Richtungswechsel der Immunabwehr

Ein Forschungsteam hat den molekularen Mechanismus der entzündungshemmenden Wirkung des Weihrauchharzes aufgeklärt. Überraschend: Eine Schlüsselrolle spielt dabei das Enzym 5-Lipoxygenase.

Vom Saulus zum Paulus dank Weihrauch

Ein Forschungsteam der Universität Jena und der Louisiana State University (USA) hat den molekularen Mechanismus der entzündungshemmenden Wirkung eines Naturstoffs aus Weihrauchharz aufgeklärt. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das Enzym 5-Lipoxygenase: Das normalerweise entzündungsfördernde Enzym wird durch den Naturstoff zu einem entzündungshemmenden Protein umprogrammiert.

Einst brachten die Heiligen Drei Könige dem neugeborenen Jesuskind kostbare Geschenke mit: neben Gold und Myrrhe hatten sie dabei auch Weihrauch im Gepäck. "Weihrauch ist auch heute noch ein wertvolles Geschenk", so Prof. Dr. Oliver Werz von der Friedrich-Schiller-Universität Jena – hat dabei jedoch weniger die biblische Bedeutung von Weihrauch im Blick. "Das aus dem Stamm des Weihrauchbaumes gewonnene Harz enthält entzündungshemmende Substanzen, die es u. a. für die Therapie von Krankheiten wie Asthma, Rheumatoider Arthritis oder Neurodermitis geeignet machen“, erläuterte der Pharmazeut weiter.

Werz und sein Team gehen bereits seit einigen Jahren der entzündungshemmenden Wirkung von Weihrauchharz und seiner Inhaltsstoffe nach. Jetzt ist es den Forscherinnen und Forschern der Universität Jena gemeinsam mit US-amerikanischen Kolleginnen und Kollegen gelungen, die molekulare Wirkungsweise der Boswelliasäure aufzuklären, einer Substanz, die für die entzündungshemmende Wirkung des Weihrauchs verantwortlich ist.

Kristallstrukturanalysen zeigen, wo Wirkstoffe am Entzündungsenzym angreifen

Eine Schlüsselrolle für die Wirkung des Weihrauchs spielt das Enzym 5-Lipoxygenase. "Seit mehr als 40 Jahren ist bekannt, dass dieses Enzym die Bildung von Leukotrienen fördert, einer wichtigen Gruppe von Entzündungsbotenstoffen im menschlichen Körper", erläuterte Werz. Das Forschungsteam konnte in der vorgelegten Arbeit jetzt jedoch zum ersten Mal die Kristallstruktur dieses zentralen Entzündungsenzyms mit gebundenen Hemmstoffen aufklären und abbilden. Die Kristallstrukturaufnahmen erlauben neben detaillierten Untersuchungen des Enzyms und seiner Wechselwirkung mit Wirkstoffen auch die Entwicklung neuartiger Entzündungshemmer.

Und genau das haben Werz und seine KollegInnen getan. Neben einem bereits auf dem Markt befindlichen Entzündungshemmer – einem synthetischen Präparat, das bei Asthma eingesetzt wird – haben die ForscherInnen verschiedene Naturstoffe mit dem Enzym in Verbindung gebracht und die Kristallstrukturen der entstandenen Molekülkomplexe analysiert. Das Ergebnis hat die ForscherInnen zunächst überrascht: Während andere Naturstoffe direkt im sogenannten aktiven Zentrum des Enzyms andocken und so in seiner Funktion hemmen, bindet die Boswelliasäure an einer anderen – weit vom aktiven Zentrum entfernten – Stelle des Enzymmoleküls. "Durch diese Bindung kommt es jedoch zu strukturellen Veränderungen im aktiven Zentrum, was die Enzymaktivität ebenfalls hemmt", erklärte Werz den Mechanismus.

Domino-Effekt in der Enzymstruktur

Diese durch den Weihrauchinhaltsstoff ausgelösten Strukturveränderungen haben folglich bereits einen entzündungshemmenden Effekt. "Der Einfluss von Boswelliasäure geht aber noch deutlich darüber hinaus", sagte Dr. Jana Gerstmeier. Die Pharmazeutin aus Werz’ Team ist eine der beiden Hauptautoren der Studie.

"Durch die Bindung kommt ein Domino-Effekt zustande, wodurch sich zusätzlich die Spezifität des Enzyms verändert", so Gerstmeier weiter. Statt die Synthese entzündungsfördernder Leukotriene zu katalysieren, produziert die 5-Lipoxygenase unter dem Einfluss von Boswelliasäure entzündungsauflösende Substanzen. "Das heißt, vereinfacht gesagt, der Weihrauchinhaltsstoff programmiert das Entzündungsenzym zu einem entzündungsauflösenden Enzym um."

Diese Erkenntnisse, so die AutorInnen der Studie, lassen sich nun einerseits dazu nutzen, die Boswelliasäuren aus Weihrauch in entsprechenden Krankheitsmodellen zu testen und später vielleicht als Medikament gegen Entzündungserkrankungen zu entwickeln. Andererseits können dank der neu entdeckten Bindungsstelle an der 5-Lipoxygenase auch weitere potenzielle Arzneistoffe aufgespürt und ihre Wirksamkeit als Entzündungshemmer experimentell getestet werden.