Neu entdeckte Genmutation reduziert Herzinfarkt-Risiko

An der Medizinischen Universität Innsbruck wurde in einer schwer sequenzierbaren Region des LPA-Gens eine häufige Mutation entdeckt, die alleine 10 Prozent der Lp(a)-Konzentrationen erklärt und vor kardiovaskulären Erkrankungen schützt.

Mutation mit dem wahrscheinlich größten Einfluss auf Lipoprotein(a) in der Bevölkerung

An der Medizinischen Universität Innsbruck wurde in einer schwer sequenzierbaren Region des LPA-Gens eine häufige Mutation entdeckt, die alleine 10 Prozent der Lp(a)-Konzentrationen erklärt und vor kardiovaskulären Erkrankungen schützt.

Lipoprotein(a) ist ein Bestandteil der Blutfette. Hohe Konzentrationen davon werden fast ausschließlich durch ein einziges Gen namens LPA kontrolliert und zählen zu den wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktoren. Rund 20 Prozent der Bevölkerung weisen einen solchen Lp(a)-Spiegel auf. 

Die Team um Stefan Coassin und Florian Kronenberg vom Institut für Genetische Epidemiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck haben eine Mutation im LPA Gen enttarnt, die durch einen Splice-Defekt zur Senkung der Lp(a)-Konzentration führt und damit vor Herzinfarkt und Schlaganfall schützt. Die neu entdeckte genetische Mutation, ein SNP (engl. Single Nucleotide Polymorphism), konnte dank innovativer Technologien in einer schwer zugänglichen Genomregion identifiziert werden. Mit genetischen Daten von fast einer halben Million Teilnehmender belegten die Forschenden zudem, dass die Lp(a)-senkende Mutation das kardiovaskuläre Risiko in der Bevölkerung maßgeblich mitbestimmt und in der Tat bei knapp 40 Prozent der Bevölkerung vorkommt. Bisher war die Mutation aufgrund ihrer schwer zugänglichen Lage übersehen worden.

Fundstück mit starkem Einfluss auf Lp(a) Spiegel

"LPA ist eine typische ‚dark region‘ in der Genomforschung, umso mehr freuen wir uns über die erfolgreiche Spurensuche", sagt Molekulargenetiker Stefan Coassin. 60 bis 70 Prozent des Gens befinden sich in einem Abschnitt – genannt KIV-2 Repeat – der in einer Person einmal und in einer anderen Person bis zu 40 Mal vorhanden sein kann. Solche, in ihrer Kopienanzahl variablen Sequenzen sind mit herkömmlichen Methoden nur schwer bis gar nicht im großen Maßstab untersuchbar. Auch 20 Jahre nach der ersten Genom-Sequenzierung bleiben also noch immer viele weiße Flecken auf der genetischen Landkarte. "Das Spannende dabei ist, dass Lp(a)-Werte zwischen Personen trotz gleicher Kopienanzahl um mehr als das 200-fache schwanken können. Wir wissen, dass dies größtenteils genetisch durch das LPA-Gen bedingt ist, kennen aber die genauen Ursachen dafür nicht", erklärt Coassin, der die Arbeitsgruppe für komplexe Genomregionen leitet.

Die neue, auf "KIV-2 4733 G>A" getaufte genetische Variante wurde mittels angepasster Hochdurchsatz-Technologie typisiert und analysiert. "Wir stellten fest, dass die Variante für sich schon rund zehn Prozent der Lp(a)-Varianz in der Bevölkerung erklärt, was für einen einzelnen SNP ein wirklich beträchtlicher Wert ist", so die Doktorandin Johanna Schachtl-Rieß, die für die Datenanalyse federführend zuständig war. Mit der Adaptierung diverser Sequenzierungs- und Genotypisierungsansätze konnte das Team der Genetischen Epidemiologie vor wenigen Jahren erstmals die Untersuchung von Mutationen in der KIV-2 Region in großen Populationen ermöglichen, sodass bereits 2017 eine Mutation in dieser Region gefunden werden konnte, die eine Senkung des Lp(a)-Spiegels bewirkt.

Wichtiger Schritt zur Risikominimierung

Hat der Lp(a)-senkende Effekt auch Einfluss auf kardiovaskuläre Erkrankungen und damit dessen klinische Relevanz? Um das herauszufinden, sind große Studien mit zehntausenden Menschen eine Voraussetzung. In diesem Fall wurde die zuerst in 5.000 Proben der GCKD (German Chronic Kidney Disease) Studie identifizierte neue Variante schließlich auch in den genetischen Daten der UK Biobank – mit über 460.000 Teilnehmeden eine der größten genetisch-epidemiologischen Studien der Welt – untersucht. Die durch diese Mutation bedingte, insgesamt doch noch recht moderate Lp(a)-Senkung um etwa 14 mg/dL reicht bereits aus, um das kardiovaskuläre Risiko um neun Prozent herabzusetzen.

Spezifische Medikamente, die das Blutfett Lp(a) senken, werden derzeit bereits in Phase III-Studien getestet, das ideale Ausmaß der Lp(a)-Senkung wird allerdings noch immer kontrovers diskutiert. "Unsere Ergebnisse sind ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur zielgerichteten Risikominimierung", betont Kronenberg die klinisch-therapeutische Relevanz der Ergebnisse.

Quelle: 
Johanna F. Schachtl-Riess: Frequent LPA KIV-2 Variants Lower Lipoprotein(a) Concentrations and Protect Against Coronary Artery Disease.