Lebensqualität trotz Nahrungsmittelallergie: Aktuelle Forschung und Therapieansätze
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Torsten Zuberbier ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Allergologie. Auf dem diesjährigen EADV-Kongress informierte er die Zuhörerschaft über das Wichtigste auf dem Gebiet der Allergien gegen Nahrungsmittel.
Im Kindesalter kann die ,,atopische Karriere“ noch aufgehalten werden
Die Prävalenz der IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien wird weltweit auf 0,2 % bis über 10 % geschätzt.2 Nahrungsmittelallergien können aerogen, über direkten Kontakt oder die Einnahme der jeweiligen Allergene ausgelöst werden. Zuberbier machte das Auditorium darauf aufmerksam, dass die aerogene Exposition vor allem für die Sensibilisierung von Kleinkindern auf Nahrungsmittel-Allergene ausschlaggebend ist. Über Nahrungsmittel-Allergene in Staub, der auf die Haut von Kleinkindern gelangt, kann es dann zu Reaktionen im betroffenen Hautareal kommen sowie zu einer Sensibilisierung, so Zuberbier. Diese Hautläsionen können topisch behandelt werden, um so einem Übergang in ein atopisches Ekzem vorzubeugen. Zuberbier betonte den Unterschied zwischen einer Sensibilisierung und einer allergischen Reaktion auf Nahrungsmittel-Allergene. Dies ist im klinischen Alltag in der Behandlung und Beratung der Patienten äußerst wichtig, vor allem im Hinblick auf .1
Hohe Prävalenz IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien in den USA
Zuberbier berichtete von einer groß angelegten Studie mit Datensätzen zu insgesamt 38.408 Kindern aus den USA. Die in dieser Studie geschätzte aktuelle Prävalenz für Nahrungsmittelallergien lag bei 7,6 %. Die häufigsten Allergene waren Erdnüsse (2,2 %), Milch (1,9 %), Schalentiere (1,3 %) sowie Walnüsse (1,2 %). Das Auftreten von einer oder mehreren (≥ 1) schweren Nahrungsmittelallergien lag bei 42,3 %. Bei 19,0 % der Kinder der befragten Familien kam es aufgrund der Nahrungsmittelallergie zu einem Besuch in der Notaufnahme (im vergangenen Jahr vor Studieneinschluss). Bei 42,0 % lag mindestens ein (≥ 1) Nahrungsmittelallergie-bedingter Besuch in der im Laufe ihres bisherigen Lebens vor. 40,7 % besaßen ein Rezept für einen Adrenalin-Autoinjektor.1,3
Nicht jede Reaktion auf Nahrungsmittel-Allergene ist eine ,,echte“ Allergie
Auf immunologischer Ebene wird zwischen allergischen (Typ I-IV) und nicht-allergischen Reaktionen (, Pseudoallergie, Enzymdefekt) auf Bestandteile der Nahrung unterschieden. Gemischte Formen sind jedoch auch bekannt. Eine durch Immunglobulin E vermittelte Nahrungsmittelallergie kann durch die versehentliche Aufnahme von Allergenen ausgelöst werden, so Zuberbier. Sie beinhaltet die Aktivierung der allergischen Kaskade über den hochaffinen IgE-Rezeptor (FcεRI). Dieser wird auf der Zelloberfläche von Basophilen und Mastzellen exprimiert. Die Aktivierung dieses hochaffinen IgE-Rezeptors resultiert in der Freisetzung von Entzündungsmediatoren, die das Augen-, Haut-, Atemwegs- sowie auch das Magen-Darm-, Herz-Kreislauf- und Nervensystem beeinträchtigen können.1,2
Allergien gegen Grundnahrungsmittel beeinträchtigen die Lebensqualität
Unter einer Nahrungsmittelallergie versteht man eine , die durch eine unerwünschte immunvermittelte Reaktion auf ein Nahrungsprotein gekennzeichnet ist. Sie tritt typischerweise innerhalb der ersten Minuten bis zu zwei Stunden nach dem Verzehr auf. Eine Nahrungsmittelallergie hat negative Auswirkungen auf die Lebensqualität von Patienten, vor allem wenn Grundnahrungsmittel betroffen sind. Der Großteil der allergischen Reaktionen wird durch die neun bekannten gängigen Lebensmittel ausgelöst:
- Milch,
- Weizen,
- Soja,
- Eier,
- Sesam,
- und andere Nussarten,
- Fisch,
- Schalentiere.1,2
Der Erfolg einer spezifischen Immuntherapie ist abhängig von dem jeweiligen Proteinfragment in den Nahrungsmitteln
Für den Erfolg einer spezifischen Immuntherapie spielt die Stabilität der in den Nahrungsmitteln enthaltenen Proteine sowie das jeweilige als Allergen fungierende Proteinfragment eine wichtige Rolle. Bei der gegen Erdnüsse kann der betroffene Patient gegen verschiedene Strukturen innerhalb des Proteins allergisch sein (Ara h 1, Ara h 2, Ara h 3, Ara h 5, Ar h 6, Ar h 8, Ara h 9). Je nachdem, gegen welches Proteinfragment die Nahrungsmittelallergie gerichtet ist, kann es zu einer schwachen (bei Ara h 8) bis lebensbedrohlichen allergischen Reaktion kommen. So führt eine Nahrungsmittelallergie gegen Ara h 9 aus der Erdnuss zu lokalen bis systemischen Reaktionen. Zu systemischen Vorfällen kann es auch durch eine Nahrungsmittelallergie gegen Ara h 1, Ara h 2, Ara h 3, Ar h 6 kommen.1
Fazit für die Praxis
- Die Prävalenz der IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien wird weltweit auf 0,2 % bis über 10 % geschätzt.
- Über Nahrungsmittel-Allergene in Staub, der auf die Haut von Kleinkindern gelangt, kann es zu Reaktionen im betroffenen Hautareal und zu einer Sensibilisierung kommen.
- Die adäquate Behandlung persistenter Nahrungsmittelallergien umfasst die strikte Vermeidung von und die sofortige Behandlung im Falle einer allergischen Reaktion. Hierzu zählt auch die Autoinjektion von Adrenalin in den schwersten Fällen.
- Allergien gegen Grundnahrungsmittel beeinträchtigen die Lebensqualität.
- Eine spezifische Immuntherapie gegen Nahrungsmittelallergene kann nachweislich die Dosis tolerierter Nahrungsmittel erhöhen und das Risiko unbeabsichtigter Reaktionen reduzieren.
- Der Erfolg einer spezifischen ist abhängig vom jeweiligen Proteinfragment in den Nahrungsmitteln.
- Von neuen Nahrungsmitteln (z.B. Insektenmehl) könnte ein Risiko für die Entstehung neuer Nahrungsmittelallergien ausgehen.
- Zuberbier, Torsten, Prof. Dr. med. Dr. h. c., Food allergens, Immediate type allergies, EADV-Kongress Paris, 18.09.2025, 10:15 - 11:45 Uhr.
- Zuberbier T. et al. (2023). Omalizumab in IgE-Mediated Food Allergy: A Systematic Review and Meta-Analysis. J Allergy Clin Immunol Pract. 2023 Apr;11(4):1134-1146.
- Gupta RS. et al. (2018). The Public Health Impact of Parent-Reported Childhood Food Allergies in the United States. Pediatrics. 2018 Dec;142(6):e20181235.