Weniger Tinnitus-Risiko durch Obst, Ballaststoffe, Milch und Koffein?

Einer aktuellen Meta-Analyse zufolge entwickeln Personen mit höherem Verzehr von Obst, Ballaststoffen, Milchprodukten und Koffein seltener Tinnitus.

Das Wichtigste zu Ernährungsfaktoren und Tinnitus

In ihrer systematischen Übersichtsarbeit mit Meta-Analyse haben Zhang und Kollegen die Literatur zu Ernährungsfaktoren und Tinnitus zusammengefasst. Hierzu wurde in PubMed, Embase, Web of Science und der Cochrane Library bis Mai 2024 nach Beobachtungsstudien gesucht. Insgesamt erfüllten zehn Studien mit über 300.000 erwachsenen Teilnehmern die Einschlusskriterien; acht davon flossen in die Meta-Analyse ein. Betrachtet wurden 15 verbreitete Nahrungsmittel bzw. Nährstoffgruppen anhand standardisierter Ernährungsfragebögen:

Vier Ernährungsfaktoren mit reduziertem Tinnitus-Risiko

Die Meta-Analyse identifizierte vier Faktoren, die signifikant invers mit der Tinnitus-Häufigkeit assoziiert waren: Eine hohe Zufuhr von Obst, Ballaststoffen, Milchprodukten und Koffein ging jeweils mit seltenerem Tinnitus einher. Konkret war die Tinnitus-Häufigkeit um etwa 35 % (Obst), 8 % (Ballaststoffe), 17 % (Milchprodukte) und 10 % (Koffein) niedriger als bei geringer Zufuhr.

Für die übrigen der 15 untersuchten Faktoren zeigte sich kein signifikanter Einfluss auf das Tinnitus-Risiko – weder potenziell „günstige“ wie Gemüse oder Fisch noch potenziell „ungünstige“ wie Zucker oder Fett. 

Die Autoren überprüften die Belastbarkeit der Resultate mittels Sensitivitätsanalysen, die die Stabilität der Hauptergebnisse untermauerten. So blieben beispielsweise die schützenden Effekte von Obst und Ballaststoffen auch nach schrittweisem Ausschluss einzelner Studien aus der Meta-Analyse bestehen.

Mögliche Erklärungen für positive Effekte von Kaffee und Co.

Die Autoren nennen mehrere Erklärungsansätze zu den vier Nahrungsmitteln und ihren möglichen Nutzen auf das Tinnitus-Risiko: Für Koffein beschreiben sie eine kontroverse Datenlage. Einerseits nehmen manche Forscher an, es könnte über angstreduzierende Effekte die Tinnitus-Häufigkeit senken; andererseits gibt es die Vermutung, dass Koffeinkonsum bei Betroffenen mit die Insomnie – und damit die Symptomatik – verstärken könnte. Die vorliegenden Resultate sprechen jedoch dafür, dass Koffein das Tinnitus-Risiko eher senkt. Zusätzlich verweisen genetische Analysen auf einen Zusammenhang zwischen regelmäßigem Koffeinkonsum und seltenerem Tinnitus; als mögliche Mechanismen werden u. a. die Blockade von Adenosin-Rezeptoren, eine vermehrte Dopaminfreisetzung und eine Stimulation des Sympathikus genannt.

Die beobachteten Vorteile von Obst, Ballaststoffen und Milchprodukten könnten mit Einflüssen auf den Insulinstoffwechsel sowie gefäßprotektiven Effekten zusammenhängen: Eine ballaststoffreiche Ernährung kann die Insulinsensitivität verbessern; umgekehrt wird angenommen, dass Insulinresistenz mit Hyperinsulinämie das Innenohr schädigt und Tinnitus begünstigt. Zusätzlich wird eine gefäßprotektive Wirkung – insbesondere von Ballaststoffen und Milchprodukten – diskutiert. Dies ist relevant, weil Durchblutungsstörungen im Innenohr zu Cochlea-Schäden beitragen und damit das Tinnitus-Risiko erhöhen können.

Einschränkungen der Studienergebnisse

Die Aussagekraft der Ergebnisse ist durch mehrere Limitationen eingeschränkt. Zum einen war die Zahl der einschlägigen Studien relativ gering, sodass etablierte günstige (z. B. Gemüse oder Eier) in dieser Analyse teils ohne signifikante Effekte blieben. Zum anderen basieren die meisten einbezogenen Daten auf Querschnittsstudien ohne zeitlichen Verlauf; kausale Beziehungen lassen sich daraus nicht ableiten. Insgesamt wird die Evidenz als niedrig bewertet, weshalb die Autoren weitere, gut geplante, prospektive Studien fordern.

Fazit: Präventive Ernährungsstrategien bei Tinnitus

Die Autoren halten fest, dass eine obst- und ballaststoffreiche Kost sowie regelmäßiger Konsum von Milchprodukten und Koffein mit geringerer Tinnitus-Häufigkeit assoziiert sind. Als primäre Wirkmechanismen sind gefäß- und nervenschützende sowie antientzündliche und antioxidative Effekte möglich.

Angesichts der niedrigen Evidenz sollten die Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden; groß angelegte Langzeitstudien sind erforderlich, um die Zusammenhänge zu bestätigen und ggf. optimale Aufnahmemengen zu bestimmen.

Quelle:
  1. Zhang M, Wang X, Zhang S, et al. Association of 15 common dietary factors with tinnitus: a systematic review and meta-analysis of observational studies. BMJ Open 2025;15:e091507. doi:10.1136/bmjopen-2024-091507.