Krankheiten an der Stimme erkennen: KI macht’s möglich

Wie klingt die Stimme eines depressiven Menschen? Kann man eine KHK, einen Diabetes oder Parkinson „hören“? Sprachaufnahmen von Patienten, analysiert mithilfe künstlicher Intelligenz, könnten in Zukunft zur Diagnostik vieler Krankheiten beitragen.

Die menschliche Stimme und Sprache

Wie verändern Krankheiten das Sprechen?

Was und wie wir etwas sagen, ist nicht nur für die Kommunikation wichtig, es kann auch etwas über unseren Gesundheitszustand verraten. Das zeigen Analysen, die aus Stimm- und Sprachdaten Merkmale identifiziert und mit verschiedenen Pathologien in Verbindung gebracht haben. Dazu gehören Veränderungen der Phonationsorgane, aber auch Erkrankungen an Herz und Lunge sowie endokrine, immunologische, neurologische und psychische Störungen. Sie alle können Sprache sowohl akustisch als auch semantisch beeinflussen.

Ein Beispiel: Eine Arteriosklerose kann zu einer chronischen Hypoperfusion u.a. an Kehlkopf und zahlreichen neurologischen Strukturen führen, die für die Stimmerzeugung wichtig sind. Oder die Parkinson-Krankheit: Sie ist mit gut charakterisierten Auswirkungen auf die Sprache verbunden, wie z. B. einer Beeinträchtigung der Phonation (Hyophonie) und Artikulation (hypokinetische Dysarthrien). Auch Alzheimer kann sich an einer veränderten Sprachfähigkeit bemerkbar machen, und zwar schon Jahre vor dem Auftreten kognitiver Beeinträchtigungen.

Und schließlich psychiatrische Erkrankungen: Psychischer Stress führt über erhöhte Cortisolspiegel zu messbaren Veränderungen der Stimme, beeinflusst aber darüber hinaus auch unsere Kognitionen und Gedankenwelt. Das wiederum führt zu einzigartigen sprachlichen Mustern, die u.a. für Menschen mit Depressionen charakteristisch sind. 

Ferndiagnose per KI und Telemedizin?

Um solche akustischen und linguistischen Merkmale richtig zu interpretieren und spezifischen Krankheiten zuzuordnen, könnte in Zukunft künstliche Intelligenz (DOI:https://doi.org/10.1016/j.mayocp.2023.03.007) helfen, so die Forscher. Aus einer großen Anzahl an Tonaufnahmen von Patienten ließen sich durch Modelle des maschinellen Lernens sogenannte Sprachbiomarker ableiten, die mit bestimmten Diagnosen in Verbindung stehen. 

Noch steckt diese neuartige Technologie allerdings in den Kinderschuhen. Von den Sprachaufnahmen über die Audioverarbeitung und Extraktion relevanter Signale bis hin zum Training von Sprachalgorithmen und der Integration in die klinische Praxis ist es ein weiter Weg.

Zukunftsmusik ist derzeit auch noch die telemedizinische Anwendung der Sprachanalyse. Die Idee dahinter: Patienten nehmen zu Hause Audioproben auf und senden sie an ihren Arzt. Der wertet die Aufnahmen mittels KI aus und kann eine erste Einschätzung zum Krankheitsbild geben. Durch wiederholte Tests eignet sich die digitale Sprachanalyse auch zur Verlaufskontrolle und Evaluation der Therapie.

Fazit für die Praxis

Stimme und Sprache verraten erstaunlich viel über den Gesundheitszustand eines Menschen. In Zukunft könnten sie wichtige Biomarker zur Detektion bestimmter Erkrankungen sein und den Arzt bei Entscheidungen unterstützen. Bis es so weit ist, ist noch viel Forschungsarbeit nötig.
 

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