Strukturiertes Nachsorgeprogramm führt nicht zu weniger Folgeschlaganfällen

Eine an sieben deutschen und einer dänischen Stroke Unit durchgeführte Studie konnte keinen Vorteil eines strukturierten Nachsorgeprogramms im Hinblick auf die Rate von Folgeereignissen zeigen.

Verbesserungen jedoch hinsichtlich günstigerer klinischer Effekte auf Folgeereignisse und vaskulärer Risikofaktoren

Eine an sieben deutschen und einer dänischen Stroke Unit durchgeführte Studie konnte keinen Vorteil eines strukturierten Nachsorgeprogramms im Hinblick auf die Rate von Folgeereignissen zeigen; bei den intensiver nachbetreuten PatientInnen konnten vaskuläre Risikofaktoren jedoch besser eingestellt werden. Bei PatientInnen, die regelmäßig die Nachsorgetermine im Rahmen des strukturierten Programms wahrgenommen hatten, konnten auch günstige klinische Effekte auf Folgeereignisse erzielt werden. Daher interpretieren ExpertInnen der DSG und der DGN die Studienergebnisse als bedeutsam und wegweisend.

Die aktuelle, in der Januarausgabe von Lancet Neurology publizierte INSPiRE-TMS-Studie verglich den Effekt eines strukturierten, zweijährigen Nachsorgeprogramms im Hinblick auf die Häufigkeit von Folgeschlaganfällen, akutem Koronarsyndrom und gefäßbedingten Todesfällen gegenüber der ambulanten Nachsorge gemäß Regelversorgung bei PatientInnen mit leichten ischämischen Schlaganfällen oder TIA. Das strukturierte Nachsorgeprogramm war so aufgebaut, dass die PatientInnen in den Wochen 3, 6 und 12 nach Studieneinschluss sowie nach 6, 9, 12, 18 und 24 Monaten jeweils ein umfassendes Beratungsgespräch erhielten. Darin wurden allgemeine Informationen zur Schlaganfallprophylaxe und Risikofaktoren gegeben – mit besonderem Fokus auf Lebensstilintervention und Therapietreue. Während dieser Beratungstermine erfolgte auch eine Bewertung der körperlichen Fitness und des individuellen Risikoprofils.

Insgesamt wurden 2.098 PatientInnen in die Studie eingeschlossen, die Hälfte von ihnen durchlief das strukturierte Nachsorgeprogramm, die andere Hälfte die normale ambulante Nachsorge. Nach einem mittleren Follow-up von 3,6 Jahren trat bei 175 der konventionell nachbehandelten und bei 163 der PatientInnen im Nachsorgeprogramm ein größeres vaskuläres Ereignis gemäß primären Endpunkt auf. Mit einer Verminderung des relativen Risikos um 8% (Hazard ratio (HR) 0,92) war der Unterschied zwischen den Gruppen nicht signifikant.

Nach drei Jahren keine ausgeprägten Unterschiede zwischen Gruppen mehr

"Entgegen unserer Erwartung gab es also keinen Effekt des strukturierten Nachsorgeprogramms auf den primären Endpunkt; die Einstellung wichtiger Risikofaktoren ein Jahr nach Studieneinschluss gelang jedoch bei mehr Patienten innerhalb des Programms als in der Kontrollgruppe, die Unterschiede zwischen beiden Gruppen waren jedoch zu gering, um einen signifikanten Effekt auf die Folgeereignisse auslösen zu können", erklärte Professor Dr. Armin Grau, 2. Vorsitzender der Deutschen Schlaganfallgesellschaft (DSG).

So wiesen nach 12 Monaten in der Interventionsgruppe deutlich mehr PatientInnen Blutdruckwerte im Zielbereich auf (p < 0,0001), niedrigere LDL-Werte (p = 0,001) sowie eine höhere körperliche Aktivität (p < 0,0001) und Nichtraucherrate (p = 0,0021). Doch nach drei Jahren waren die Unterschiede zwischen den Gruppen nicht mehr so deutlich ausgeprägt. "Das ist einer der Gründe, warum sich auch kein Unterschied im klinischen Endpunkt zeigte", so der Experte.

Nur auf den ersten Blick enttäuschende Studienergebnisse

Professor Dr. med. Hans-Christoph Diener aus Essen, Pressesprecher der DGN, erklärte: "Auf den ersten Blick sind die Ergebnisse dieser gut geplanten Studie enttäuschend, da ein strukturiertes Nachsorgeprogramm bei PatientInnen mit TIA und leichtem Schlaganfall nicht in der Lage zu sein scheint, weitere schwerwiegende vaskuläre Ereignisse zu verhindern. Eine Erklärung ist jedoch, dass PatientInnen in der Kontrollgruppe durch ihre HausärztInnen und InternistInnen so gut behandelt wurden, dass kein signifikanter Unterschied gegenüber der Interventionsgruppe zu erreichen war."

Professor Grau und die anderen AutorInnen sehen genau darin eine Limitation ihrer Studie. Sie war nicht verblindet, was dazu geführt haben könnte, dass PatientInnen der konventionellen Nachsorgegruppe möglicherweise sogar noch etwas besser als in der Behandlungsrealität außerhalb von Studien behandelt wurden, denn viele HausärztInnen versorgten PatientInnen aus beiden Studienarmen. "Die hohe Rate an Patientinnen aus der konventionellen Gruppe, bei denen die Risikofaktoren erfolgreich kontrolliert werden konnten, war schon erstaunlich, beispielsweise lag der mittlere Blutdruck mit 136/80 mm Hg deutlich niedriger als in vorherigen Beobachtungsstudien. Andererseits war die Rate der Zielerreichung in der Interventionsgruppe bei wichtigen Risikofaktoren wie dem Blutdruck oder der körperlichen Aktivität nicht ausreichend hoch." 

Nachsorge von SchlaganfallpatientInnen in Deutschland auf hohem Niveau

Hinzu kam, dass es sich um eine "intention-to-treat"-Analyse handelte und somit auch PatientInnen in die Auswertung des strukturierten Nachsorgeprogramms eingingen, die u. U. nur einen von acht Beratungsterminen wahrgenommen und somit eigentlich nicht wirklich am Programm teilgenommen hatten. "Durch diese beiden Umstände lagen die Gruppen hinsichtlich ihrer Nachsorge am Ende gar nicht so weit auseinander, wie von uns StudienautorInnen ursprünglich angestrebt worden war – und es liegt auf der Hand, dass sich dann auch kein signifikanter Unterschied im Outcome zeigen konnte“, so das Fazit von Professor Grau. Er betonte, dass sich in Subgruppenanalysen, die sich auf PatientInnen mit häufiger Wahrnehmung der Untersuchungstermine konzentrierten, durchaus ein günstiger klinischer Effekt des Interventionsprogramms zeigte.

"Im Großen und Ganzen ist die Nachsorge von SchlaganfallpatientInnen in Deutschland bereits auf einem hohen Niveau – DSG und DGN haben es geschafft, dass die S3-Leitlinie Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke breite Anwendung im klinischen Alltag findet", erklärte Professor Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. Ein strukturiertes Nachsorgeprogramm könnte aber die bereits hohe Qualität der Nachsorge noch weiter verbessern – darin sind sich alle ExpertInnen einig. Das gelte besonders für die PatientInnen, bei denen die Risikofaktoren für einen Folgeschlaganfall im Rahmen der Regelversorgung nicht hinreichend beeinflusst werden können. "Für diese HochrisikopatientInnen benötigen wir intensivierte Nachsorgeprogramme", so Prof. Berlit.

Quelle:
Ahmadi M et al., A support pro-gramme for secondary prevention in patients with transient ischaemic attack and minor stroke (INSPiRE-TMS): an open-label, randomised controlled trial. Lancet Neurol. 2020;19(1):49-60; doi:https://doi.org/10.1016/S1474-4422(19)30369-2