Icosapent-Ethyl – neuer Wirkstoff im Kampf gegen Arteriosklerose?

Die Daten der jüngst veröffentlichten EVAPORATE-Studie zeigen, dass die Omega-3-Fettsäure Icosapent-Ethyl das Wachstum von Koronarplaques bei Patienten mit Hypertriglyceridämie begrenzen bzw. sogar rückgängig machen kann.

Omega-3-Fettsäure reduziert Plaquewachstum

Die Daten der jüngst veröffentlichten EVAPORATE-Studie zeigen, dass die Omega-3-Fettsäure Icosapent-Ethyl das Wachstum von Koronarplaques bei Patienten mit Hypertriglyceridämie begrenzen bzw. sogar rückgängig machen kann.

Statine sind das Mittel der Wahl zur Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse. Doch viele Menschen erleiden trotz optimaler Cholesterinwerte einen Herzinfarkt. Ein Grund könnten erhöhte Triglyceridwerte sein. Einige Studien zeigen, dass sie das kardiovaskuläre Risiko zusätzlich steigern. Statine haben hier nur einen geringen Effekt. Und bereits bekannte Triglycerid-Senker wie Fibrate haben ebenfalls keinen durchschlagenden Erfolg auf das kardiovaskuläre Risiko. Daher wird nach neuen Wirkstoffen gesucht, die in Kombination mit Statinen das Arteriosklerose-Risiko noch weiter eingrenzen können. Ein Kandidat ist Icosapent-Ethyl, eine mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäure, die anti-atherogene Eigenschaften besitzt. In einer Vorgänger-Studie führte sie zu einer 18%igen Senkung der Triglyceride und gleichzeitig zu einer Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse um ca. 5%2. In der Folgestudie "EVAPORATE" wollte eine Forschergruppe nun klären, wie genau Icosapent-Ethyl das kardiovaskuläre Risiko beeinflusst. Vermutet wird, dass die Omega-3-Fettsäure das Wachstum der Koronarplaques begrenzt.

Plaque-Messung mittels Computertomographie

Um ihre Hypothese zu belegen, führten die Wissenschaftler eine randomisierte doppelblinde Studie mit 80 Probanden durch, die bereits an einer Koronarsklerose litten. Haupteinschlusskriterium war das Vorliegen mindestens einer Koronarstenose mit ≥ 20% Lumenverengung – festgestellt mittels Koronarangiographie oder Multidetektor-Computertomographie (MDCT). Weitere Einschlusskriterien waren ein niedriger Low-Density Lipoprotein Cholesterin-Wert im Blut (≥ 40 und ≤ 115 mg/dl) sowie erhöhte Nüchtern-Triglyceride (135 bis 499 mg/dl). Die Patienten mussten zudem vor Einschluss bereits eine Statintherapie erhalten. Das Durchschnittsalter der Probanden lag bei 57 Jahren, 54% waren männlich und 69% litten an Diabetes mellitus. Die Studienpopulation war zudem adipös mit einem durchschnittlichen Body Mass Index von 33,7 km/m2. Im Rahmen der Studie erhielt die eine Hälfte der Studienteilnehmer 4 Gramm Icosapent-Ethyl pro Tag, der anderen Hälfte wurde ein Placebo aus speziellem Mineralöl verabreicht.

Zu Beginn der Studie erhielten alle Patienten ein MDCT zur Messung der koronaren Plaques. Die Untersuchung wurde nach 9 und 18 Monaten wiederholt. Mithilfe dieser Technik konnten die Forscher nicht-invasiv das Plaquewachstum messen. Weiterhin konnten sie verschiedene Plaques-Typen identifizieren. Sie unterschieden primär zwischen kalzifizierten und nicht-kalzifizierten Plaques. Bei Letzteren wurde weiter zwischen lipidreichen "low-attenuation"-Plaques, fibrosierten Plaques und fibrosiert-fettigen Plaques unterschieden. Der primäre Endpunkt der Studie war die Veränderung der "low-attenuation" Plaques. Um für Confounder zu kontrollieren, adjustieren die Wissenschaftler ihre Berechnungen für das Alter, Geschlecht, Diabetes-Status, Blutdruck, und Triglyceridkonzentration.

Icosapent-Ethyl reduziert Plaquevolumen während Placebo es verdoppelt

Von den 80 eingeschlossenen Probanden haben 68 die Studie erfolgreich beendet (31 in der Icosapent-Ethyl-Gruppe und 37 in der Placebo-Gruppe). Zu Beginn der Studie unterschieden sich beide Gruppen nicht voneinander hinsichtlich Plaquevolumen und -art. Der häufigste Plaque-Typ war die fibröse Plaque mit einer Häufigkeit von ca. 75% bzw. 58% in der Icosapent-Ethyl- und Placebo-Gruppe. Die Entwicklung der "low-attenuation"-Plaques (primärer Endpunkt), war signifikant unterschiedlich zwischen beiden Gruppen. So ging diese Plaque-Form in der Icosapent-Ethyl-Gruppe leicht zurück (-0,3 mm3 bzw. -17%), während sie sich in der Placebo-Gruppe mehr als verdoppelte (+0,9 mm3 bzw. +109%). Ähnliche Ergebnisse gab es auch in Bezug auf die anderen nicht-kalzifizierten Plaque-Typen. Nur bei kalzifizierten Plaques gab es keine signifikante Differenz zwischen beiden Gruppen (p = 0,053).

Die Forscher untersuchten auch, ob Icosapent-Ethyl das Lipidprofil (Gesamt-, High- und Low-Density Lipoprotein Cholesterin sowie Triglyceride) der Probanden beeinflusst. Hier ließen sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen finden. Interessanterweise wurden die Triglyceride in beiden Studiengruppen signifikant um 89 mg/dl (Verum-Gruppe) und 92 mg/dl (Placebogruppe) gesenkt.

Studie wirft Fragen auf

Die Daten der Studie legen nahe, dass eine Behandlung mit Icosapent-Ethyl bei Patienten mit bereits bestehenden Koronarplaques die Progression von nicht-kalzifizierten Plaques reduzieren bzw. sogar umkehren kann. Die Daten bestätigen frühere Ergebnisse, die in der REDUCE-IT Studie veröffentlicht wurden. In dieser Studie konnte bei Patienten mit bestehender Herzkreislauf-Erkrankung eine rund 5%ige Verringerung kardiovaskulärer Ereignisse unter Langzeit-Therapie mit Icosapent-Ethyl beobachtet werden, was auf eine signifikante Reduktion der Triglyceridwerte unter Icosapent-Ethyl zurückgeführt wurde2.

Interessanterweise konnte in der hier vorgestellten EVAPORATE-Studie jedoch kein Effekt von Icosapent-Ethyl auf die Triglyceridkonzentration im Vergleich zum Placebo festgestellt werden. Und das, obwohl die Dosis mit 4 Gramm täglich doppelt so groß war wie in der REDUCE-IT-Studie. Dies wirft Fragen auf. Zudem ist es verwunderlich, dass sich nach nur 1,5 Jahren Studiendauer das Plaque-Volumen der "low-attenuation"-Plaques in der Placebogruppe mehr als verdoppelte. Eigentlich sollten diese Plaques viel langsamer wachsen. Daher muss die EVAPORATE-Studie aktuell viel Kritik einstecken. Bemängelt wird, dass das Placebo eventuell kein "wirkliches" Placebo war, sondern möglicherweise die Plaquebildung beschleunigte. Daher verglichen die Autoren das Mineralöl-Placebo mit einem Zellulose-basierten Placebo und fanden keinen Unterschied zwischen beiden Formulierungen3. Es ist also davon auszugehen, dass die positive Wirkung von Icosapent-Ethyl auf das Plaquewachstum nicht indirekt durch ein "schädigendes" Placebo zustande kam. Bleibt zu klären, wie genau Icosapent-Ethyl vor Arteriosklerose schützt. Da sich in der Studie keine Unterschiede im Lipidprofil der beiden Gruppen zeigten, könnten verminderte Entzündungs- und Oxidationsprozesse eine Rolle spielen. Folgestudien werden dies klären. Das Thema Omega-3-Fettsäuren bleibt also spannend.

Quellen: 
1. Budoff MJ et al. Effect of icosapent ethyl on progression of coronary atherosclerosis in patients with elevated triglycerides on statin therapy: final results of the EVAPORATE trial. European Heart Journal, ehaa652, Published: 29 August 2020. DOI: https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaa652.
2. Bhatt DL et al. Cardiovascular Risk Reduction with Icosapent Ethyl for Hypertriglyceridemia. N Engl J Med 2019; 380:11-22. Published January 3, 2019. DOI: 10.1056/NEJMoa1812792.
3. Lakshmanan S et al. Comparison of mineral oil and non-mineral oil placebo on coronary plaque progression by coronary computed tomography angiography. Cardiovasc Res. 2020 Mar 1;116(3):479-482. DOI: 10.1093/cvr/cvz329.