- Olma MC et al. Timing of oral anticoagulation in atrial fibrillation patients after acute ischaemic stroke and outcome after 3 months: results of the multicentre Berlin Atrial Fibrillation Registry. Open Heart 2024; 11:e002688.
Mangels robuster Studiendaten hat sich seit 2013 eine Expertenempfehlung etabliert: die „1-3-6-12-Tage-Regel“ (auch „Diener-Regel“ genannt). Sie empfiehlt einen gestaffelten OAK-Beginn je nach Schweregrad des Ereignisses: Demnach soll bei Personen mit Vorhofflimmern die Antikoagulation nach einer TIA nach einem Tag, nach leichtem Schlaganfall nach drei Tagen, nach mittelschwerem nach sechs Tagen und nach schwerem Schlaganfall nach zwölf Tagen (wieder-)eingeleitet werden. In einer prospektiven Analyse des Berliner Vorhofflimmer-Registers wurde nun untersucht, wie diese Empfehlung im klinischen Alltag umgesetzt wird – und ob sich ihre Einhaltung auf die Prognose in einem Beobachtungszeitraum von drei Monaten auswirkt.
In die Berliner Registerstudie (DOI: ) wurden 708 hospitalisierte Patienten mit bekanntem und ischämischem Schlaganfall oder TIA eingeschlossen. Fast alle Betroffenen (95 %) erhielten innerhalb von drei Monaten nach dem Ereignis eine orale Antikoagulation. Zum Zeitpunkt des Schlaganfalls waren 61 % bereits antikoaguliert – diese Gruppe wurde häufiger nach der 1-3-6-12-Regel erneut auf eine orale gerinnungshemmende Therapie eingestellt.
Insgesamt wurde die jedoch nur bei rund 40 % der Patienten regelkonform begonnen. In jedem vierten Fall startete die Gerinnungshemmung früher als empfohlen, in etwa jedem dritten Fall später:
Insgesamt fiel die Komplikationsrate im Kollektiv gering aus: Schwerwiegende Blutungen traten bei 1,1 % der Patienten auf, hämorrhagische Schlaganfälle bei 0,3 %. Diese Daten bestätigen die Sicherheit eines frühen Starts der oralen Antikoagulation, wie sie auch in den randomisierten Studien TIMING und ELAN beobachtet wurden.
Interessanterweise ergab die Analyse keinen Unterschied im 3-Monats-Outcome zwischen früher, regelgerechter oder später Einleitung der oralen Antikoagulation – solange diese innerhalb des dreimonatigen Zeitfensters erfolgte. Das kombinierte klinische Endpunktmaß (Reinfarkt, systemische Embolie, Myokardinfarkt, schwere oder Tod) lag bei allen Gruppen auf vergleichbarem Niveau.
Relevant war, ob überhaupt innerhalb von drei Monaten eine orale Antikoagulation eingeleitet wurde: Bei Patienten ohne gerinnungshemmende Therapie zum Ende dieses Zeitraums lag die Rate des kombinierten Endpunkts bei ca. 31 %, bei denen mit Antikoagulation dagegen nur bei gut 8 %. Mit anderen Worten: Ein rechtzeitiger (Wieder-) Beginn der oralen Antikoagulation senkte das Risiko für schwerwiegende Folgeereignisse um das Vierfache.
Die 1-3-6-12-Tage-Regel liefert als expertenbasierte Empfehlung einen groben Anhalt zur zeitlichen Orientierung, jedoch konnte in der aktuellen Registerstudie kein Nutzen einer strikten Einhaltung dieses Schemas gezeigt werden. Eine individuell angepasste Entscheidung zum Antikoagulationsstart – unter Berücksichtigung von Infarktgröße, Therapie und klinischem Verlauf – erscheint demnach vertretbar, solange innerhalb von drei Monaten antikoaguliert wird. Wichtig bleibt: Die Wiederaufnahme der oralen Antikoagulation ist essenziell, um erneute Schlaganfälle und andere Komplikationen möglichst zu vermeiden. Ob dies am 3., 6. oder 12. Tag erfolgt, kann laut aktueller Datenlage flexibel gehandhabt werden.