- Michel O., Die Inkontinenz der Nase im Alter. Seniles Nasenlaufen – Tabu und Stigma. HNO-Nachrichten 2025; 55(4): 19–23.
Typisch für die triefende Altersnase ist eine wässrige, meist bilaterale Rhinorrhoe ab einem Alter von 65 Jahren. Vor allem morgens ist die Sekretion häufig ausgeprägt und kann durch bestimmte Trigger wie Kältereize, körperliche Aktivität und Nahrungsaufnahme (v. a. scharfe Speisen) verstärkt werden. Gleichzeitig klagen viele Betroffene aber auch über eine trockene Nase und Verkrustungen – ein Zeichen für die komplexe Störung der nasalen Schleimhautregulation.
Die Folgen des ständigen Nasenlaufens können gravierend sein und so weit führen, dass die Betroffenen sich aus Scham nicht mehr in die Öffentlichkeit trauen und sozial zurückziehen.
Damit es nicht so weit kommt, sollte der Arzt das Thema gezielt ansprechen. Dazu muss er das Krankheitsbild jedoch kennen und von anderen Erkrankungen wie Erkältungen, Allergien und Sinusitis abgrenzen können. Wenn die senile Rhinitis als banaler Schnupfen fehlinterpretiert und abgetan wird, geht der Leidensweg der Betroffenen weiter. Eine gezielte Differenzialdiagnostik umfasst neben der Anamnese die endonasale Inspektion sowie ggf. bildgebende Verfahren, Allergie- und Liquor-Diagnostik.
Therapeutisch bilden konservative Maßnahmen die Basis. Dazu gehören regelmäßige Nasenspülungen mit isotonischer oder leicht hypertoner Kochsalzlösung, eine ausreichende Feuchtigkeit der Raumluft sowie das Vermeiden von Triggerfaktoren. Medikamentös hat sich das Anticholinergikum Ipratropiumbromid bewährt, das die Nasensekretion hemmt und zwei- bis dreimal täglich als Nasenspray angewendet wird. Trotz seiner nachgewiesenen Wirksamkeit ist es für die Indikation senile Rhinitis in Deutschland allerdings nicht zugelassen und muss Off-Label verordnet werden.
Bei Patienten, die nicht ausreichend darauf ansprechen und nach wie vor einen starken Leidensdruck haben, ist eine Injektion von Botulinumtoxin A zu erwägen. Sie erfolgt endoskopisch unter lokaler Betäubung in den unteren Nasenmuscheln. Dadurch kann eine effiziente Reduktion der Rhinorrhoe erreicht werden, die 8–12 Wochen anhält.
Daneben wird aktuell an weiteren Wirkstoffen geforscht. Dazu gehören Capsaicin-haltige Nasensprays, Biologika wie Dupilumab sowie neue topische Anticholinergika, die selektiver und weniger systemisch wirken.
Therapeutische Möglichkeiten für die senile Tropfnase stehen somit zur Verfügung, sie müssen nur noch bei den Betroffenen ankommen. Dazu ist eine Entstigmatisierung in den Köpfen der Betroffenen und ihres Umfeldes, aber auch der Ärzte dringend notwendig.