Warum Polyesterkleidung zum Gesundheitsproblem wird

Synthetiktextilien auf Erdölbasis geben permanent unzählige kleinste Fasern sowie Chemikalien an Luft, Wasser und Gewebe ab. Eine zunehmende Anzahl von Studien dokumentiert die Auswirkungen, unter anderem Hormon- und Fertilitätsstörungen.

Chemie zum Anziehen?

Kunststoffprodukte sind chemisch sehr stabil und praktisch nicht biologisch abbaubar. Doch sie zerfallen in kleinere Fragmente – durch physikalische (photochemische, thermische und mechanische Abbauprozesse), chemische (Hydrolyse und thermische Oxidation) und biologische Prozesse (Bakterien, Pilze, Algen).2 Insbesondere aus Polymeren stammende Partikel mit einem Durchmesser von 500 Mikrometern bis hinunter zu 1 Nanometer (Mikro- und Nanoplastik) sind überall präsent und zunehmend in menschlichen Geweben nachweisbar. Splitterartige Fragmente in Nanogröße sind klein genug, . Sie neigen zur Akkumulation im Gehirn, was unter anderem mit einem relevanten Risiko für Neuroinflammation und Thrombosen einhergeht. In den Gehirnen 24 Verstorbener entfielen 0,5 % des Gewichtes auf Plastik, wie eine Anfang 2025 in 'Nature' erschienene Studie aufzeigte.4

Etwa 70 % der weltweit produzierten Bekleidung besteht inzwischen aus synthetischen Fasern, darunter Elasthan, Nylon, Acryl und Polyester. Letzteres allein macht derzeit 52 % der Synthetiktextilien aus; bis 2030 wird mit einem Anteil von 85 % gerechnet. Die Modeindustrie verbraucht für die Produktion dieser Fasern sagenhafte 342 Millionen Barrel Erdöl jährlich.5 Neben großen Mengen an Kohlendioxid, welche durch den Herstellungsprozess in die Atmosphäre gelangen, werden beim Waschen einer Waschladung von 7,5 kg schätzungsweise 496.030 Fasern aus Polyester und 728.789 Fasern aus Acryl in das Wasserversorgungssystem freigesetzt.6,7 Hierbei gibt recyceltes Polyester mehr Mikrofasern ab als neues.7

Reproduktionstoxizität durch erdölbasierte synthetische Stoffe wie Polyester

„Es gibt keine Kontrollgruppe ...jeder ist exponiert“, sagt Toxikologe Matthew Campen, einer der Autoren der eben genannten Autopsiestudie.1

Für Aufmerksamkeit in den Medien sorgten seinerzeit bereits die „Hunde in Polyesterhosen“-Studien, seit denen zuweilen gar von „der Empfängnisverhütung zum Anziehen“ gesprochen wird. Rüden, denen man 24 Monate lang täglich eng anliegende Polyester„unterhosen“ anzog, wiesen eine verminderte Spermienzahl und abnorme Spermien auf.8 Nach Beendigung des Experimentes normalisierten sich die Abweichungen bei 10 von 12 Tieren, aber 2 blieben unfruchtbar.9 In einer weiteren kontrollierten Studie, die den Effekt vier verschiedener Textilzusammensetzungen bei Hündinnen mit einer Kontrollgruppe ohne Intervention verglich, sanken die Progesteronspiegel und Empfängnisraten, aber nur unter Exposition mit Polyester.10 Trächtige Hündinnen in Polyestertextilien erlitten Fehlgeburten. Als sie wieder Kleidung aus Naturfasern trugen, normalisierten sich ihre Hormone und sie brachten gesunde Welpen zur Welt.9

Mehrere rezente Humanstudien stellten in 100 % der untersuchten Plazentaproben sowie in 100 % der Samenproben Mikroplastik fest.11,12 Eine höhere Plastikexposition korrelierte mit einer geringeren Spermienzahl und -motilität sowie erniedrigten Testosteronspiegeln.11,13
Bei Frauen kann Polyester den Menstruationszyklus und die Funktion der Eierstöcke kritisch beeinträchtigen. Mikroplastik ist inzwischen sogar in der Flüssigkeit menschlicher Ovarialfollikel nachgewiesen worden.14

Welche chemischen Verbindungen gelangen durch Polyester & Co in den Körper?

Ein Bericht des Center for Environmental Health (CEH) aus dem Jahr 2023 wies auf eine hohe Bisphenol A-Belastung durch Sport-BHs und Sport-Shirts hin. Viele bekannte, darin genannte „Activewear“-Marken setzen ihre Träger einer bis zu 40-fachen Überschreitung des BPA-Grenzwertes aus.9,15 BPA ist eine gut untersuchte hormonstörende Chemikalie mit östrogenartiger Wirkung, welche in der Europäischen Union (EU) als fortpflanzungsgefährdende Substanz und endokriner Disruptor eingestuft wurde. Während die EU daran arbeitet, BPA für bestimmte Produkte zu verbieten, beginnen Unternehmen jedoch andere, hinsichtlich ihrer Toxizität ebenfalls bedenkliche Bisphenole zu verwenden, da nicht die gesamte Stoffgruppe der Regulation unterliegt.16

Darüber hinaus testeten zuletzt knapp zwei Drittel der Funktionstextilien positiv auf , die unter anderem als krebsauslösend gelten und für die der Begriff „Ewigkeitschemikalien“ geprägt wurde, da sie nicht abbaubar sind.9 Eine Exposition mit PTFE (einer Unterart von PFAS) war in einer Studie signifikant mit einer herabgesetzten Spermienqualität verbunden.13

Mikroplastik kommt überall hin – was tun?

Eine grundlegende Lösung ist dringend nötig, um diesem weltweit eskalierenden zu begegnen. Bis dahin kann nur jeder auf individueller Ebene versuchen, die Exposition zu limitieren – insbesondere Personen, die bereits an Hormonstörungen leiden. 

Hierzu ist es unter anderem empfehlenswert, auf sauberes Trinkwasser zu achten (gefiltertes Wasser oder geprüftes Quellwasser), Kleidung aus Fasern natürlichen Ursprungs zu tragen (Baumwolle, Wolle, Leinen) sowie auf Fast Food, Plastikbehälter und Teflon zu verzichten.17 Kochgeschirr mit PTFE-Beschichtung (Teflon ist lediglich der Markenname) kann pro Mahlzeit mehr als 9.100 Kunststoffpartikel freisetzen.11 Viele Plastikverpackungen enthalten darüber hinaus krebserregende Zusatzstoffe, wie Vinylchlorid (in PVC).11 Des Weiteren ist es sinnvoll, synthetische Körperpflegeprodukte zu vermeiden sowie einen Staubsauger mit HEPA-Filter zu verwenden und regelmäßig feucht zu wischen, um die in der Luft befindlichen Fasern zu reduzieren.11

Quellen:
  1. Fortuna, C. I’ve Got Microplastics On My Brain — And So Do You. CleanTechnica https://cleantechnica.com/2025/02/21/ive-got-microplastics-on-my-brain-and-so-do-you/ (2025).
  2. Lalrinfela, P., Vanlalsangi, R., Lalrinzuali, K. & Babu, P. J. Microplastics: Their effects on the environment, human health, and plant ecosystems. Environmental Pollution and Management 1, 248–259 (2024).
  3. Kounina, A. et al. The global apparel industry is a significant yet overlooked source of plastic leakage. Nat Commun 15, 5022 (2024).
  4. Nihart, A. J. et al. Bioaccumulation of microplastics in decedent human brains. Nat Med 31, 1114–1119 (2025).
  5. Breaking Free From Plastic: Recycled Clothes for a Sustainable Future. Plastics For Change https://www.plasticsforchange.org/blog/can-the-fashion-industry-break-free-from-plastic-addiction (2025).
  6. Fast Fashion Statistics 2025 | UniformMarket. https://www.uniformmarket.com/statistics/fast-fashion-statistics (2024).
  7. Akyildiz, S. H. et al. Release of microplastic fibers from synthetic textiles during household washing. Environmental Pollution 357, 124455 (2024).
  8. Shafik, A. Effect of different types of textile fabric on spermatogenesis: an experimental study. Urol Res 21, 367–370 (1993).
  9. Polyester: the Birth Control You Didn’t Sign Up For. Nourished & Vibrant https://www.nourishedandvibrant.co.nz/low-tox-living-tips/polyester-birth-control-you-didnt-sign-up-for.
  10. Shafik, A. An experimental study on the effect of different types of textiles on conception. J Obstet Gynaecol 28, 213–216 (2008).
  11. Team, O. Microplastics from Synthetic Clothing: Exposure Pathways and Health Impacts. https://www.oasishealth.app/blog/microplastics_clothing.
  12. Ragusa, A. et al. Plasticenta: First evidence of microplastics in human placenta. Environment International 146, 106274 (2021).
  13. Zhang, C. et al. Association of mixed exposure to microplastics with sperm dysfunction: a multi-site study in China. eBioMedicine 108, 105369 (2024).
  14. Montano, L. et al. First evidence of microplastics in human ovarian follicular fluid: An emerging threat to female fertility. Ecotoxicol Environ Saf 291, 117868 (2025).
  15. Difrisco, E. New Testing Shows High Levels of BPA in Sports Bras and Athletic Shirts. Center for Environmental Health https://ceh.org/latest/press-releases/new-testing-shows-high-levels-of-bpa-in-sports-bras-and-athletic-shirts/.
  16. Bisphenole. CHEM Trust Europe https://chemtrust.org/de/bisphenole/.
  17. Your clothes are shedding plastic. https://www.instagram.com/p/DHHjvMIyGaI/?img_index=6.