- Illert, Lena (München): Hot Topic „Präzisionsonkologie“ – technische Grundlagen und klinische Anwendungen. Onko Update 2025, Mainz, 01.02.2025.
Mit dem Modellvorhaben GenomSeq gemäß § 64e SGB V, dessen Umsetzung im Herbst 2024 begonnen hat, steht allen onkologischen Patienten in Deutschland, bei denen die Leitlinientherapie ausgeschöpft oder die Erkrankung nach zielgerichteter Therapie progredient ist, eine umfassende genetische Sequenzierung und Beratung im Rahmen eines Molekularen Tumorboards zur Verfügung. Über eine Laufzeit von fünf Jahren (bis 2030) stellen die gesetzlichen Krankenkassen dafür Mittel in Höhe von 700 Millionen Euro bereit. Behandelnde Onkologen können geeignete Patienten ambulant wie stationär unkompliziert und ohne Überweisungsschein an den entsprechenden Zentren einschließen.
Damit rückt die Präzisionsonkologie einen großen Schritt weiter nach vorne. Waren molekulare Tumorboards lange Zeit eher etwas für Spezialisten, das wenigen Patienten vorbehalten blieb, können nun deutlich mehr davon profitieren. Wie sinnvoll das ist, zeigen u. a. Fortschritte beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC), dem Paradebeispiel für die Etablierung von zielgerichteten Therapien auch in frühen Therapielinien. Inzwischen konnte gezeigt werden, dass EGFR-Inhibitoren bei aktivierenden EGFR-Mutationen wirksamer und weniger toxisch als die Standardchemotherapie sind. Werden solche Marker erhoben, können Patienten von Anfang an präzise und ohne unnötige Nebenwirkungen behandelt werden.
Aber auch für Prävention und Nachsorge ist eine personalisierte Onkologie wichtig. So spielt die individuelle genetische Prädisposition eine große Rolle bei der Früherkennung, z. B. beim familiären Brust- und Eierstockkrebs: Patientinnen mit entsprechender Risikokonstellation wird eine eingehende Beratung und genetische Keimbahntestung auf pathogene Varianten in Hochrisikogenen wie beispielsweise BRCA1/2, empfohlen. Wird bei einer Frau eine solche Keimbahnvariante festgestellt, können eine engmaschige Überwachung oder auch präventive chirurgische Maßnahmen angeboten werden.
Molekulare Tumorboards sind mittlerweile an fast allen Universitätskliniken etabliert. Sie bestehen aus einem multidisziplinären Team von Experten aller onkologischen Fachrichtungen sowie Pathologen, Humangenetikern, Bioinformatikern, Radiologen und Grundlagenwissenschaftlern. Sie diskutieren gemeinsam molekularpathologische Befunde, ordnen sie klinisch ein und sprechen, falls möglich, individuelle Therapieempfehlungen aus.
Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Im Durchschnitt wird für circa zwei Drittel der vorgestellten Patienten eine personalisierte Therapie empfohlen, die in circa einem Drittel der Fälle umgesetzt werden kann. Damit bekommt etwa jeder fünfte Patient eine Therapie, von der wiederum die Hälfte – also jeder zehnte – profitiert.
Wie molekulare Tumorboards genau arbeiten, welche Analysen sie vornehmen und welche Folgen das für das klinische Management von Tumorerkrankungen haben kann, beleuchtet eine im Juli 2024 neu erschienene Onkopedia-Leitlinie zur Präzisionsonkologie. Dies ist ein klares Zeichen für die zunehmende Bedeutung maßgeschneiderter, molekular-informierter Therapiestrategien in der Onkologie.