Glucocorticoid-Exposition erhöht kardiovaskuläres Risiko

Eine neue Studie zeigt auf, dass auch schon eine relativ kurzzeitige Einnahme von Glucocorticoiden bei rheumatoider Arthritis das kardiovaskuläre Risiko signifikant erhöht.

Bereits einmonatige Einnahme bei rheumatoider Arthritis erhöht Risiko um 14% 

Dass die entzündungshemmende Wirkung von Glucocorticoiden teuer erkauft wird, ist vielen Ärzt:innen und Patient:innen hinlänglich bekannt. Eine neue Studie zeigt nun, dass auch schon eine relativ kurzzeitige Einnahme von Glucocorticoiden bei rheumatoider Arthritis das kardiovaskuläre Risiko signifikant erhöht.

In Deutschland leiden rund 800.000 Menschen an rheumatoider Arthritis. Glucocorticoide gelten als das Mittel der Wahl zur Bekämpfung der akuten und chronischen Entzündungsreaktion. Doch dafür zahlen die Patient:innen einen hohen Preis: Neben einer diabetogenen und adipogenen Wirkung, Störungen der Sexualfunktion und der Entwicklung von Hautveränderungen stehen Glucocorticoide auch im Verdacht, das kardiovaskuläre Risiko zu erhöhen – insbesondere bei einer Langzeit-Einnahme. Dies ist problematisch, insbesondere in Hinblick auf die Vielzahl von Glucocorticoid-Verschreibungen hierzulande. Ein Team um Beth Wallace von der University of Michigan aus den USA hat nun genauer untersucht, ob auch schon eine kurzzeitige Glucocorticoid-Einnahme im Rahmen einer Therapie gegen rheumatoide Arthritis einen Effekt auf das kardiovaskuläre Risiko besitzt. Die Ergebnisse wurden als Abstract auf dem Kongress des American College of Rheumatology im letzten Jahr veröffentlicht.

Retrospektive Beobachtungsstudie mit 26.000 Proband:innen

In der retrospektiven Studie wertete ihr Team die Daten von über 26.000 Patient:innen aus, die an rheumatoider Arthritis litten und Glucocorticoide einnahmen. In die Studie wurden nur Erwachsene im Alter zwischen 40 und 90 Jahren eingeschlossen, über 85% waren männlich. Keiner der Proband:innen litt in den letzten fünf Jahren vor Einschluss an einer Herzkreislauferkrankung, einer Herzinsuffizienz oder an weiteren rheumatologischen Erkrankungen. Die Forschenden berechneten die tägliche Glucocorticoid-Exposition anhand von Apotheken-Daten zur Medikamentenausgabe. Weiterhin ermittelten sie, bei welchen Patient:innen im Beobachtungszeitraum von fünf Jahren ein kardiovaskuläres Ereignis auftrat; dieses wurde definiert als Herzinfarkt, Schlaganfall, transitorische ischämische Attacke, Herzstillstand oder koronare Revaskularisierung. Bei Patient:innen mit mehreren kardiovaskulären Ereignissen im Beobachtungszeitraum wurde nur das erste Ereignis in die Bewertung miteinbezogen. Die Wissenschaftler:innen adjustierten ihre Ergebnisse hinsichtlich Demographie, Langzeit-Glucocorticoid-Einnahme, Methotrexat-Einnahme und des kardiovaskulären Risikos.

Einmonatige Glucocorticoid-Therapie erhöht kardiovaskuläres Risiko um 14%

Das 5-Jahres-Risiko der Studienpopulation für ein kardiovaskuläres Ereignis lag bei 5,7%. Rund ein Viertel der Proband:innen wies ein hohes kardiovaskuläres Risiko von über 9% auf. Im ersten Follow-Up-Jahr nahmen 23% der Patient:innen (24% aus der Hochrisiko-Gruppe) für mindestens drei Monate Glucocorticoide ein. Im Verlauf erlitten 3,2% dann ein kardiovaskuläres Ereignis (4,9% aus der Hochrisiko-Gruppe) – im Mittel nach 25 Monaten Follow-Up.Nach der Adjustierung von Confoundern berechneten die Forschenden, dass jeder Monat einer Glucocorticoid-Therapie das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis im darauffolgenden halben Jahr um 14% erhöhte. Die Beobachtung war unabhängig vom kardiovaskulären Risiko zu Beginn der Studie, früherer Glucocorticoid-Exposition, einer Methotrexat-Einnahme und weiteren Komorbiditäten.

Glucocorticoid-Therapie so kurz wie möglich halten

Auch wenn die Studie auf reinen Beobachtungsdaten basiert und weitere unerkannte bzw. nicht-berücksichtige Confounder die Ergebnisse beeinflussen könnten, zeigt sie, dass die Einnahme von Glucocorticoiden im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis schon nach kurzer Zeit dosisabhängig das kardiovaskuläre Risiko erhöhen kann. Weitere Studien sind jedoch noch notwendig, um den Zusammenhang zwischen Glucocorticoiden und Herzkreislauferkrankungen besser zu verstehen.
Dennoch lassen sich die Ergebnisse bereits jetzt im klinischen Alltag anwenden: Patient:innen, die aufgrund einer rheumatoiden Arthritis regelmäßig Glucocorticoide einnehmen, sollten hinsichtlich ihres erhöhten kardiovaskulären Risikos beraten werden. Eine Glucocorticoid-Therapie sollte vonseiten des Arztes / der Ärztin so kurz wie möglich gehalten, hinsichtlich der Vor- und Nachteile abgewogen und ggf. durch ein alternatives Therapieverfahren ersetzt werden. Ist eine Glucocorticoid-Therapie unumgänglich, sollten weitere Risikoparameter wie Blutdruck, Cholesterin und Lebensstil bei den betroffenen Patient:innen optimiert werden, um das kardiovaskuläre Risiko entsprechend zu senken und einer Herzkreislauferkrankung vorzubeugen.

Referenzen: Wallace et al. Association Between Ongoing Glucocorticoid Use and Major Adverse Cardiovascular Events Among Veterans with Rheumatoid Arthritis [abstract]. Arthritis Rheumatol. 2021; 73 (suppl 10). Accessed November 21, 2021.