Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose
Anlässlich des diesjährigen DGIM-Kongresses wurden die derzeit geltenden Empfehlungen zur Diagnostik und Behandlung der Osteoporose rekapituliert. Die neue S3-Leitlinie verabschiedet sich vom 10-Jahres-Horizont und setzt auf kurzfristige Risikobeurteilung und innovative Sequenztherapien.
Wichtige Kernpunkte der Änderungen
- Therapieschwelle abhängig von der Beurteilung des individuellen Frakturrisikos (über nunmehr 3 Jahre anstatt bislang 10 Jahre)
- Außerdem Berücksichtigung des T-Scores (gemessen mittels DXA-Knochenmineraldichtemessung an der Hüfte)
- Sequenztherapie: primäre osteoanabole, gefolgt von einer antiresorptiven Therapie3
Multifaktorielle Erkrankung von vielen Seiten betrachten
Das Literaturverzeichnis der Leitlinie umfasst 100 Seiten, da viel neue Literatur zusammengestellt wurde, unter anderem zu den Risikofaktoren, betont die Referentin eingangs. Die Leitlinie richtet sich an Patientengruppen mit erhöhtem Osteoporose-Risiko, mit speziellem Fokus auf postmenopausale Frauen und Männer ab 50 Jahren.
Neben der langen Liste an klassischen prädisponierenden Faktoren (etwa Alkohol- und Nikotinabusus) und Vorerkrankungen (insbesondere internistischen und neurologischen) verweist Thomasius gleich zu Beginn auf die Wichtigkeit, Medikationen, die eine Osteoporose oder Stürze und somit Frakturen begünstigen können, regelmäßig zu überprüfen.
Hierbei nennt sie zuvorderst Antidepressiva und Protonenpumpeninhibitoren (vor allem bei Langzeiteinnahme), aber auch Antipsychotika, Sedativa, Opioide, orale Glukokortikoide, Neuroleptika, Orthostase-auslösende Medikamente, Aromatasehemmer, Glitazone und Schilddrüsenhormone gehören laut Leitlinie in diesen Bereich.
Änderungen bei der Therapieschwellenbestimmung: 3-jähriges Frakturrisiko maßgeblich
Das Frakturrisiko soll die therapeutische Entscheidungsfindung leiten. Anstatt des zuvor üblichen 10-Jahres-Risikos wird nun ein kurzfristiges Intervall von 3 Jahren zugrunde gelegt.
- 3-Jahres-Frakturrisiko zwischen 3 % und < 5 %: Durchführung einer spezifischen osteologischen Therapie empfohlen (primär antiresorptive Medikamente)
- 5 % bis < 10 %: osteoanabole Therapie kann erwogen werden
- ab 10 %: Einleitung einer osteoanabolen Therapie angezeigt.3
Aus der individuellen Beurteilung des Frakturrisikos soll eine personalisierte Therapieempfehlung folgen, was bislang mittels der Papierversion (Tabellen) des neuen Risikorechners möglich ist. Der webbasierte Risikorechner sei in Arbeit und werde voraussichtlich Ende nächsten Jahres zur Verfügung stehen, so Thomasius.
Im Vortrag nicht genannt, aber als Zusatzhinweis: Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie bietet inzwischen eine auf der Leitlinie basierende App an, welche die Frakturwahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung diverser Parameter (Alter, Geschlecht, T-Wert einer DXA-Messung an der Hüfte, diverse Risikofaktoren und Komorbiditäten) berechnet.4
Prävention wäre besser als nebenwirkungsreiche Therapien
Die Leitlinie betont zwar auch die Relevanz nicht medikamentöser Maßnahmen, wie Bewegung und Ernährung (Kalzium und Vitamin D), aber die Empfehlung, dass die Osteoporosediagnostik rasch nach einer Fraktur erfolgen soll, stößt bei einigen Versorgern auf Kritik. Sind niedergelassene Hausärzte, Internisten und Orthopäden nicht bereits einen Schritt zu spät, wenn schon eine Fraktur vorliegt?
„Ein abgebauter Knochen lässt sich nur sehr schwer wieder aufbauen, die Medikamente sind nebenwirkungsreich und teuer“, schreibt eine Gynäkologin im Ärzteblatt.5 Sie spricht sich neben Lebensstilmaßnahmen auch für medikamentöse Präventivtherapien aus (etwa in Form einer niedrig dosierten, naturidentischen, transdermalen Hormonersatztherapie). Hierbei mahnt sie an, dass die Östrogene von der Leitlinie nur nebensächlich Erwähnung finden und den deutlich nebenwirkungsreicheren, belastenderen und teureren Bisphosphonaten und Antikörpern gleichgestellt werden.
Neben der über 400-seitigen Langfassung der Leitlinie stehen hier auch eine Anwenderfassung und Kurzfassung zur besseren Übersicht zur Verfügung.
- Osteoporose (161355) | CRs | kongress2025 | dgim | meta-dcr. https://dgim.meta-dcr.com/kongress2025/crs/osteoporose-1.
- Ärzteblatt, D. Ä. G., Redaktion Deutsches. Diagnostik und Therapie der Osteoporose. Deutsches Ärzteblatt https://www.aerzteblatt.de/archiv/diagnostik-und-therapie-der-osteoporose-311660be-9801-45c9-acaa-aef8b5e26608 (2025).
- Osteoporose | Update DVO-Leitlinie 2023 „Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und bei Männern ab dem 50. Lebensjahr“ – Was ist neu für die Rheumatologie? | springermedizin.de. https://www.springermedizin.de/osteoporose/osteoporose/update-dvo-leitlinie-2023-prophylaxe-diagnostik-und-therapie-der/26888180.
- Kuno, J. Frakturrisiko bei Osteoporose jetzt via App bestimmen. BVOU Netzwerk https://www.bvou.net/frakturrisiko-bei-osteoporose-jetzt-via-app-bestimmen/ (2023).
- Ärzteblatt, D. Ä. G., Redaktion Deutsches. Präventiven Ansatz stärken. Deutsches Ärzteblatt https://www.aerzteblatt.de/archiv/praeventiven-ansatz-staerken-50f01ca8-0840-4f55-864e-e8b6dd549aff (2025).