Genetische Diagnostik in der Nephrologie – ein Plädoyer

Bei einer chronischen Nierenerkrankung bleibt die Genese in vielen Fällen unklar. Hier kann sich eine genetische Abklärung lohnen. Doch die Hemmschwelle ist nach wie vor groß. Zu Unrecht, wie ein aktuelles Review zeigt.

Genetik bei CDK

Mit der richtigen Diagnose zur passenden Therapie 

Die Zahlen sprechen für sich: Eine genetische Diagnose bei nephrologischen Patientinnen und Patienten hatte bei 54% eine Optimierung der Therapie zur Folge, bei 66% wurden weitere Komorbiditäten aufgespürt, und bei 71% änderte sich die prognostische Einschätzung, so das Ergebnis einer Untersuchung. 

Die richtige ätiologische Einordnung kann zweifellos ein Segen für die Betroffenen sein und eine oftmals lange diagnostische Odyssee beenden. Die Therapie kann angepasst und unnötige, teils invasive Untersuchungen vermieden werden. Darüber hinaus können sich auch Familienangehörige genetisch beraten lassen.

Nur: Wann ist eine genetische Diagnostik wirklich indiziert? Ist die Untersuchung nicht sehr aufwendig? Und darf ich sie als Nephrologin oder Nephrologe überhaupt veranlassen?

Diagnostische versus prädiktive Testung 

Nach Tobias Hermle und Ulla Schultheiß, Nephrologe und Humangenetikerin an der Uniklinik Freiburg, sollte eine hereditäre Genese zumindest grundsätzlich erwogen werden und fester Bestandteil des diagnostischen Algorithmus in der Nephrologie sein. Eine Indikation sehen sie insbesondere bei einer unklaren Nierenerkrankung, jüngerem Erkrankungsalter, positiver Familienanamnese oder auch bei zusätzlichen extrarenalen Symptomen.

Wichtig zu wissen: Jede Fachärztin und jeder Facharzt kann eine diagnostische Testung bei Betroffenen initiieren. Nur eine prädiktive Untersuchung von Gesunden muss von der Humangenetik ausgehen. Nötig sind lediglich ein Anforderungsformular und eine Einwilligungserklärung. Dazu 5 ml EDTA-Blut zusammen mit einem Überweisungsschein ans Labor.

Faktor Kosten

Auch mit einer weiteren Sorge räumen die Autoren auf: Die molekulargenetische Diagnostik wird von den Krankenkassen übernommen und belastet das Praxisbudget nicht. Zudem werden die Kosten aufwendiger Sequenzierungsverfahren in Zukunft weiter sinken. Und schließlich kann eine gezielte Diagnostik nicht nur Ungewissheit und Leid mindern, sondern letztlich auch Kosten sparen, indem unnötige Untersuchungen und Therapien vermieden werden. 

Sensibles Thema

Die Humangenetik ist ein sensibler Bereich der Medizin. Bei Betroffenen kann eine hereditäre Ursache ihrer Erkrankung Ängste auslösen und zu Spannungen in der Familie führen. Hier ist ein behutsames Vorgehen und eine sorgfältige Aufklärung wichtig. Dann kann die genetische Abklärung zur Entlastung für alle Beteiligten werden. 

Viele Ursachen weiter unbekannt

Obwohl viele Nierenerkrankungen genetisch bedingt sind, bleibt bislang ein Großteil der hereditären Ursachen unerkannt. Das kann zu unnötiger, ineffektiver Diagnostik und Therapie führen und die Betroffenen stark belasten. Eine genetische Untersuchung sollte daher fester Bestandteil in der nephrologischen Diagnostik sein. 

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