Niedrigere Lymphozytenzahlen gehen mit höherem Risiko für spätere Entwicklung eines M. Parkinson einher

Eine periphere Immundysregulation scheint eine Rolle in der Pathogenese des M. Parkinson zu spielen. Dies könnte laut einer neuen Biobank-Studie prädiktiven Wert besitzen.

Auf der Suche nach Biomarkern zur frühen Risikostratifizierung

Eine periphere Immundysregulation scheint eine Rolle in der Pathogenese des M. Parkinson zu spielen. Dies könnte laut einer neuen Biobank-Studie prädiktiven Wert besitzen.

Neurologische Erkrankungen sind heute weltweit die führende Ursache für Behinderungen und die am schnellsten wachsende neurologische Erkrankung weltweit ist M. Parkinson. Von 1990 bis 2015 hat sich die Zahl der Menschen mit Parkinson auf über 6 Mio. verdoppelt, bis 2040 ist eine erneute Verdoppelung auf 12 Mio. prognostiziert.1 Die Diagnose wird gestellt, wenn motorische Anzeichen auftreten, jedoch sind zu diesem Zeitpunkt bereits ~50% der nigrostriatalen Neuronen untergegangen.Es besteht ein dringender, ungedeckter klinischer Bedarf für eine frühere Erkennung von M. Parkinson und für die Entwicklung von Therapien, die das Fortschreiten der Krankheit verhindern könnten.

Auffälligkeiten in den peripheren Blut-Biomarkern der Immunfunktion

Eine Dysregulation des Immunsystems könnte eine Rolle in der Pathogenese des Morbus Parkinson spielen. Das Differentialblutbild ist zwar nur ein grober Marker für die Immunfunktion, lässt sich aber in groß angelegten Beobachtungsstudien einfach messen. Frühere Studien konnten bei Parkinson-PatientInnen im Vergleich zu Kontrollen niedrigere Lymphozytenzahlen nachweisen, die auf eine Verringerung der T-Helfer (nicht aber der zytotoxischen CD8+ T-Zellen und B-Zellen) zurückzuführen sind. Bei PatientInnen mit manifester Erkrankung berichteten Fall-Kontroll-Studien auch höhere Neutrophilen- und niedrigere Lymphozytenzahlen.3

Ausgehend von diesen Erkenntnissen untersuchten WissenschaftlerInnen den Zusammenhang zwischen den Leukozytenzahlen (und anderen Blutparametern für akute Entzündungen) zum Ausgangszeitpunkt und dem späteren Auftreten der Erkrankung. Sie nutzten dafür die 'UK Biobank', eine sehr große, longitudinale Kohorte mit über 500 Tsd. Personen.3 Die Ergebnisse erschienen Anfang Februar in der Fachzeitschrift 'Annals of Neurology'.

Nach Ausschluss aller TeilnehmerInnen mit Komorbiditäten, die die Entzündungsmarker beeinflussen können, verblieben 465 neue Parkinson-Fälle und 312 Tsd. Kontrollen. Eine niedrigere Lymphozytenzahl war mit einem signifikant erhöhten Risiko für eine spätere Parkinson-Diagnose verbunden: jede Abnahme der Lymphozytenzahl um eine Standardabweichung (SD) ging mit einer Zunahme der Wahrscheinlichkeit um 18% einher (OR 1,18; 95% KI, 1,07-1,32; p = 0,01). Es gab Hinweise darauf, dass erniedrigte Eosinophilen- und Monozytenzahlen sowie CRP-Werte mit einem erhöhten Parkinson-Risiko verbunden waren, ebenso eine höhere Neutrophilenzahl.

Messbare Immunveränderungen: Ursache für Neuerkrankungen oder Folge pathologischer Prozesse?

Nur die Assoziation zwischen verminderten Lymphozytenzahlen und erhöhtem Parkinson-Risiko blieb robust gegenüber einer Reihe von Sensitivitätsanalysen. Eine MR-Analyse (Mendelsche Randomisierung) deutete darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen reduzierter Lymphozytenzahl und Erkrankungsrisiko wahrscheinlich nicht durch Störeffekte oder eine umgekehrte Kausalität bedingt war, sondern möglicherweise kausal ist (pro Abnahme der Lymphozytenzahl um 1 SD: ORMR 1,09; 95% KI 1,01-1,18; p = 0,02).

"Eine niedrigere Lymphozytenzahl, obwohl sie als Biomarker für sich genommen nicht spezifisch genug ist, könnte die Bemühungen zur Erkennung von PatientInnen im frühesten (d. h. präklinischen) Stadium der Parkinson-Krankheit verbessern", hoffen die WissenschaftlerInnen.

Angesichts der langen Latenzzeit zwischen dem biologischen Beginn und der klinischen Präsentation von Parkinsonsymptomen könnte es bei dieser Studie jedoch sein, dass die als Neuerkrankungen identifizierten Fälle zum Zeitpunkt der Rekrutierung zwar noch nicht klinisch, aber bereits biologisch "prävalent" waren, was kausale Schlüsse über die Richtung der Wechselbeziehung erschwert.
"Wir können die Möglichkeit nicht ausschließen, dass eine niedrigere Lymphozytenzahl eine Folge der präklinischen Parkinson-Krankheit ist oder, dass die Assoziation durch einen gemeinsamen ätiologischen Faktor zustande kommt. Weitere Arbeiten sind erforderlich, um diese Ergebnisse in anderen Kohorten zu replizieren und die Mechanismen zu untersuchen, die diesem Zusammenhang zugrunde liegen", schließen die Autoren.

Referenzen:
1. Dorsey, E. R. et al. Global, regional, and national burden of Parkinson’s disease, 1990–2016: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016. The Lancet Neurology 17, 939–953 (2018).
2. Cheng, H.-C., Ulane, C. M. & Burke, R. E. Clinical progression in Parkinson disease and the neurobiology of axons. Ann Neurol 67, 715–725 (2010).
3. Jensen, M. P. et al. Lower lymphocyte count is associated with increased risk of Parkinson’s disease. Annals of Neurology https://doi.org/10.1002/ana.26034.