Die fantastischen Vier der Herzinsuffizienz-Therapie: Wirksam auch im hohen Alter
Obwohl die 5-Jahres-Überlebensrate bei Herzinsuffizienz nur 50% beträgt, erhält nur jeder zwanzigste 85-jährige Patient die empfohlene 4-Säulen-Therapie.
Herzinsuffizienz im Alter: Warum die 4-Säulen-Therapie allen Patienten zusteht
Ein Fünftel der Menschen, die bis zum 40. Lebensjahr keine Herzinsuffizienz (HI) haben, entwickeln im Alter eine HI. Doch was bedeutet “alt” in diesem speziellen Zusammenhang? Ausschlaggebend ist nicht nur das chronologische Alter. Als einfacher Test für die Frailty (Gebrechlichkeit) eines Patienten empfahl Knebel, den Patienten auf einem Bein freihändig 10 Sekunden stehen zu lassen. „Das ist einer der besten Prädiktoren für das Überleben in den nächsten 4.000 Tagen“, so Knebel.
Alter sollte gemäß Positionspapier der Arbeitsgruppe Gerontokardiologie der DGK wie folgt definiert werden:
- Alterung ist ein kontinuierlicher, nicht linearer Prozess
- Eine einheitliche Definition nur nach dem chronologischen Lebensalter ist problematisch
- Eine mögliche Definition ist: Alter > 70 Jahre + funktionelle Defizite
Abhängig davon kann man den Patienten einteilen in:
- Fit
- Pre-Frail
- Frail
- Terminale Phase
Grundsätzlich stelle sich die ethische Frage, ob man alten Menschen Therapien vorenthalten dürfe – und sie so dafür bestrafe, dass sie alt geworden sind. Die Frage ist auch: Steht der Mensch im Mittelpunkt oder die Statistik oder Ökonomie? Wie der Herzbericht zeigt, ist Herzinsuffizienz bei älteren Menschen (>80 Jahre) eine der häufigsten Ursachen für Hospitalisierungen.
Die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei chronischer Herzinsuffizienz liegt bei nur 50% und ist damit vergleichbar mit der Überlebensrate von einigen der häufigsten Krebsarten. Eine leitliniengerechte Therapie mit vier Wirkstoffgruppen reduziert die Mortalität. Die Basismedikation bei Patienten mit HFrEF besteht heute aus einer Viererkombination. Dazu gehören ein ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptor-Neprilysin-Hemmer (ARNI), ein Betablocker, ein Mineralocorticoid-Rezeptorantagonist (MRA) und ein SGLT2-Inhibitor.
ACE-Hemmer, Betablocker & Co – die fantastischen Vier
Ziele der Herzinsuffizienz-Therapie:
- Reduktion von Mortalität
- Reduktion von Morbidität (u.a. Hospitalisierungen)
- Verbesserung der Lebensqualität
In einem Editorial aus 2021 wird die Vierer-Kombination – die fantastischen Vier – nach derzeitiger wissenschaftlicher Evidenz als „bester Garant“ dafür bezeichnet, dass bei Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Auswurffraktion Todesfälle und belastende Klinikaufenthalte therapeutisch maximal verringert und Symptomatik und Lebensqualität deutlich verbessert werden. Der Verfasser, Prof. Dr. Johann Bauersachs, resümiert, dass HFrEF-Patienten aufgrund der guten Evidenz nicht entweder einen ARNI- oder eine SGLT2-Hemmer bekommen sollten, sondern beide Therapien bekommen sollten.
Versorgungsqualität bei Älteren – noch Luft nach oben
Doch ist die gute Evidenz der fantastischen Vier auch für alte Patienten gültig? Wenn man sich die ESC-Leitlinie im Hinblick auf „Alter“ anschaue finde man nichts, so Knebel. Der Therapiealgorithmus für Patienten mit HFrEF, HFpEF oder HFmrEF gilt für alle Altersgruppen. Ein Blick auf die Versorgungsqualität zeigt: Nur einer von 4 HI-Patienten bekam im Jahr 2023 in Deutschland ein MRA oder einen SGLT2-Hemmer. Gerade bei älteren Menschen nahm die Verordnung von SGLT2-Hemmern ab, berichtet Knebel. Nur 5% der 85-jährigen Patienten mit HI erhielten im Jahr 2023 eine 4-Säulen-Therapie.
Auch der Blick auf die Zeit bis zum Start einer medikamentösen Therapie zeigt: Bei älteren Patienten (≥ 80 Jahre) scheint es tendenziell länger zu dauern, bis eine Therapie eingeleitet wird. So dauerte das durchschnittliche Einleiten einer Betablocker-Therapie bei dieser Gruppe am längsten, gefolgt von SGLT2-Hemmern. Am schnellsten werden Diuretika nach HI-Diagnose verschrieben.
Subgruppenanalysen zum Alter zeigen für Spironolacton und Eplerenon, dass MRA auch bei älteren Menschen gut einsetzbar sind. Für Betablocker zeigt beispielsweise die SENIORS-Studie, dass die Wirkstoffgruppe auch bei Älteren (eingeschlossen waren Patienten zwischen 70 und 95 Jahren) effektiv sind. Auch die Subanalyse zu Sacubitril-Valsartan (PARADIGM-HF) liefert Hinweise auf eine Mortalitätsreduktion in allen Altersgruppen.
Für SGLT2-Hemmer zeigt sich bei älteren Menschen ebenfalls eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit. Auch bei älteren und alten Patienten spricht also alles für die fantastischen 4. Jedoch sollte bei älteren Patienten – im Gegensatz zu jungen Patienten – behutsam hochtitriert werden. Knebel rät zu einer langsameren Dosisanpassung: „Man muss die Patienten mitnehmen“, sonst laufe man Gefahr, dass die Patienten die Medikamente eigenmächtig absetzen.
- 91. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), 23. bis 26. April 2025, Congresscentrum Rosengarten, Mannheim. Sitzung: Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe doch auf morgen – neue Perspektiven der Kardiologie im Alter, 25. April 2025
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