Fortgeschrittenes Ovarialkarzinom – wie behandeln wir bei Erstdiagnose heute am besten?

Mit Einzug der PARP-Inhibitoren hat sich die Prognose bei Eierstockkrebs deutlich verbessert. Wie sollte bei neu diagnostiziertem High-Grade-Malignom vorgegangen werden?

Frontline-Therapie bietet beste und oft einzige Chance auf Heilung

Aufgrund der kontinuierlichen Verbesserungen des progressionsfreien Überlebens (PFS) sei eine Heilung beim Eierstockkrebs mittlerweile eine realistische Option, stellte Herzog gleich zu Beginn heraus. Dabei gelte es vor allem postoperativ, das enge potenzielle Zeitfenster für eine Genesung optimal zu nutzen. 

Die Frage, ob für eine maximale Zytoreduktion initial überhaupt eine Operation (primary debulking) oder zunächst eine neoadjuvante Chemotherapie stehen sollte, beantwortet der renommierte Experte, mit Blick auf aktuelle Studiendaten, folgendermaßen: Eine OP-Verschiebung sollte lediglich erwogen werden, wenn eine R0-Resektion unwahrscheinlich ist oder wenn eine hohe Komorbidität besteht.

Optionen nach der Standard-Chemotherapie

In der Erstlinie folgt der chirurgischen Intervention in der Regel die Kombinationstherapie mit Carboplatin und Paclitaxel, bevor sich im therapeutischen Algorithmus weitere Möglichkeiten bieten. Anhand neuester Studien zeigt Herzog, dass sich die Dose-Dense- (DDC) sowie die Intraperitoneal-Chemotherapie (IP) beim fortgeschrittenem Ovarialkarzinom, schon aus Toxizitätsgründen, eher nicht bewährt haben. 

Der Einsatz von HIPEC, also einer hyperthermen intraoperativen intraperitonealen Chemotherapie, kann zwar erwogen werden, ist laut Referent aber nur für bestimmte Konstellationen geeignet und noch immer mit einigen Fragezeichen versehen.

Die Gabe des Antikörpers Bevacizumab, ergänzend zur Chemo- oder als Erhaltungstherapie, ist bei neu diagnostiziertem Eierstockkrebs laut aktuellen Guidelines der National Comprehensive Cancer Network (NCCN) und der European Society for Medical Oncology (ESMO) optional.

PARP-Inhibitoren transformieren die Behandlung – auch jenseits von BRCA 

Eindeutiger sind die Empfehlungen hinsichtlich nachgewiesener BRCA1/2-Mutation, bei welcher die Leitlinien unabhängig von einer Antikörper-Behandlung die Gabe von Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP)-Inhibitoren favorisieren. Konkret gesagt können durch den neuartigen Arzneistoff, speziell in dieser Biomarker-positiven-Population, die deutlichsten Zugewinne beim absoluten PFS-Nutzen erzielt werden. Aufgrund des nachweislich großen prognostischen Vorteils sollte bei dieser molekularen Subgruppe der PARP-Blocker bereits als Frontline-Medikation gegeben werden – keineswegs dürfe der Einsatz erst für eine eventuelle Zweitlinienbehandlung aufgespart werden, wie Thomas Herzog unterstreicht.

Aber auch bei anderen, durch homologe Rekombinations-Defizienz (HRD) entstandenen Genomschäden können PARP-Hemmer erfolgreich eingesetzt werden, weshalb eine entsprechende Testung unbedingt indiziert ist. Bei HRD-negativen Tumoren, die rund die Hälfte aller high-grade serösen Ovarialkarzinome (HGSOC) ausmachen, finden neben PARP-Inhibitoren und Bevacizumab auch neuartige Arzneientwicklungen wie beispielsweise Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs), Immunotherapien oder Vakzinierungen Anwendung.

Viel in der Pipeline

"Das Erkennen unikaler Treiber mit inhärenter oder induzierbarer Letalität bringt die tumorspezifischen Therapien voran", betont der Experte. In den letzten sechs Jahren habe es allein in den USA 14 neue Zulassungen gegeben. Vor allem bei der Erhaltungstherapie sei  bezüglich des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms eine neue Ära angebrochen, die vor allem den Paradigmenwechsel "PARPi – auch über BRCA hinaus!" beträfe. 

Noch unbeantwortete Aspekte würden derzeit durch eine Vielzahl spannender Forschungsprojekte untersucht, die besonders die Kombination von PARP-Hemmern mit Biologika sowie mit Immuntherapien im Fokus haben. 

Hier appelliert der Onkologe abschließend, Betroffene möglichst innerhalb von klinischen Studien zu betreuen. Diese bleiben das primäre Mittel, um die Behandlungsstandards zu verändern und zu verbessern. Gerade adaptive, schlankere Settings mit größeren Deltas seien hier erforderlich und wünschenswert. 

Fazit für die Praxis

Beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom wird die Prognose maßgeblich durch das Ausmaß der Tumorreduktion bei der ersten Operation bestimmt. Das Rückgrat der Chemotherapie sind Carboplatin und Paclitaxel, gefolgt von einer Erhaltungstherapie entweder mit Bevacizumab, mit einem PARP-Inhibitor oder einer Kombination aus beiden. Die Wahl ist vor allem durch das Vorhandensein von HRD und dem BRCA1/2-Status bestimmt. Die aktuellen Forschungserfolge bei der Verknüpfung bewährter und innovativer Wirkstoffe machen Hoffnung, dass die betroffenen Patientinnen von einem weiterhin stetig wachsenden Überlebensvorteil profitieren können.

Quelle:

How to Treat Best Advanced Ovarian Cancer? Presidential Lecture by Prof. Thomas Herzog, University of Cincinnati Cancer Institute, 12th International Charité Mayo Conference, 29. April 2023