Kolorektales Karzinom: Große Variabilität bei Darmkrebs-Screenings in der EU

Eine Querschnittsstudie hat erstmals die Qualität der in der EU existierenden offiziellen bevölkerungsbasierten nationalen oder regionalen kolorektalen Krebsscreenings anhand von leitlinienbasierten Indikatoren verglichen.

Ohne Computer kein kontinuierliches Monitoring

Eine Querschnittsstudie hat erstmals die Qualität der in der EU existierenden offiziellen bevölkerungsbasierten nationalen oder regionalen kolorektalen Krebsscreenings anhand von leitlinienbasierten Indikatoren verglichen.

Als entscheidendes Ergebnis heben die internationalen Autoren um Carlo Senore von der epidemiologischen und Screening-Abteilung des Hospitals der Universität Turin dabei die große Variabilität des Abschneidens der verschiedenen Screeningprogramme hervor.1 Diese unterstreiche nach Auffassung der Autoren neben der Bedeutung einer kontinuierlichen Überwachung der Screenings die Notwendigkeit fortlaufender Anstrengungen zur Qualitätssicherung und -verbesserung. Aufgrund der aktuellen Studienergebnisse sollte diese insbesondere die Verfügbarkeit der Daten der gesamten Screeningprozesse, die Reproduzierbarkeit histologischer Ergebnisse sowie die Qualität der endoskopischen Untersuchungen in den Fokus nehmen.

Zögerliche Umsetzung eines Kommissionsbeschlusses von 2003

Die dringende Empfehlung, bevölkerungsbasierte Darmkrebsvorsorgeprogramme in allen Mitgliedsstaaten der EU einzuführen, wurde von der Europäischen Kommission bereits im Jahr 2003 ausgesprochen. Seither wurden nur begrenzte Fortschritte gemacht.

Der aktuellen Studie liegen Zahlen aus elf Mitgliedsstaaten aus den Jahren 2011 – 2014 zugrunde. In der Querschnittsuntersuchung wurden von potentiell knapp 69 Mio. Teilnehmenden zwischen 50 und 74 Jahren in der EU lediglich gut 9,8 Mio. durch Screenings erfasst, wobei Deutschland der bevölkerungsreichste nicht teilnehmende Mitgliedsstaat ist. Die Studie befasste sich jedoch nicht mit den politischen oder organisatorischen Hintergründen einer Nichtteilnahme, sondern beschränkte sich auf die Auswertung der vorhandenen medizinischen Daten aus den teilnehmenden Regionen.

Labortests werden häufiger wahrgenommen als Endoskopieangebote

Auffällig an den Ergebnissen der Untersuchung war deren große Spannweite zwischen verschiedenen Mitgliedsstaaten. So variierte etwa der Anteil der Teilnehmenden EU-weit zwischen 4,5% und 71,3%. Die Teilnahme-Rate erwies sich dabei in Staaten, die als Screeningmethode auf den guajakbasierten Stuhlbluttest (gFOBT) setzten, mit 4,5% – 66,6% als etwas geringer als in Mitgliedsländern, die auf fäkal-immunochemische Testverfahren (FIT) vertrauten. Diese erreichten 22,8% – 71,3% ihrer Bevölkerung zwischen 50 und 74 Jahren und im EU-Durchschnitt knapp 20% der Bevölkerung. Die Teilnahme am Darmkrebsscreening zeigte dabei eine positive Korrelation mit der Teilnahme an Brustkrebsvorsorgeuntersuchungen (𝛒 = 0,842, p < 0,001). Frauen erreichten in allen erfassten Regionen höhere Teilnahmeraten als Männer. Die Forscher interpretieren diesen Effekt als Folge des allgemein ausgeprägteren Gesundheitsbewusstseins von Frauen.

Beide Labortests erzielten auf Einladung höhere Teilnahmeraten als Einladungen direkt zur Koloskopie bzw. Sigmoidoskopie. Allerdings weisen die Studienautoren darauf hin, dass ein mit der Endoskopie vergleichbarer protektiver Effekt der laborbasierten Vorsorgeuntersuchungen erst bei regelmäßiger Wiederholung der Testung erzielt werde. Daher wäre es aussagekräftiger gewesen, wenn die kumulative Adhärenz zu den Labortests erfasst worden wäre. Entsprechende Zahlen lagen jedoch nicht vor. Ebenso weisen die Autoren darauf hin, dass in den teilnehmenden Ländern teilweise unterschiedliche Grenzwerte für einen "positiven" Befund verwendet werden – ein Effekt, der die summarische Auswertung für die gesamte EU erheblich erschwere.

Überweisungen zur endoskopischen Abklärung auffälliger Befunde wurden von 64% – 92% der Teilnehmer angenommen und führten in 92% – 99% der Fälle zu einer aussagekräftigen endoskopischen Untersuchung. Die Qualität der Endoskopien wurde insgesamt als befriedigend angesehen. Allerdings ließen die Zahlen keine Rückschlüsse auf die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse einzelner endoskopierender Ärzte oder Endoskopiezentren zu.

In mehreren Ländern lag die beobachtete Rate von Endoskopien bei auffälligen Befunden  deutlich unter der empfohlenen Quote, wobei die Abweichung unter Umständen auf nicht erfasste Untersuchungen außerhalb der Programme zurückgehen könne.

Fehlende Überwachung der Datenerfassung ist größte Schwäche der Programme

Obwohl sich die Ergebnisse größeren Teils mit den Erwartungen der Studienautoren decken, sahen sich die Wissenschaftler hinsichtlich der Auswertung großen Unterschieden zwischen den Teilnehmerstaaten gegenüber. Eine geschlossene Auswertung der Screeningprogramme über die EU werde dadurch stark erschwert bzw. unmöglich macht. Diese Unterschiede erstrecken sich weniger auf medizinische Kriterien und Prozeduren als vor allem auf massive Unterschiede zwischen den verschiedenen Infrastrukturen der Staaten. So sei eine lückenlose Dokumentation der Screenings in manchen Teilnehmerstaaten schon aufgrund des Fehlens der notwendigen IT-Infrastruktur nahezu unmöglich.

Daher schlussfolgern und fordern die Wissenschaftler, dass EU-weite Screeningprogramme nur dann sinnvoll seien, wenn sie durch ein regelmäßiges Monitoring begleitet würden. Erst ein kontinuierliches Monitoring der Screenings werde eine Entwicklung von konsistenteren und letztlich aussagekräftigeren Vorsorgeprogrammen erlauben. 

Um die besondere Rolle der γδ T-Lymphozyten bei chronischen Entzündungsreaktionen und der Entstehung des kolorektalen Karzinoms geht es im aktuellen Immunologie-Blog.

Quelle:
1. Senore C, et al. Performance of colorectal cancer screening in the European Union Member States: data from the second European screening report. Gut. 2018. pii: gutjnl-2018-317293. [Epub ahead of print] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30530530