Könnten Antibiosen zu entzündlichen Darmerkrankungen prädisponieren?

Einen weiteren Grund für den achtsamen Umgang mit Antibiotika liefert eine anlässlich der "Digestive Disease Week" präsentierte Auswertung von 2,3 Mio. Patientenakten.

Studiendaten in Kürze

Eine populationsbasierte Studie aus Schweden von 2020 deutete bereits auf einen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber systemischen Antibiosen, insbesondere solchen mit breiterem Keimspektrum, und einem erhöhten Risiko für neu auftretende CED bei jungen Menschen hin.2,3 An Untersuchungen hierzu bei älteren Erwachsenen fehlte es bislang. Nach zwei Jahren virtueller Programmgestaltung kehrte die "Digestive Disease Week" (DDW) vom 21. bis 24. Mai 2022 nach San Diego, Kalifornien, zurück. Anlässlich der Tagung wurden bemerkenswerte neue Daten zu dieser Frage präsentiert.

Antibiotika, die auf das gastrointestinale Mikrobiom wirken, erhöhen das Risiko für CED bei älteren Menschen

Die aktuelle Auswertung stützte sich auf Daten von 2,3 Mio. Erwachsenen zwischen 60 und 90 Jahren aus dem dänischen nationalen Patientenregister und dem dänischen nationalen Verordnungsregister von 2000 bis 2018. Faye und sein Team berechneten die Raten neu aufgetretener CED abhängig vom Antibiotikaverbrauch in den fünf Jahren vor der Diagnose.

Nach Korrektur für Alter und Geschlecht zeigte sich, dass Antibiotikaeinnahmen mit einer um 64% erhöhten Inzidenz (gegenüber Menschen, die keine Antibiosen erhalten hatten) einhergingen. An den 10.700 neu aufgetretenen Fällen von Colitis ulcerosa und 3.800 neuen Fällen von M. Crohn war darüber hinaus eine Dosis-Wirkungs-Beziehung evident. Eine einzige Antibiotikatherapie in dieser Bevölkerungsgruppe war mit einer Risikoerhöhung um 27% assoziiert. Das Neuerkrankungsrisiko stieg sodann weiter, von 54% nach zwei Antibiosen, auf 66% nach drei Antibiosen und 96% nach vier Antibiosen. Bei fünf oder mehr Behandlungen mit Antibiotika erhöhte sich das Risiko einer Neudiagnose um das 2,4-Fache oder 236%.4

Antibiotika-Einsatz könnte einen Teil der Zunahme von CED bei älteren Menschen erklären

Das Risiko lag dann am höchsten, wenn 1 bis 2 Jahre vor der Diagnose Antibiotika verschrieben worden waren (um 87% erhöht), doch auch bei denjenigen, die 2 bis 5 Jahre vor der Diagnose Antibiotika erhalten hatten, blieb die Inzidenz weiterhin erhöht (42%). "Wir haben Sensitivitäts- und Folgeanalysen bis zu 10 Jahren durchgeführt, und das Risiko persistierte", führt Dr. Faye gegenüber der Zeitschrift "Gastroenterology & Endoscopy News" aus.Das erhöhte IBD-Risiko stand mit allen Antibiotikaklassen in Verbindung, insbesondere mit Fluorchinolonen.1

Die Ergebnisse sind sowohl wichtig für diejenigen, die ältere Erwachsene mit neuen gastrointestinalen Symptomen behandeln, als auch für diejenigen, die Antibiotika – auch für nicht gastrointestinale Infektionen – verordnen.

Referenzen: 

1. Antibiotics linked to inflammatory bowel disease in older adults. CIDRAP https://www.cidrap.umn.edu/news-perspective/2022/05/antibiotics-linked-inflammatory-bowel-disease-older-adults.
2. Nguyen, L. H. et al. Antibiotic use and the development of inflammatory bowel disease: a national case/control study in Sweden. Lancet Gastroenterol Hepatol 5, 986–995 (2020).
3. Research Highlights for the IBD Community from Digestive Disease Week 2022. Crohn’s & Colitis Foundation https://www.crohnscolitisfoundation.org/blog/research-highlights-the-ibd-community-digestive-disease-week-2022.
4. Antibiotic Use Associated with Inflammatory Bowel Disease in Older Adults. DDW https://ddw.org/2022/05/18/antibiotic-use-associated-with-inflammatory-bowel-disease-in-older-adults/ (2022).
5. Report from DDW ’22: Older-Onset IBD Linked to Antibiotic Use. https://www.GastroEndoNews.com/Online-First/Article/05-22/Inflammatory-Bowel-Disease-Antibiotic-use/67042?ses=ogst.

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