betroffene Kinder können sich damit die Prognose und Lebensqualität spürbar verbessern.
Die vorgestellten Entwicklungen markieren einen wichtigen Fortschritt – doch der Bedarf an gezielter Forschung, individualisierter Versorgung und interdisziplinärer Betreuung von Pädiatern und Hepatologen bleibt hoch, zumal zunehmend mehr betroffene Kinder das Erwachsenenalter erreichen.