Kognitive Verhaltenstherapie langfristig wirksam beim Reizdarmsyndrom

In einer Untersuchung an 436 gegenüber konventionellen Therapien refraktären IBS-Patienten gemäß Rom-III-Kriterien konnten Wissenschaftler nachweisen, dass eine CBT eine über mindestens 12 Monate anhaltende nachhaltige Verbesserung von IBS-Beschwerden bewirken kann.

Ohnmachtserfahrung durch Schulung gezielt modifizieren

Das Reizdarmsyndrom (IBS) gehört zu den häufigsten und am schwierigsten zu behandelnden gastrointestinalen Erkrankungen. In einer Untersuchung an 436 gegenüber konventionellen Therapien refraktären IBS-Patienten gemäß Rom-III-Kriterien konnten US-amerikanische Wissenschaftler um Jeffrey M. Lackner von der Abteilung für Behavioral Medicine and Gastroenterology der University at Buffalo, Buffalo, NY, USA, nachweisen, dass eine kognitive Verhaltenstherapie (CBT) eine über mindestens 12 Monate anhaltende nachhaltige Verbesserung von IBS-Beschwerden bewirken kann.1

Zum Einsatz kamen in der randomisierten Vergleichsuntersuchung drei verschiedene Behandlungsansätze. Eine Standard-kognitive Verhaltenstherapie (S-CBT) sah im Verlauf von zehn Wochen zehn Besuche bei einem auf Darmerkrankungen spezialisierten Therapeuten in einer Klinik vor. Eine Minimalkontakt-CBT (MC-CBT) beschränkte den Therapeutenkontakt der Patienten in zehn Wochen auf vier einstündige Besuche des Behandlers im Zuhause der Patienten und sah darüber hinaus umfangreicheres Lernmaterial zum Selbststudium vor. Verglichen wurden beide Behandlungsschemata mit einer ausschließlich auf Schulung ausgerichteten Information der Studienteilnehmer, die sich ausdrücklich jeder Empfehlung zur Verhaltensänderung an die Patienten enthielt.

Beide Formen der CBT sind ausschließlicher Schulung überlegen

Die Auswertung der Studie ergab, dass beide CBT der reinen Patientenschulung zum Reizdarmsyndrom signifikant überlegen waren. So beschrieben 39% bzw. 31% der Patienten ihren Zustand in der Selbsteinschätzung gemäß Clinical Global Impressions-Improvement Scale (CGI) bei jedem der fünf Kontrolltermine (zwei Wochen sowie 3, 6, 9 und 12 Monate nach der Therapie) als gebessert. Unter den nur geschulten Patienten betrug dieser Anteil hingegen nur 19% (p < 0,05). Ein entsprechender Trend wurde auch im Vergleich der drei Behandlungsgruppen nach der IBS Symptome Severity Scale (IBS-SSS) sichtbar, der die Qualitäten Bauschmerz-Stärke und -Frequenz, abdominelle Spannung, Unzufriedenheit mit dem Bauch-Zustand sowie Beeinträchtigungen der Lebensqualität erfasste.

Grundlage der Untersuchung war die Datenerhebung im Zuge der IBSOS-Studie (IBS Outcome Study)2, deren Daten im Zuge der aktuellen Untersuchung einer zweiten Auswertung unterzogen wurden. In die IBSOS-Studie waren Patienten eingeschlossen und auf die drei Therapiegruppen randomisiert worden, die mindestens zweimal wöchentlich an IBS-Beschwerden litten, deren Stärke zu selbstberichteten Einschränkungen von Arbeit, Ausbildung, Sozialleben oder Haushaltsführung geführte hatte. Jede der drei Therapiegruppen umfasste etwa 145 Patienten von denen jeweils rund 125 in die Auswertung gelangten.

Schützt "Selbstwirksamkeitserfahrung" vor Lebensqualitätsbeeinträchtigungen durch IBS?

In der Diskussion der Ergebnisse erörtern die Wissenschaftler ausführlich die Ursachen der Wirksamkeit der CBT. Insbesondere gehen sie auf die veränderte Krankheits- und Selbstwahrnehmung der Patienten ein, die sich in Folge der Verhaltenstherapie, nicht aber in Folge der reinen Schulung zu Krankheitscharakteristika einstellte. Viele Patienten, so führen die Autoren aus, erlebten das IBS als unberechenbar und unkontrollierbar. Sich selbst nähmen sie als ohnmächtig gegenüber den Beschwerden wahr. Ein Umstand, der nicht zuletzt auf die unbefriedigende Therapierbarkeit des Reizdarmsyndroms zurückgehe.

Gerade die Distress-verbundene Ohnmachtserfahrung der Patienten werde durch die Schulung zum IBS, mehr noch aber durch die CBT gezielt modifiziert. Durch Analyse der objektiven und subjektiven Krankheitsprozesse und Aufdecken von physiologischen und emotionalen Zusammenhängen zwischen Auslösern, Beschwerden und Verarbeitung der Erkrankung, könne das IBS als beeinflussbares Geschehen erkannt werden.

Symptome und Einschränkungen erschienen dadurch weniger willkürlich und in ihren Abläufen nachvollziehbar. Das vertiefte Verständnis der Krankheitsprozesse erlaube günstigstenfalls eine Beeinflussung des Verlaufs. Diese Erfahrung wiederum reduziere die Ohnmachtsgefühle und den Stress, der von der Erkrankung ausgelöst werde, was entscheidend zur Abnahme der Beschwerden führe. Weiterhin erkläre dieser Zusammenhang die objektiv geringere Wirkung der getesteten Therapien hinsichtlich des IBS-SSS. Die im IBS-SSS erfassten Parameter würden weniger auf die durch die CBT modifizierte Krankheitsverarbeitung reagieren als die im IBS-SSS erfassten Messgrößen,  wie etwa abdominelle Schmerzen.

Das Fazit der Autoren lautet denn auch, dass die Studie nachgewiesen habe, dass eine auf gastroenterologische Beschwerden zugeschnittene CBT in der Lage sei, die Belastung der Patienten durch das IBS substantiell über 12 Monate zu reduzieren. Die MC-CBT habe sich in diesem Zusammenhang insgesamt als tendenziell etwas wirksamer erwiesen als die S-CBT, benötige jedoch einen längeren Zeitraum als die S-CBT, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Offenbar, so die Wissenschaftler helfe der intensivere Therapeutenkontakt der S-CBT den Patienten, die Lerninhalte rascher zu verinnerlichen und anzuwenden, als dies bei der MC-CBT geschehe.

Prof. Charles Kahi von der Indiana University  School of Medicine and Gastroenterology in Indianapolis, Indiana, USA, benannte in einem Kommentar zur Veröffentlichung allerdings das zentrale Problem des neuen Ansatzes.3 Entsprechend geschulte Therapeuten stünden für einen breiten Einsatz bei IBS nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung. Er würde daher dazu tendieren, so seine Empfehlung, die Therapie als tertiäre Behandlung nur Patienten anzubieten, bei denen primäre und sekundäre Therapien sich bereits als unzureichend erwiesen hätten.

Quellen:
1. Lackner JM, et al. durability and decay of treatment Benefit of cognitive Behavioral therapy for Irritable Bowel Syndrome: 12-Month Follow-up. Am J Gastroenterol https://doi.org/10.1038/s41395-018-0396-x
2. Lackner JM, et al. The Irritable Bowel Syndrome Outcome Study (IBSOS): rationale and design of a randomized, placebo-controlled trial with 12 month follow up of self- versus clinician-administered CBT for moderate to severe irritable bowel syndrome. Contemp Clin Trials. 2012;33:1293–310. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3468694/pdf/nihms397271.pdf
3. Kahi CJ. SUMMARY AND COMMENT: Cognitive-Behavioral Therapy Shows Durable Benefit for Irritable Bowel Syndrome.  NEJM Journal Watch Gastroenterology for December 7, 2018. https://www.jwatch.org/na48012/2018/12/07/cognitive-behavioral-therapy-shows-durable-benefit?query=etoc_jwgastro&jwd=000020087884&jspc=