Wie hängen Psychopharmaka-Einnahme und ALS-Risiko zusammen?

Einige Psychopharmaka sind mit einem höheren ALS-Erkrankungsrisiko sowie einer schlechteren Prognose assoziiert, wie eine große schwedische Studie berichtet.

Frühere Einnahme von Anxiolytika mit höherer Erkrankungswahrscheinlichkeit für ALS verbunden

In einer aktuellen, landesweiten Fall-Kontroll-Studie mit Daten von fast 9.000 Personen ging die verschreibungspflichtige Einnahme von Anxiolytika, Hypnotika/ Sedativa oder Antidepressiva mit einem um 34 %, 21 % bzw. 26 % höheren Risiko einher, später ALS zu entwickeln.1,2

Die Auswertung schloss alle 1.057 Patienten ein, bei denen zwischen 2015 und 2023 laut dem schwedischen Qualitätsregister für Motoneuronerkrankungen eine diagnostiziert worden war. Die Betroffenen wurden nach Alter und Geschlecht mit bis zu fünf Personen ohne die Erkrankung gematcht sowie zusätzlich mit Geschwistern und Ehepartnern abgeglichen. Auch beim Vergleich mit Kontrollpersonen aus der Familie blieb der Zusammenhang weitestgehend bestehen (mit Ausnahme von Hypnotika und Sedativa), was die Frage nach familiären Störvariablen in den Hintergrund treten lässt.

Schlechtere Prognose bei prädiagnostischer Einnahme, insbesondere von Antidepressiva

Die Einnahme der oben genannten Medikamentenklassen vor einer ALS-Neudiagnose war außerdem mit einem rascheren Erkrankungsprogress und früherer Mortalität verbunden. Patienten, die vormals Antidepressiva eingenommen hatten, verzeichneten einen schnelleren Funktionsverlust, gemessen am ALSFRS-R-Score. 

ALS-Erkrankte, die in der Vorgeschichte Anxiolytika eingenommen hatten, wiesen (im Vergleich zu ALS-Patienten ohne solche Medikationen in der Anamnese) ein um 52 % höheres Risiko für Tod oder invasive Beatmung auf. Nach früherer Einnahme von Antidepressiva war dieses Risiko um 72 % erhöht und nach Hypnotika/ Sedativa um 23 % (Letztgenanntes erreichte jedoch keine statistische Signifikanz).

Fazit: Weitere Forschung zur Aufklärung der Zusammenhänge nötig

Die Autoren sehen somit einen potenziellen Zusammenhang zwischen Psychopharmaka (oder deren Indikationen) und dem Risiko und Fortschreiten einer ALS. Mögliche gemeinsame zugrunde liegende Pathomechanismen verdienen größere Aufmerksamkeit und weitere Erforschung, wie eine Überaktivität der HPA-Achse, glutamaterge Dysfunktion, Stoffwechselveränderungen, Veränderungen der Gliazellen und Neuroinflammation.

Bei der Einnahme von Psychopharmaka in kurzem zeitlichen Abstand vor der Diagnose könnte es sich um eine umgekehrte Kausalität handeln, räumen die Forscher ein. Hier könnten psychiatrische Symptome eher als Frühmanifestationen der ALS zu interpretieren sein oder aufgrund der psychischen Belastungen um die Zeit der diagnostischen Abklärung auftreten. 

, Angstzustände und Schlafstörungen sowie psychiatrische Medikamente können die neuronale Funktion beeinflussen und zu strukturellen Veränderungen im Gehirn führen.1,2 Weitere Studien sind erforderlich, um die Wirkung von Psychopharmaka von der Wirkung ihrer Indikationen (d. h. zugrunde liegenden psychiatrischen Störungen) auf das Risiko einer ALS-Entwicklung zu unterscheiden. Eine statistische Bereinigung um die psychiatrische Vorgeschichte änderte in dieser Studie jedoch nichts Wesentliches an den Ergebnissen.

Quellen:
  1. Chourpiliadis, C. et al. Use of Common Psychiatric Medications and Risk and Prognosis of Amyotrophic Lateral Sclerosis. JAMA Netw Open 8, e2514437 (2025).
  2. HMN 2025: How Psychiatric prescriptions is linked to higher ALS risk and faster decline – healthmedicinet. http://healthmedicinet.com/hmn-2025-psychiatric-prescriptions-linked-to-higher-als-risk-and-faster-decline/ (2025).