Heiserkeit und schnelle Ermüdbarkeit der Stimme

Stimmlich normale Tage in unvorhersehbarem Wechsel mit Tagen der Heiserkeit? An eine wichtige mögliche Ursache für solche on/off-Symptomatik wird zuweilen erst spät gedacht.

Häufigkeit oft unterschätzt: chronische Laryngitis durch Parasiten oder Pilzinfektionen

Bei chronischer Laryngitis gehen uns oft zuerst die klassischen Auslöser durch den Kopf: Lebensstilfaktoren wie eine dauerhafte Exposition gegenüber reizenden Stoffen (chemische Dämpfe, Allergene oder Rauch), gastroösophagealer Reflux (GERD), chronische Nasennebenhöhlenentzündung, Alkoholabusus und Rauchen.
Doch in nicht wenigen Fällen sind die Beschwerden hartnäckig und bleiben zunächst mysteriös, wie im anschließenden Fall.1

Kasuistik eines Sängers und Gesangslehrers

"Nachdem ich über 25 Jahre lang ohne stimmliche Ermüdung unterrichtet hatte, entwickelte ich plötzlich eine Art Heiserkeit, die meine Stimme nach nur etwa 2 Stunden Unterricht erschöpfte. Zuvor hatte ich mühelos 7 Stunden ohne jegliche Ermüdung unterrichtet und konnte dann nach einem so vollen Tag üben", beschreibt der international renommierte Sänger, Gesangspädagoge, Autor und Ausbilder David Jones seine eigene Erfahrung auf dem beliebten Voiceteacher-Blog.2

Ihm wurde ein leichter Fall von saurem Reflux diagnostiziert und er erhielt Antazida, leider ohne Besserung. Dann bekam er antiallergische Medikamente, da als weiteres Symptom Nasensekretion bestand. Das Hauptproblem, die chronische Heiserkeit, persistierte. Eine weiterführende Abklärung ergab schließlich eine parasitäre Besiedlung des Magens und Rachenraums als Ursache. 

Bei Jones bestand eine begleitende Infektion mit Hefepilzen (Candida), was ebenfalls zur vermehrten Mukusbildung im Hals- und Nasenbereich und somit wesentlich zu der Heiserkeit beigetragen haben dürfte. Nach seiner Rekonvaleszenz bemerkte Jones eine so deutliche Besserung seiner Stimme, dass ihm klar wurde, dass er möglicherweise schon deutlich länger an Candida gelitten hatte, ohne es zu wissen.2

Darauf achten: verschlimmern sich die Beschwerden unter Protonenpumpenhemmern?

Hinzu kommt, dass mehr Menschen als allgemein angenommen, nicht an einer Über-, sondern einer Unterproduktion von Magensäure leiden, die in Stress- und Ernährungsfaktoren begründet liegen kann. Eine der vielen Funktionen einer ausreichenden Magensäure ist die Desinfektion der aufgenommenen Nahrung. Ist der pH-Wert nicht sauer genug, kann es zu einer Überwucherung mit Bakterien und Parasiten kommen, die in dieser Zusammensetzung dort nicht hingehören und möglicherweise auch retrograd den Rachenraum besiedeln können. Zweitens benötigen die Verdauungsprozesse anfangs die Einwirkung der Magensäure zur Denaturierung eiweißreicher Nahrungsmittel, da letztere ansonsten nicht adäquat enzymatisch aufgespalten werden können. Unter solchen Bedingungen können Gärungs- oder Fäulnisprozesse im Darm ablaufen. Die daran beteiligten typischen Mikroorganismen führen zu einer "inneren Vergiftung", einer erhöhten Entzündungsneigung der Darmzotten und produzieren zudem Fäulnisgase. Der Druck dieser Gase kann schließlich stärker werden als der Widerstand der Magen- und Ösophagussphinkter. Das Resultat: refluxartige Symptome, nur dass deren Ursache nicht zu viel, sondern zu wenig Magensäure ist.3

Insbesondere, wenn nach Ansetzen von Protonenpumpenhemmern oder Antazida eine Verschlimmerung berichtet wird, sollte dies spätestens dann eine weitere Abklärung nach sich ziehen. Eine Dosissteigerung der PPIs ist hier somit die falsche Antwort. Für den skizzierten Zustand kommen Magensäure-Coenzyme oder Säureaktivatoren in flüssiger Form zur oralen Einnahme in Frage.

Auch Dehydrierung und Allergiemedikamente (Antihistaminika) können die Symptome aggravieren, da sie die Trockenheit der Kehle und somit deren Tendenz, sich "einzupacken" (also zu verschleimen), verschärfen, schreibt auch der erfahrene Sänger und Lehrer W. Stephen Smith, der viele, auch international bekannte Sänger gecoacht hat, in seinem bei 'Oxford University Press' erschienen Buch "The Naked Voice".4,5

Punkte für die Praxis

Jones hat über die Jahre viele Gesangsschüler und -kollegen mit ähnlichen Verläufen begleitet. "Der Klang des Sängers ist trocken, und die Stimme hat etwas Heiseres, als ob die Stimmbänder nicht vollständig schließen. Normalerweise ist die hohe Lage schwierig und der Sänger muss Atemdruck einsetzen, um in das obere Register zu gelangen. Natürlich verursacht dieser Versuch, in die hohen Lagen zu kommen, mehr Heiserkeit." Am auffälligsten ist eine unvorhersagbare on/off-Charakteristik des Leitsymptoms: die Funktion der Stimme kann von nahezu normal an einem Tag auf extrem heiser am nächsten Tag umschlagen.2 "Wenn die Kehle offen ist und die Stimme des Sängers plötzlich hauchig oder heiser klingt, dann weiß ich, dass es ein Problem gibt." Weiterhin berichten Betroffene nicht selten zu Beginn des Tages über viel zähen Schleim auf den Stimmbändern und ein Kloßgefühl in der Kehle, was sich im Laufe des Tages bessert, aber nicht verschwindet. 

Eine chronische Laryngitis kann ihrerseits zu einer Überlastung der Stimmbänder und damit zu weiteren Schäden oder Wucherungen an den Stimmbändern (Polypen oder Knötchen) führen. Umso wichtiger ist es, eine gründliche Ursachenabklärung durchzuführen – die richtige Behandlung kann karriererettend sein. Gerade für jemanden, dessen Profession davon abhängt, dass die Stimme tagtäglich funktioniert, ist die Zeit bis zur Besserung psychisch sehr belastend. Für die Übergangsphase brauchen Betroffene Geduld und viel positive Unterstützung.
 

Quellen

  1. Laryngitis - Symptoms and causes. Mayo Clinic https://www.mayoclinic.org/rare-diseases-conditions/laryngitis/symptoms-causes/syc-20374262.
  2. David Jones. Vocal hoarseness. https://voiceteacher.com/alternative.html.
  3. Kärstädt, U. Die Säure des Lebens. (TAS-Verlag, 2013).
  4. Smith, W. S. & Chipman, M. The Naked Voice: A Wholistic Approach to Singing. (Oxford University Press, 2007).
  5. The Naked Voice: A Wholistic Approach to Singing ~ W. Stephen Smith – Joyce DiDonato. https://joycedidonato.com/books/naked-voice/.

    letzter Zugriff auf Websites: 21.08.22