Die große Debatte: Ersetzt KI bald die Ärzteschaft?

Das Arbeitsfeld Kardiologie bewegt sich im wahrsten Wortsinn oft zwischen Leben und Tod. Künstliche Intelligenz unterstützt hier aktuell noch - doch wohin kann und sollte die Entwicklung gehen?

KI revolutioniert bereits große Teile der Kardiologie

Gesundheits-Apps und Wearables, die z.B. den Puls messen und Herzrhythmusstörungen (HRS) detektieren, gehören schon heute für viele zum Alltag. Dabei können sie viel mehr als ein Lifestyle-Produkt sein, denn sie befähigen Patientinnen und Patienten, die eigenen Gesundheitsdaten zu tracken und Therapien umzusetzen. Diese Tools bieten damit eine neuartige Möglichkeit an, das Follow-up nach einem Myokardinfarkt oder bei HRS kontinuierlich zu gewährleisten und somit die Patienten schneller zu betreuen sowie Therapien umzustellen. 

Auch die ersten KI-basierten Programme zur automatischen Auswertung von Echokardiographie- oder MRT-Bildern befinden sich in der klinischen Validierungsphase und werden in den kommenden fünf Jahren zur Verfügung stehen. Hieraus erhoffen sich die Krankenhäuser, die wachsende Patientenzahl bei gleichzeitiger Personalknappheit der Ärzteschaft weiterhin behandeln zu können.

Prof. Alan Fraser aus Großbritannien ist zuversichtlich, dass KI uns nicht nur dabei helfen wird, Krankheiten besser zu verstehen, sondern auch die Diagnostik und Therapien individueller zu gestalten und somit ein besserers Outcome zu erzielen.

Die KI wird missverstanden und oft überschätzt

Von KI spricht man, wenn Computerprogramme fähig sind zu lernen. Und für dieses Lernen gibt es vor allem zwei Wege. Den einen Weg kann man als "überwachtes Lernen" (supervised learning) bezeichnen: Vereinfacht gesagt, zeigen die Forscher dem Computer sehr viele ähnliche Bilder und vermitteln ihm dabei je nach Fragestellung, was richtig oder falsch ist, gesund oder pathologisch. Den anderen Weg bezeichnet man als "unbeaufsichtigtes Lernen" (unsupervised learning): Dabei muss der Computer selbständig Unterschiede bei Krankheiten erkennen und klassifizieren. In der Medizin wird vor allem das überwachte Lernen eingesetzt, da das unbeaufsichtigte Lernen eine viel höhere Datenmenge benötigt. Darüber hinaus löst die KI nur einzelne Aufgaben und kann komplexe Sachverhalte nicht analysieren. Zu behaupten, dass die KI ärztliche Aufgaben übernehmen oder sogar die Ärzteschaft ersetzen wird, ist beim aktuellen Entwicklungsstand vollkommen absurd. Ein anderer wichtiger Punkt wäre, betonte Prof. Partho Sengupta, dass die Gesellschaft darüber eine Debatte führen soll, ob fehlerhafte KI-basierte Diagnosen oder Therapien akzeptabel seien.

Fazit

Die künstliche Intelligenz hat mehrere Bereiche bereits revolutioniert und ist aus der modernen Welt nicht mehr wegzudenken. Der Einsatz der KI in der Medizin gestaltet sich jedoch sensibler und langsamer, da es praktisch um "Leben" und "Tod" geht. Zum einen müssen Gesundheitsdaten viel besser organisiert und strukturiert werden, damit die KI-Algorithmen trainiert werden können, und zum anderen muss die Gesellschaft darüber entscheiden, ob Fehldiagnosen oder falsche KI-basierte Therapieentscheidungen juristisch und ethisch akzeptiert werden. Bis dahin kann die KI sicherlich den Ärztinnen und Ärzten bei ihren täglichen Aufgaben eine große Unterstützung leisten.

 

Quelle: Great Debate: artificial intelligence will change the way we practice cardiology - ESC Congress 2022 - Topic: Artificial Intelligence (Machine Learning, Deep Learning) - 26 August 2022 - 14:00 - 15:15