DGP plant Leitlinie zu Post- und Long-COVID

Wie ergeht es Menschen, die eine Corona-Infektion überstanden haben, aber gesundheitlich weiterhin angeschlagen sind? Eine Betroffene fühlt sich mit ihren Problemen alleingelassen. Eine Leitlinie soll den Umgang der Ärzt:innen mit Post- und Long-COVID-Patient:innen erleichtern.

Bundesweit bislang 550.000 Menschen mit Langzeitfolgen

Wie ergeht es Menschen, die eine Corona-Infektion überstanden haben, aber gesundheitlich weiterhin angeschlagen sind? Eine Betroffene fühlt sich mit ihren Problemen alleingelassen. Eine Leitlinie soll den Umgang der Ärzt:innen mit Post- und Long-COVID-Patient:innen erleichtern.

Fünf Kilometer Joggen - das war für Paula nie ein Problem. Jetzt macht sie schon nach 1,5 Kilometern im Schritttempo schlapp. Der Grund liegt schon drei Monate zurück: eine Corona-Infektion. "Ich gehe ja schon eher als dass ich jogge, und trotzdem schnappe ich nach Luft, und mein Puls rast", sagt die 52-Jährige aus Karlsruhe. Die Wirtschaftsingenieurin ist eine typische Post-COVID-Patientin.

Bei einer akuten COVID-Erkrankung bestehen die Symptome in der Regel bis zu vier Wochen. Doch für viele wie Paula W. geht das Leiden weiter. Die Zahl der Menschen mit Langzeitfolgen liegt nach Angaben von Andreas Rembert Koczulla von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) bei bundesweit 550.000. "Von den als genesen Erklärten haben noch etwa 15 Prozent mit den unterschiedlichsten Symptomen zu kämpfen."

Infektionsfolgen leichter identifizieren

Luftnot, Haarausfall und Ohrenschmerzen - das Spektrum der Symptome für Folgeerscheinungen der Infektion mit dem Coronavirus ist groß. Angesichts dieser Vielfalt ist es schwierig für Hausärzt:innen, Probleme ihrer Patient:innen auf COVID-19 zurückzuführen, zumal wenn etliche Wochen nach der Infektion ins Land gegangen sind.

Dem soll jetzt abgeholfen werden. "Wir wollen den Medizinern Leitlinien an die Hand geben, die es ihnen erleichtern, Infektionsfolgen zu identifizieren", sagt Koczulla, Chefarzt der Schön Klinik Berchtesgadener Land. Die Handreichung, die er mit Fachleuten anderer Fachrichtungen verfasst hat und in Kürze veröffentlichen will, dient einer möglichst strukturierten Diagnostik und daran ausgerichteten Therapien.

Aufteilung in Long-COVID und Post-COVID

Bezogen auf die Dauer der Folgeerscheinungen unterscheidet die DPG in Long-COVID und Post-COVID. Die fortbestehende Symptomatik der akuten Erkrankung über vier Wochen hinaus bezeichnet man als Long-COVID. Schlagen sich die Betroffenen nach zwölf Wochen immer noch mit den Symptomen herum, leiden sie unter Post-COVID. Betroffen von den medizinischen und psychologischen Langzeiteffekten sind sowohl Menschen mit schwerem Verlauf als auch solche mit leichtem.

Bei Paula verbesserten sich die Anfangssymptome wie Fieber, trockener Husten und Kopfschmerzen nach 3,5 Wochen in häuslicher Quarantäne. Geblieben ist ihr die Atem- und Kraftlosigkeit. Sie fühlt sich mit ihren Beschwerden allein gelassen. "In der Krankheitsphase wurde ich von meiner Hausarztpraxis an die COVID-Praxis verwiesen." Doch dort würden nur Tests vorgenommen.

Long-COVID- und Post-COVID-Patient:innen ernst nehmen

Um die 20 Symptome sind bei den Betroffenen zu finden. Vorherrschend sind mangelnde Belastbarkeit, Müdigkeit und Luftnot. Bei zuvor stationär behandelten Patient:innen treten häufig Veränderungen der Lunge auf, wie Koczulla erläutert. Neben Lungen- und Herzproblemen fallen auch Riech- und Geschmacksstörungen unter die sehr häufigen Symptome. Häufig sind Haarausfall, Schlafstörungen und kognitive Beeinträchtigungen. Selten äußern sich die Folgen von Corona in Tinnitus, Übelkeit, Durchfall oder Appetitverlust. In allen drei Häufigkeits-Gruppen treten psychologische Beeinträchtigungen verstärkt auf: Die Patient:innen sind stressanfälliger, ängstlicher und depressiver.

Paula war während der akuten und der Folge-Phase auf sich und die Erfahrungen anderer Betroffener gestellt. Vitamine, Magnesium und Schleimlöser gehörten zur Selbstmedikation. Wenn Freundinnen nicht jeden Tag Essen vor die Haustüre gestellt hätten, wäre sie heute noch kraftloser. "Man muss sich selbst organisieren und ist auf sein soziales Umfeld angewiesen." Sie wünscht sich, dass Patient:innen wie sie ernst genommen werden. "Schulungen der Ärzte zum Umgang mit nicht klinisch behandelten COVID-Patienten sind dringend nötig." Per Video-Sprechstunde oder Telefon sei ein Kontakt doch kein Problem.

DEGAM hat Thema Spätfolgen bereits in Leitlinie zur Pandemie-Bekämpfung integriert

Hans-Michael Mühlenfeld von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) räumt ein, dass manche unter den Corona-Spätfolgen leidender Patient:innen "durchs Raster" fallen können. "Das passiert bei seltenen Erkrankungen wie Post-COVID." Wenn Hausärzt:innen einräumen, dass sie sich nicht auskennen, sei das nur verantwortungsvoll. Gute Adressen seien die Uniklinik-Ambulanzen.

Von der geplanten Leitlinie der GDP ist er überrascht und weist darauf hin, dass die DEGAM das Thema Spätfolgen bereits in ihre Leitlinie zur Pandemie-Bekämpfung integriert hat. Wenn Fachbereiche Leitlinien für andere Ärzte-Gruppen erstellten, funktioniere das nicht. "Die wissen ja nicht, was bei uns los ist", sagt Mühlenfeld.

Claus Vogelmeier, Vorstandschef der Deutschen Lungenstiftung, rät Patient:innen, die glauben, an einem COVID-Folge-Syndrom zu leiden, ihre Symptome genau zu beobachten und ihre Ärzt:innen zu informieren. "Wenn nach sechs bis acht Wochen noch Atemnot vorherrscht, sollte das unbedingt untersucht werden."