Die aktualisierte S1-Leitlinie "Diagnostik und Differenzialdiagnose bei Myalgien" bietet konkrete Unterstützung beim häufigen Beschwerdebild der Myalgie und wurde im März aktualisiert. Im Zentrum steht ein effizienter "Clinical Pathway", der unnötige Diagnostik vermeidet und behandelbare Ursachen nicht übersieht. Neu ist die verstärkte Betonung der Medikamentenanamnese: Neben Statinen, die besonders in Kombination mit Makrolidantibiotika oder Alkohol Myalgien auslösen können, sind jetzt auch Immun-Checkpoint-Inhibitoren als potenzielle Auslöser entzündlicher Myopathien aufgeführt.
Die Leitlinie definiert klar, wann eine neurologische Überweisung sinnvoll ist. Ein Trockenbluttest wird nun niedrigschwellig zum Screening auf Morbus Pompe empfohlen. Die Indikation zur Muskelbiopsie wurde präzisiert und sollte erst nach Ausschöpfung nicht-invasiver Methoden gestellt werden. Das Update differenziert zudem deutlicher zwischen primären Myopathien und sekundären Ursachen wie endokrinologischen Erkrankungen, Polymyalgia rheumatica und dem Fibromyalgie-Syndrom.
Die Häufigkeit von Statin-assoziierten Muskelbeschwerden wird jetzt präziser eingeordnet – von seltenen Rhabdomyolysen (0,01-0,1%) bis hin zu milderen Myopathien mit CK-Erhöhung unter dem 10-fachen Normwert (bis zu 28% der Patienten). Neu ist der Hinweis auf genetische Risikofaktoren: Varianten im SLCO1B1-Gen erhöhen das Risiko für Statin-induzierte Myopathien. In seltenen Fällen kann eine immunvermittelte nekrotisierende Myopathie mit HMGCR-Antikörpern auftreten, die trotz Absetzen des Statins persistiert und einer immunsuppressiven Therapie bedarf.
Bei belastungsabhängigen Myalgien steigt die Aussagekraft einer Muskelbiopsie, wenn mindestens eines der folgenden Zeichen vorliegt: Myoglobinurie, "Second wind"-Phänomen, Muskelschwäche, Hyper-/Atrophie, deutlich erhöhte CK-Werte (>3-5x), myopathische EMG-Veränderungen oder eine positive Familienanamnese. Der nicht-ischämische Arbeitsversuch wird als sicherere Alternative zum ischämischen Test empfohlen – besonders relevant für Patienten mit Verdacht auf McArdle-Erkrankung.
Die Leitlinie betont, dass EMG Hinweise auf eine zugrunde liegende Muskelpathologie liefern kann, da auch Myopathien Zeichen der Spontanaktivität zeigen können. MRT wird als bildgebendes Verfahren der Wahl für Skelettmuskel-Pathologien benannt, jedoch mit der Einschränkung, dass aufgrund von Überlappungen bei verschiedenen Muskelerkrankungen meist keine spezifische Diagnose allein durch Bildgebung möglich ist.
Bei nicht-dystrophen Myotonien können Mexiletin, Lamotrigin oder Acetazolamid antimyoton wirken und Myalgien lindern – wichtig ist vor einem Mexiletin-Einsatz die kardiologische Abklärung. Die Leitlinie verweist zudem auf RYR1-Genmutationen als mögliche Ursache für Myalgien mit/ohne Rhabdomyolyse. Bei onkologischen Patienten mit Immun-Checkpoint-Inhibitor-Therapie können entzündliche Myopathien auftreten, die je nach Schweregrad eine Therapiepause oder immunsuppressive Behandlung erfordern.