Die bei Kindern und Jugendlichen wird aufgrund der oft unspezifischen Symptome häufig nicht erkannt und fälschlicherweise als Schulverweigerung oder psychosomatische Störung abgetan. Gerade Kinder im Übergang zum Erwachsenenalter werden häufig übersehen, da sie zwischen Pädiatrie und Erwachsenen-Medizin pendeln. Die höchste Krankheitslast wird bei Mädchen zwischen 15–19 Jahren beobachtet. Insgesamt wird eine Zunahme der Prävalenz und Krankheitslast beobachtet.
Dagny Holle-Lee stellte in ihrem Vortrag auf dem DGN-Kongress verschiedene Krankheitsbilder anhand von Fallbeispielen vor. Ein typisches Verhalten kleiner Kinder ist zum Beispiel, wenn sie sich phasenweise in den Ruheraum der Kita zurückziehen. Vorher werden die Kinder oft ein bisschen „nörgelig“. Dann zieht sich das Kind aus der Reizsituation heraus, schläft für ca. zwei Stunden sehr tief und spielt danach einfach weiter. Das ist ein typischer Fall einer frühen Migräne. Eltern und Betreuer sollten aufgeklärt werden, um einen adäquaten Umgang zu ermöglichen. Auf keinen Fall sollte der spontane Rückzug verboten werden, etwa „weil keine Schlafenszeit“ sei.
Die Abdominelle Migräne zeigt sich durch wiederkehrende, mittige Bauchschmerzen (4–72 Stunden), Übelkeit, Blässe und Appetitlosigkeit, bei ansonsten unauffälligem Entwicklungsstand. Kopfschmerzen werden oft nur auf Nachfrage erwähnt. Die Schmerzen treten i.d.R. ein- bis zweimal im Monat auf, dazwischen ist das Kind beschwerdefrei. Des Öfteren sind Personen in der Familienanamnese zu identifizieren, die bereits an Migräne leiden. Junge Patienten mit dieser Form der Migräne haben aufgrund der zunächst unspezifisch erscheinenden Symptome oft eine Odyssee hinter sich. Manchmal wird eine Nahrungsmittelunverträglichkeit fehldiagnostiziert. Eine gastrointestinale Abklärung ist notwendig, sollte diese ohne Befund bleiben, ist bei o.g. Symptomen eine Abdominelle Migräne mitzudenken. Im Jugendalter geht sie häufig in die klassische Migräne über. Pathomechanistisch ergeben sich wahrscheinlich Ähnlichkeiten zur Erwachsenen-Migräne, die sich im Kindesalter einfach anders zeigen. Die Therapie sollte aus Maßnahmen zur Reizreduktion (Zimmer abdunkeln), Ruhe, und ggf. Schmerzmitteln (Paracetamol, Ibuprofen (nach Gewicht)) bestehen. Zur Prävention eignen sich vor allem nicht-medikamentöse Maßnahmen (regelmäßiger Tagesrhythmus, Lebensstil beobachten, Stress mindern, ausreichend Erholungspausen). Lehrkräfte sollten informiert werden und wenn möglich sollte ein Rückzug in der Akutphase ermöglicht werden. Die Abdominelle Migräne kann auch bei Erwachsenen auftreten, ist hier aber deutlich seltener.
Die Chronische Migräne (CM) wird häufig als Spannungskopfschmerz fehldiagnostiziert. Kopfschmerzen treten an 15 oder mehr Tagen pro Monat auf, davon mind. 8 oder mehr mit typischen Migräne-Merkmalen, über mind. 3 Monate. Medikamente sollten bei Kindern und Jugendlichen zwar lieber vermieden werden, aber bei starkem Einfluss auf die Lebensqualität sollte eine medikamentöse Behandlung in entsprechenden Fällen in Erwägung gezogen werden, da sich Patienten sonst oft zurückziehen. Die Akuttherapie besteht aus Ibuprofen, alternativ Paracetamol. Bei schweren oder therapieresistenten Anfällen ist auch die Gabe von Triptanen (zugel. ab 12 J.) möglich (Sumatriptan, Zolmitriptan). Zur Prophylaxe werden in erster Linie nicht-medikamentöse Maßnahmen eingesetzt (Biofeedback, REN (remot electrical neuromodulation; Stimulation am Arm zur Durchbrechung von akuten Attacken); TMS (aber kein kommerzieller Anbieter)). Die Datenlage zu diesem Thema ist umfangreich, allerdings bestehen teilweise Probleme bei der Verfügbarkeit und/oder Finanzierung. Medikamentös ist Propranolol zugelassen; off-label geht auch Metoprolol, Amitriptylin oder Flunarizin (Achtung: häufig Gewichtszunahme). Topiramat zeigt häufig viele Nebenwirkungen. Medikamente sollten nur übergangsweise in kritischen Phasen eingesetzt werden (z.B. Schulabschluss).
Das Alice-in-Wonderland-Syndrom (AIWS) geht mit episodischen Wahrnehmungsstörungen (Makropsie, Mikropsie, Dysmetropsie) ohne Bewusstseinsstörung einher, die meist nach anstrengenden Tagen auftreten und spontan reversibel sind. Manchmal treten dazu eine leichte sowie Lichtempfindlichkeit auf. Eine Aufklärung zur Angstreduktion ist hier entscheidend. Zur Identifizierung von Triggern ist das Führen eines Kopfschmerztagebuchs hilfreich. Eine Prophylaxe mit Magnesium oder Flunarizin kann sinnvoll sein.
Eine seltene Ausschlussdiagnose ist die Akut konfusionelle Migräne (ACM). Sie tritt ausschließlich bei Kindern und Jugendlichen auf. Plötzliche Verwirrtheit, Desorientierung, Aphasie und starke fronto-temporale Kopfschmerzen, Übelkeit und Lichtempfindlichkeit sind typische Symptome. Häufig erkennen Betroffene ihre Mitschüler nicht mehr wieder. Nach ca. zwei Stunden kommt es zu einer spontanen Rückbildung. Diagnostisch zeigen sich neurologische Befunde unauffällig, im EEG keine Epilepsie-typischen Potentiale, kein Herdbefund und MRT, Labor / Toxikologie, Lumbalpunktion sind ebenfalls ohne Befund. Bildgebung, EEG und Lumbalpunktion sind aufgrund der starken Ähnlichkeit zu Epilepsie unbedingt erforderlich. Zur weiteren Differenzialdiagnostik gehören Enzephalitis, infektiöse Enzephalitis, metabolische Störungen und TIA. Die Akuttherapie besteht aus symptomatischer Behandlung mit Ruhe, Ibuprofen und Flüssigkeitsgabe. Es gibt keine spezifische Prophylaxe, da es sich i.d.R. um Einzelfälle hält, meist besteht ein benigner Verlauf.
Die Hemiplegische Migräne (HM) zeigt sich in zwei Formen: Familiäre Hemiplegische Migräne (FHM) oder Sporadische Hemiplegische Migräne (SHM). Zunächst tritt ein starker pulsierender Kopfschmerz mit Flimmern im Gesichtsfeld (Aura) auf, etwa 20 Minuten später Schwäche einer Körperhälfte (Hemiparese) und Sprachstörungen. Die Dauer beträgt um die 90 Minuten mit nachfolgender Erschöpfung. Die Befunde zeigen sich neurologisch, im EEG, in der MRT und im Labor als unauffällig. Ein Ausschluss von , TIA, funktionellen Störungen und Epilepsie ist essenziell. Für die FHM ist eine genetische Testung möglich (heterozygote Mutation im CACNA1A-Gen, ATP1A2, SCN1A). Da sich die Anfälle wiederholen können, ist der Gentest zum differenzialdiagnostischen Ausschluss sinnvoll. Die Akuttherapie beinhaltet Ruhe, Flüssigkeitsaufnahme und ggf. Schmerz-Medikamente. Triptane können erwogen werden, aber aufgrund möglicher Vasokonstriktion sind sie in den Leitlinien kontraindiziert dargestellt. Neuere Studien zeigen jedoch, dass das Risiko wohl geringer ist, als bislang angenommen. Alternativ kann Lasmiditan (keine Vasokonstriktion) oder Rimegepant eingesetzt werden. Prophylaxe findet i.d.R. nicht statt, da Anfälle selten sind. Pathophysiologisch wird davon ausgegangen, dass eine vorübergehende Depolarisierung stattfindet (‚cortical spreading depression‘), die zur Hemisphärendysfunktion führt.
Die Therapie sollte bei Kindern und Jugendlichen zuerst auf nicht-medikamentösen Maßnahmen basieren, gefolgt von der medikamentösen Eskalation nach klaren Kriterien und unter Berücksichtigung der Zulassung. Bei off-label use von Medikamenten kann ein Kostenantrag bei der Krankenkasse eingereicht werden, meist funktioniert das mit entsprechend guter Begründung.