Das "Wunderpflaster" wirkt bei neuseeländischen Kaninchen

Das bioadhäsive Hydrogel GelCORE verspricht viel für die Zukunft der Augenheilkunde. Jetzt wurde das Gel an neuseeländischen Kaninchen getestet.

Das bioadhäsive Hydrogel GelCORE verspricht viel für die Zukunft der Augenheilkunde. Jetzt wurde das Gel an neuseeländischen Kaninchen getestet.

Diesen Sommer befindet sich die optische Achse des Auges in unserem wissenschaftlichen Fokus. Wir haben über GelCORE gesprochen, einem in der Entwicklung befindlichen bioadhäsiven Hydrogel. Ein Gel für die korneale Regeneration. Eine Art "Wunderpflaster" für die Augenoberfläche. Eine Art "safety lock" für ein immunprivilegiertes und bei Perforation immunologisch fast wehrloses Organ. Das Auge ist ein schützenswertes Organ, es vermittelt uns all die schönen bunten Eindrücke unserer Außenwelt. Es hilft uns, mit unseren Mitmenschen zu kommunizieren, indem wir ihre Mimik erkennen und deuten können. Eine Welt ohne Augenlicht, eine Welt im Nebel, eine Welt, die nur aus Bildfetzen besteht oder einfach nur noch pure Dunkelheit. Ohne das Augenlicht sind die Menschen dieser Zeitepoche (reiz)arm dran. Wir leben in einer Gesellschaft, in der fast alles über die Informationsaufnahme über Monitore jeglicher Größe läuft. Der Mensch ist ein visuelles Wesen. Auf dieser Welt erblinden 1,5 Millionen Menschen jährlich durch Erkrankungen oder Verletzungen der Hornhaut. Sie verlieren nicht nur die Möglichkeit sich im Raum zu orientieren, sie verlieren auch die visuelle Kommunikation zu ihren Mitmenschen. Der Mensch ist ein soziales Wesen.

Das erfüllte Versprechen schafft Sicherheit

GelCORE hat die Zerreißprobe in den in vitro Versuchen mit Bravur bestanden. Es hält -was die Haftungskraft in vitro angeht- was es verspricht. Dieses Versprechen könnte zukünftig den 1,5 Millionen Menschen jährlich helfen mit ihrer Außenwelt in Kontakt zu bleiben, optische Sinneseindrücke ohne Nebel und überhaupt wahrzunehmen. Neben der Transparenz der optischen Achse ist es auch wichtig, dass das neue bioadhäsive Hydrogel einen sicheren Wundverschluss bietet, um die von außen kommenden Infektionen des immunprivilegierten Auges verhindern zu können. Es soll somit ein unsichtbarer Schutzwall vor der Außenwelt sein, der uns gleichzeitig vor einer sozialen Abschottung bewahrt. Die in vivo und ex vivo Versuche an Kaninchen haben die notwendigen Ergebnisse geliefert, um als nächsten Schritt, die Erprobung von GelCORE am Menschen in Gang zu setzen.1

Was geschah mit den Kaninchen aus Neuseeland?

Keine Angst, es ist nicht Ostern 2018, in dem Neuseeland Millionen Wildkaninchen durch einen Virus (RHDV1 K5) töten ließ, da sie zur Plage wurden.2 In der vorliegenden Studie wurde den Kaninchen zuerst ein kleiner kornealer Defekt zugefügt, um anschließend das bioadhäsive Hydrogel zu testen. Für die ex vivo Untersuchungen wurden den Kaninchen die Augen entnommen. Die Untersuchungen an den Augen fanden mittels Spaltlampenmikroskopie und optischer Kohärenztomographie des anterioren Segments (AS-OCT) statt. In den so gewonnen Aufnahmen zeigt sich ein transparentes kreisrundes Areal, wo einst ein im Durchmesser 3 mm großer Hornhautdefekt war. Der Grund für dieses schöne Ergebnis, welches sich in der optischer Kohärenztomographie bestätigen ließ ist der Einsatz von GelCORE. In der optischen Kohärenztomographie des anterioren Segments wird auch erkennbar, dass der ehemalige Hornhautdefekt eine Tiefe von über 50% der Hornhaut besaß. Dieser wurde nun mit dem Hydrogel gefüllt und die Oberflächen sind nahtlos ineinander übergegangen. Optisch war der Eindruck auf jeden Fall zufriedenstellend.1

GelCORE sorgt für Transparenz

In den in vivo Versuchen zeigte sich Transparenz im Bereich des ehemaligen Hornhautdefekts (1, 7 und 14 Tage nach der Operation). Mittels Spaltlampenmikroskopie ließ sich nach und nach eine Abnahme der Fluorescein-positiven Stellen im Wundareal beobachten. Die Forschungsgruppe schloss hieraus, dass es zu einer Reepithelialiserung des Defekts gekommen war. Nach 14 Tagen war der im Durchmesser 3 mm große Hornhautdefekt komplett ausgeheilt.1

Eine starke Anziehungskraft wird wieder auf die Zerreißprobe gestellt

Die Sicherheit wurde ex vivo mit Druck-und Zerreißprüfungen getestet. Es zeigte sich eine hohe Haftungskraft. Die Adhäsion des Hydrogels an die Hornhaut war stark und damit sicher. Selbst nach 28 Tagen zeigte sich keine Veränderung der Dicke und der oberflächlichen Beschaffenheit des in den Hornhautdefekt eingefügten Hydrogels. Nun fehlt nur noch eine wissenschaftliche Bestätigung, dass das neue Hydrogel ungefährlich für die Hornhaut ist.2

Freies Geleit durch eine ungiftige Umgebung

In in vitro Versuchen wurde die Zytokompatibilität des bioadhäsiven Hydrogels GelCORE untersucht. Besonderen Wert legte die Forschungsgruppe darauf, dass GelCORE nicht zytotoxisch ist. Es sollen ja schließlich die Hornhautzellen in das Wunderpflaster einwandern und eine Regeneration auf lange Sicht hin zu ermöglichen. Was hier mit einer starken Anziehungskraft begonnen hat soll ja auch was auf Dauer sein. Die Ergebnisse der zweidimensionalen Zellkultur mit kornealen Fibroblasten und der Scratch-Test für die in-vitro-Prüfung der Zellmigration konnten Erleichterung verschaffen. GelCORE ist nicht zytotoxisch und stellt eine gute Basis für die Hornhautdegeneration dar.1

Die eiskalte Wahrheit zum Schluss

Zu guter Letzt kommt natürlich die endgültige Bestätigung durch die histopathologische Untersuchung der Kryoschnitte der Kaninchenaugen. Hier zeigte sich eine starke Adhäsion zwischen Hornhautgewebe und dem adhäsiven Hydrogel. Auch konnte die Formation eines neuen nichtentzündlichen Gewebes innerhalb des ehemaligen Defekts beobachtet werden. Chapeau!1

Nächstes Mal lernen wir einen Biomarker für die qualitative Beschaffenheit von kornealen Endothelzellen kennen. Die passende wissenschaftliche Studie hierzu wurde erst kürzlich veröffentlicht. Es bleibt spannend.

Referenzen:
1.) Sani S.E. et al. (2019). Sutureless repair of corneal injuries using naturally derived bioadhesive hydrogels. Sci Adv. 2019 Mar 20;5(3):eaav1281.
2.) https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/neuseeland-will-millionen-kaninchen-mit-virus-toeten-a-1199737.html