Die Mehrheit der HIV-Infizierten weltweit zählt zu einer Hochrisikogruppe (70%). Betroffen sind:
Das erklärte Ziel der WHO ist es, die Gesundheitsbedrohung durch HIV zu beenden und die Diskriminierung der Betroffenen bis zum Jahr 2030 zu bekämpfen. Dieses Vorhaben hängt maßgeblich von einer Optimierung der medizinischen Versorgung der Individuen ab, die zu den genannten Gruppe mit besonders hohem Risiko zählen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass strukturelle Barrieren reduziert und Serviceleistungen verbessert werden. Wie dies umgesetzt werden sollte, ist in der neuen WHO-Leitlinie zum Thema HIV, Hepatitis und STDs zu lesen. Ausgerichtet auf die Bedürfnisse des Risikokollektivs werden hier Aspekte der Prävention, Versorgung, Diagnose und Behandlung erläutert. Die wichtigsten Updates und Ergänzungen der Leitlinie erläuterte Virginia Macdonald (WHO, Schweiz) auf dem diesjährigen AIDS-Kongress:
Es ist mittlerweile bekannt, dass eine riskante Lebensweise (z. B. Verzicht auf Kondome, Nutzen von gebrauchten Injektionsnadeln bei Drogenabusus) durch verhaltenstherapeutische Maßnahmen kaum zu ändern ist. Demnach sollte nicht mehr hauptsächlich auf diese Präventionsmethode zurückgegriffen werden. Es sei effektiver, ausführliches Informationsmaterial zur Verfügung zu stellen und Beratungsgespräche offen und nicht verurteilend zu führen, wie Macdonald betonte.
Eine weitere Empfehlung der WHO, wie die Gefahr für AIDS, Hepatitis und STDs reduziert werden kann, bezieht sich auf das Thema "Chemsex" (Definition: GV unter Einfluss stimulierender Drogen). In der Leitlinie wird diesbezüglich zu einer kritikfreien, personenzentrierten Herangehensweise geraten. Das Informationsangebot für Chemsex-Praktizierende und deren Partner sollte sich auf sexuelle und mentale Gesundheit, Zugang zu sterilen Injektionsnadeln und Opioidersatztherapie beziehen.
Zudem wird die Leitlinie durch zwei neue Updates bezüglich des Vorgehens bei Hepatitis C ergänzt: Betroffene, deren Hepatitis-C-Infektion spontan oder durch eine Behandlung abgeheilt ist, sollten sich, falls weiterhin eine riskante Lebensweise geführt wird, alle drei bis 6 Monate auf eine HCV-Virämie untersuchen lassen. Durch diese frühzeitige und relativ häufige Testung lassen sich mehr Erkrankte herausfiltern und zudem kann zeitnah eine Therapie eingeleitet werden. Die zweite Empfehlung bezieht sich auf die Behandlung der Hepatitis C in der Hochrisikogruppe: Personen mit neu aufgetretener HCV-Infektion sollte unverzüglich eine medikamentöse Therapie angeboten werden. Es wird nicht befürwortet abzuwarten, ob evtl. eine Spontanremission eintritt.
In der Leitlinie wird betont, wie wichtig es ist, das Hochrisikokollektiv beim Eigenmanagement ihrer Gesundheit zu bestärken und ihre Selbstverantwortung zu fördern. Hierzu zählen etwa die HIV- und Hepatitis-C-Selbsttestung. Ebenso spielen Peer-Berater, die sich in derselben Lebenssituation wie die Ratsuchenden befinden, eine wichtige Rolle. Sie können etwa Erkrankte dabei unterstützen, eine Therapie zu beginnen und auch fortzuführen.
Des Weiteren kann ein virtuelles Versorgungsangebot von Nutzen sein (z. B. online-Fallmanagement oder individuelle Gesundheitsinformation) und wird von vielen Betroffenen befürwortet. Dies sollte aber nur eine ergänzende Dienstleitung sein und nicht gänzlich persönliche Kontakte ersetzen.
Die aktualisierte WHO-Leitlinie zur Betreuung von Hochrisikogruppen bei HIV, Hepatitis und STDs soll dabei helfen, besonders gefährdete Personen in allen Bereichen des Gesundheitsmanagements adäquat zu unterstützen. Durch die Umsetzung der Empfehlungen kann global die Lebensqualität und -dauer der Betroffenen deutlich verbessert werden.
Weitere Beiträge finden Sie auf unserer Kongress-Seite zur AIDS 2022.
Über Neuigkeiten zu HIV und anderen Infektionskrankheiten sprachen auch die Referenten beim STI-Kongress 2022. Hier finden Sie die Berichterstattung zum STI-Kongress 2022.
Quelle:
Macdonald, Virginia, WHO (Schweiz), Vortrag: What's new in the key population guidelines. Sitzung: Launching new WHO guidelines for key populations: Focus for impact, AIDS Kongress 2022, Montreal, 29.07.2022.