Die epidemiologische Lage um den multiresistenten Hefepilz Candida auris hat sich in Deutschland im Jahr 2025 spürbar verändert. Der sprunghafte Anstieg der Fallzahlen im Jahr 2023, als mit 77 Nachweisen erstmals auch mehrere nosokomiale Ausbrüche dokumentiert wurden, war ein klares Warnsignal. Heute ist Candida auris eine persistente Herausforderung für das deutsche Gesundheitssystem. Für Ärzte bedeutet dies, dass Wachsamkeit und striktes Hygienemanagement unabdingbar sind, um eine weitere Etablierung zu verhindern.
Ausbreitungsdynamik: Die Kolonisation als stilles Reservoir
Die Fallzahlen von Candida auris sind seit 2023 weiter angestiegen, primär angetrieben durch nosokomiale Übertragungen innerhalb Deutschlands. Während die Gesamtzahl im europäischen Vergleich noch moderat ist und wir nicht von einer endemischen Verbreitung wie in Teilen Südeuropas sprechen, hat die Frequenz von Ausbruchsgeschehen zugenommen. Das klinisch gravierendste Ereignis ist zweifellos die invasive Infektion, die bei immungeschwächten oder kritisch kranken Patienten eine hohe Letalität von 30-60 % aufweisen kann. Das strategisch größere Problem ist jedoch die stille Ausbreitung durch asymptomatisch kolonisierte Patienten. Sie bilden das unentdeckte Reservoir, das die Weiterverbreitung unbemerkt vorantreibt und erst die Grundlage für solche potenziell tödlichen Infektionen schafft.
Die Übertragung erfolgt dabei als klassische Schmier- und Kontaktinfektion. Die Fähigkeit von Candida auris, wochenlang auf Oberflächen zu überleben, macht die Unterbrechung von Infektionsketten zur zentralen Herausforderung. Da die seit 2023 bestehende Meldepflicht nach §7 IfSG nur den Nachweis aus Blut oder primär sterilem Material erfasst, bleibt die Dunkelziffer der Kolonisationen wahrscheinlich hoch.
Was bedeutet das für die klinische Praxis?
Für klinisch tätige Ärzte ist ein hoher klinischer Verdachtsindex bei Risikopatienten unerlässlich. Dazu zählen insbesondere Patienten auf Intensivstationen, frisch Operierte, onkologische Patienten sowie Personen, die aus Regionen mit endemischem Candida auris-Vorkommen (z.B. Spanien, Italien, Indien) verlegt werden.
Für den Arbeitsalltag ergeben sich daraus klare Handlungserfordernisse:
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Strikte Isolation und Screening: Bei jedem Nachweis von Candida auris – egal ob Infektion oder Kolonisation – ist eine sofortige Einzelzimmerisolation des Patienten geboten. Ein konsequentes und wiederholtes Screening von Kontaktpatienten (Abstriche aus Axilla, Leiste, Rektum) ist der Schlüssel zur Eindämmung.
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Angepasste Desinfektion: Standard-Desinfektionsmittel auf Basis quartärer Ammoniumverbindungen (QAVs) zeigen eine verminderte Wirksamkeit. Es muss auf Präparate mit ausgewiesener fungizider Wirksamkeit umgestellt werden. Die Desinfektionsfrequenz, insbesondere von patientennahen Flächen und Medizingeräten, muss erhöht werden.
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Sichere Diagnostik: Die Identifizierung von Candida auris erfordert spezialisierte Verfahren wie MALDI-TOF MS oder molekularbiologische Methoden. Eine Resistenztestung ist bei jedem klinisch relevanten Isolat obligatorisch.
Die Rolle der niedergelassenen Ärzte
Auch im hausärztlichen Bereich gewinnt Candida auris an Bedeutung. Die Weitergabe von Informationen ist hier entscheidend. Im Arztbrief bei Entlassung oder Verlegung muss ein Hinweis auf eine stattgehabte Kolonisation oder Infektion unmissverständlich vermerkt sein. Dies ermöglicht es der aufnehmenden Einrichtung – sei es eine andere Klinik, eine Reha-Einrichtung oder ein Pflegeheim – sofort adäquate Hygienemaßnahmen zu ergreifen. Niedergelassene Kollegen sollten bei Patienten mit entsprechender Anamnese (lange Krankenhausaufenthalte, Wundinfektionen unklarer Genese) wachsam sein und eine gezielte Diagnostik in Erwägung ziehen.
Ausblick zu Candidozyma auris
Candida auris (neu: Candidozyma auris) wird sich nicht mehr vollständig aus dem deutschen Gesundheitssystem verdrängen lassen. Der Fokus sollte auf einem proaktiven Management liegen, um die Ausbreitung zu verlangsamen und vulnerable Patientengruppen zu schützen. Eine Ausweitung der Meldepflicht auf alle Nachweise, wie von Experten gefordert, wäre ein wichtiger Schritt, um echte Kennzahlen der Verbreitung zu erfassen und Ausbrüche frühzeitig zu erkennen.
Behandlung nach Leitlinie
Die Behandlung von Candida auris hängt von der Resistenz des jeweiligen Erregers ab. Im Februar 2025 wurde eine Leitlinie zur Diagnose und Behandlung von Candida-Infektionen in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht.1 Erstellt wurde diese neue Leitlinie von einem internationalen Team unter der Leitung der Universitätsklinik Köln. Die Leitlinie umfasst den Umgang mit oberflächlichen bis hin zu lebensbedrohlichen Candida-Infektionen sowie präventive Maßnahmen. In der Leitlinie werden auch aktuelle Herausforderungen wie die globale Verbreitung multiresistenter Stämme angesprochen.
Leitlinien-Empfehlung: Echinocandine stellen die empfohlene Erstlinienbehandlung für Candidämie und alle Formen invasiver Candidiasis mit Ausnahme von Infektionen des Zentralnervensystems und der Augen dar. Hierzu gehört auch der neue Wirkstoff Rezafungin. Gründe für diese Empfehlung sind das breite Wirkspektrum und das adäquate Sicherheitsprofil der Echinocandine. Alternative Behandlungsmethoden sind liposomales Amphotericin B (in bestimmten Situationen in Kombination mit Flucytosin) und Fluconazol. Hierbei muss vorher eine Resistenz gegen Fluconazol ausgeschlossen werden. Ibrexafungerp und Oteseconazol ergänzen das Therapiespektrum der Antimykotika zur Behandlung oberflächlicher Candidiasis.2
Quellen und weiterführende Literatur:
- https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(24)00749-7/fulltext
- Cornely, Oliver A et al. (2025). Global guideline for the diagnosis and management of candidiasis: an initiative of the ECMM in cooperation with ISHAM and ASM. The Lancet Infectious Diseases, Volume 25, Issue 5, e280 -e293.