Erste europäische Leitlinie zum Vaginalkarzinom

Vaginalkarzinome gehören zu den Kolibris in der Medizin. Und was selten ist, gerät leicht aus dem Blickfeld. Eine neue Leitlinie will Abhilfe schaffen.

Was in der neuen Leitlinie steht

Primäre vaginale Malignome machen gerade einmal 2% aller Karzinome des weiblichen Genitaltrakts bei Erwachsenen aus. Ein Großteil davon sind Plattenepithelkarzinome, die mit 80–95 % den häufigsten histologischen Subtyp darstellen.

Um die Diagnose zu sichern, müssen zunächst andere Krebserkrankungen ausgeschlossen werden, die vaginale Metastasen bilden können. Zur Diagnostik gehören neben der klinischen Untersuchung mit Kolposkopie auch bildgebende Verfahren, um die Ausdehnung des Tumors zu bestimmen. 

Welche Therapieoptionen bestehen beim Vaginalkarzinom? 

Beim weiteren Procedere wird zwischen Frühstadium und fortgeschrittener Erkrankung unterschieden. Im Stadium I (T1N0M0) kommt entweder eine Operation oder eine primäre (Chemo-)Strahlentherapie mit externer Bestrahlung und Brachytherapie in Frage. Die (teilweise) Kolpektomie sollte allerdings kleinen Läsionen von maximal 2 cm Größe vorbehalten sein. In den Stadien T2-T3-T4 ist eine endgültige platinbasierte Chemoradiotherapie und Brachytherapie die bevorzugte Behandlung.

Für seltene histologische Subtypen wie verschiedene Adenokarzinome, Sarkome, maligne Melanome sowie neuroendokrine und hämatopoetische Neoplasmen gelten gesonderte Empfehlungen. Hier raten die Experten nachdrücklich zur Registrierung in Netzwerken für seltene Krebsarten, um mehr Erkenntnisse über diese ausgefallenen Entitäten zu gewinnen. 

Was ist bei Vaginaltumoren im Kindesalter zu beachten?

Ein eigenes Kapitel der Leitlinie befasst sich mit Vaginalkarzinomen bei pädiatrischen Patientinnen. Als oberstes Gebot jeder Lokaltherapie gilt hier der Organerhalt. Darüber hinaus wird eine neoadjuvante und adjuvante Kombinationschemotherapie, einschließlich eines Alkylierungsmittels empfohlen. 

Schließlich werden Verfahren der neovaginalen Rekonstruktionschirurgie vorgestellt und beurteilt. Nach vollständiger oder großflächiger Teilresektion der Vagina können sie für die Lebensqualität der Patientinnen von großer Bedeutung sein. Allerdings können Komplikationen wie Fistelbildung und Stenosen auftreten. Bei der Abwägung sollten das Alter, der Allgemeinzustand, die sexuelle Aktivität und die individuellen Wünsche berücksichtigt werden.

Nach Abschluss der Behandlung sind regelmäßige Kontrolltermine geboten, anfangs alle 3–4, ab dem dritten Jahr alle 6–12 Monate. Im Vordergrund steht die Inspektion von Vulva, Vagina, Becken und Inguinallymphknoten. Der wichtigste Rat an die Patientinnen selbst: auf Symptome wie Blutungen, Ausfluss und Schmerzen als potentielle Warnsignale achten.

Fazit für die Praxis

Die neue Leitlinie bietet Gynäkologen und Onkologen fundiertes Wissen und Empfehlungen zu einem seltenen, gleichwohl relevanten Krankheitsbild. Für die optimale Versorgung der Betroffenen ist ein multidisziplinäres Team von Spezialisten notwendig. Die Leitlinienautoren raten daher dringend zur Überweisung in ein spezialisiertes Zentrum.
 

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