KI in der Radioonkologie: Wo stehen wir?

Künstliche Intelligenz erobert immer weitere Bereiche der Medizin. Das hoch technisierte Gebiet der Radioonkologie ist besonders prädestiniert dafür. Werden Strahlentherapeuten also bald überflüssig?

Wichtige Begriffe in der Radioonkologie

Wie wird KI in der Radioonkologie eingesetzt?

Der eigentlichen Bestrahlung geht eine komplexe Planung mit exakter Bestimmung des Zielvolumens und der angrenzenden Regionen voraus. Die Definition des PTV ist eine zentrale Aufgabe des Strahlentherapeuten. Versuche, diesen Prozess mit Bildverarbeitungssoftware zu unterstützen, gibt es schon lange. Doch erst die Entwicklung des sogenannten Deep learning hat entscheidende Fortschritte gebracht. Die Architektur aus mehreren, miteinander verbundenen Schichten bildet dabei eine Art künstliches neuronales Netz, das ungeheure Datenmengen verarbeiten und daraus „lernen“ kann.

Inwieweit die KI damit bei der Bestrahlungsplanung bereits helfen kann, haben die Radioonkologen Peeks und Combs recherchiert.

Welche Vorteile bringt KI in der Radioonkologie?

Erste zugelassene Softwarelösungen zur automatisierten Konturierung und Segmentierung anatomischer Strukturen existieren bereits. In der klinischen Anwendung bringen sie klare Vorteile, wie inzwischen zahlreiche Studien belegen. So kann durch den Einsatz von Autokonturierungs-Tools eine signifikante Zeitersparnis erreicht werden. Zugleich sind weniger manuelle Korrekturen notwendig. Darüber hinaus lassen sich klinische Abläufe standardisieren und somit verbessern. 

Dass KI in der Radioonkologie nicht nur ein theoretischer Gewinn ist, sondern letztlich auch das Outcome verbessern kann, zeigte eine Untersuchung zur Bestrahlung von Lungenkarzinomen. Mit einer automatisierten Konturierung des Herzens sank die mittlere Strahlenbelastung im Vergleich zur manuellen Erfassung. Das wiederum korrelierte mit einem längeren Gesamtüberleben. 

Auch bei der Konturierung von Hirnmetastasen und begleitenden Ödemen konnte durch neuronale Netze eine hohe Segmentierungsgüte erreicht werden. Und sogar CTV der regionären Lymphabflusswege, die oft nicht klar abgegrenzt sind und verschiedene anatomische Strukturen umfassen, konnten bereits erfolgreich KI-generiert segmentiert werden.

Wofür wird der Radioonkologe noch gebraucht?

Doch bei allem technischen Fortschritt bleibt die manuelle Kontrolle durch den Strahlentherapeuten nach Ansicht der Autoren unverzichtbar. Zum einen stoßen Softwarelösungen aktuell noch an Grenzen, vor allem bei kleinen Strukturen und lagevariablen Organen. Zum anderen ist der Gesamtablauf der Bestrahlungsplanung mit verschiedenen Bildgebungsmethoden und zahlreichen klinisch-pathologischen Einflüssen derart komplex, dass er sich (noch) nicht in Gänze automatisieren lässt. 

Und selbst wenn es eines Tages möglich sein sollte, sämtliche Bildgebungsmethoden und klinisch-pathologische Einflüsse in die Software zu integrieren, wird am Ende der Strahlentherapeut das Ergebnis überprüfen und ggf. manuell korrigieren müssen.

Fazit für die Praxis

KI-Anwendungen im Bereich der Radioonkologie entwickeln sich rasant. Schon jetzt können zugelassene Softwarelösungen die Therapieplanung unterstützen. In Zukunft könnte die Bestrahlung mithilfe von KI noch individueller auf die Patienten zugeschnitten werden. Eines aber ist klar: Das letzte Wort liegt bei den Strahlentherapeuten.
 

Quelle:
  1. Peeken JC, Combs SE. Anwendung künstlicher Intelligenz in der Radioonkologie. Zielvolumendefinition und Organsegmentierung. Onkologie 2023; 29: 876–882.