GEM103 als potentes Therapeutikum bei trockener AMD mit CFH-Mutation

Seit Ende 2019 läuft eine Phase-I-Studie, die als erste ihrer Art die Wirksamkeit und Sicherheit einer intravitrealen Injektion des Wirkstoffes GEM103 bei Patientinnen und Patienten mit geographischer Atrophie untersucht hat. Was ist GEM103, wie wirkt es und zu welchen Ergebnissen sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gekommen?

Aus wissenschaftlicher Sicht geht es ziemlich voran hinsichtlich der Therapie der trockenen altersbedingten Makuladegeneration. Im Beitrag vom Oktober haben wir eine experimentelle Möglichkeit der Prävention der trockenen altersbedingten Makuladegeneration mittels Fruktosamin-3-Kinase-Lösung kennengelernt. Seit Ende 2019 läuft eine Phase-I-Studie, die als erste ihrer Art die Wirksamkeit und Sicherheit einer intravitrealen Injektion des Wirkstoffes GEM103 bei Patientinnen und Patienten mit geographischer Atrophie untersucht hat. Im heutigen Beitrag erfahren wir, was GEM103 ist, wie es wirkt und zu welchen Ergebnissen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gekommen sind.1,2

GEM103 wurde an 12 Studienteilnehmern mit geographischer Atrophie untersucht

Bei der besagten Studie handelt es sich um eine multizentrische, nicht randomisierte, open-label, single-dose, Dosiseskalationsstudie. An dieser Phase-I-Studie nahmen insgesamt 12 Studienteilnehmer mit geographischer Atrophie teil. Zu den Einschlusskriterien zählten ein Lebensalter von mindestens 50 Jahren, eine Sehkraft von 5 bis 45 EDTRS Buchstaben zu Studienbeginn, Compliance für die ophthalmologischen Untersuchungen und natürlich das Vorliegen einer geographischen Atrophie am Studienauge.

Bei Vorliegen einer choroidalen Neovaskularisation und einem Makulaödem zu Studienbeginn erfolgte ein Studienausschluss. Weitere Ausschlusskriterien waren ein operativer Eingriff am Studienauge 3 Monate vor Studieneinschluss sowie Erkrankungen, die das Durchführen intravitrealer Injektionen deutlich beeinträchtigten. Lag eine Herpes-Infektion des Studienauges in der Vergangenheit vor, so erfolgte ebenfalls ein Studienausschluss. Eine antiangiogene Therapie des Studien- oder Partnerauges verhinderte gleichermaßen die Studienteilnahme. Schwangerschaft, Stillzeit sowie die Einnahme für das Auge toxischer Medikamente zählten ebenso zu den Ausschlusskriterien (NCT04246866).1

Alle Studienendpunkte wurden erreicht

Am 13.11.2020 hat Gemini Therapeutics die bahnbrechende Nachricht verkündet: Alle Studienendpunkte wurden erreicht. Es gab weder eine dosislimitierende Toxizität noch therapiebedingte unerwünschte Ereignisse nach intravitrealer GEM103-Injektionstherapie. Der Effekt der intravitrealen GEM103-Injektion auf das überaktive Komplementsystem war in den Glaskörperproben der Probanden messbar gewesen. Diese Studienergebnisse wurden auf dem ,"2020 Annual Meeting of the American Academy of Ophthalmology (AAO)" in einer virtuellen Postersitzung präsentiert. GEM103 stellt damit eine potentielle Therapie für Patienten mit einer trockenen altersbedingten Makuladegeneration mit einer Loss-of-Function-Mutation für den Komplementfaktor H dar.2

Welche Rolle spielt der Komplementfaktor H bei der Entstehung der trockenen Form der AMD?

Das Auge besitzt das Immunprivileg. Die immunologische Umgebung innerhalb des Auges ist an die eingeschränkte Regenerationsfähigkeit dieses Organs angepasst. Das Ausmaß der physiologischen Immunantwort ist in diesem Sinnesorgan weitestgehend reduziert. Für den Fall, dass es zu einer mikrobiellen Infektion des Auges kommt, steht das Komplementsystem bereits zur Abwehr bereit. Dieses wird jedoch nur durch den alternativen und klassischen Weg aktiviert. Der Lektinweg hierbei bleibt außen vor. Die Regulation des Komplementsystems erfolgt u.a. durch den Komplementfaktor H.3-7 Der Komplementfaktor H spielt eine wichtige Rolle bei der Hemmung einer überschießenden Immunreaktion. Gemeinsam mit dem Komplementfaktor I kann er C3b inaktivieren.Ein Genpolymorphismus im Gen des Komplementfaktors H konnte mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko für eine trockene AMD in Verbindung gebracht werden.

Die postmortale immunhistochemische Untersuchung von Augen von Patienten mit trockener AMD sowie von Kontrollaugen ließ die Forschungsgruppe um Hageman damals zu folgendem Ergebnis kommen: In den AMD-Augen konnte unterhalb des retinalen Pigmentepithels innerhalb der Drusen, sowie im Bereich der choroidalen Kapillaren eine hohe Immunreaktivität gegenüber dem Komplementfaktor H nachgewiesen werden.9 Wir wissen, dass das Patientenalter, die Genetik und das Rauchen wesentliche Risikofaktoren für die Entstehung einer AMD sind. Ein Verbindungsglied in der Pathogenese stellt der Komplementfaktor H dar. Der Alterungsprozess des menschlichen Körpers sowie das Rauchen korrelieren mit dem Plasmaspiegel des Komplementfaktors H.10

Was ist eigentlich GEM103?

Zu guter Letzt lernen GEM103 genauer kennen. GEM103 ist eine rekombinante Form des Komplementfaktors H. Aktuell befindet sich GEM103 in der Phase-2a-Studie ReGatta in der Erprobung bei PatientInnen mit einer trockenen AMD mit CFH-Mutation.2 Wir warten gespannt auf weitere Ergebnisse.

Referenzen:
1. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04246866
2. https://geminitherapeutics.com
3. Walport M. J. et al. (2001). Complement. First of Two Parts. N Engl J Med. 2001; 344: 1058-1066.
4. Mondino B.J. et al. (1980). Alternate and classical pathway components of complement in the normal cornea. Arch Ophthalmol 98, 346-349 (1980).
5. Bora N.S. et al. (1993). Differential expression of the complement regulatory proteins in the human eye. Invest Ophthalmol Vis Sci 34, 3579-3584 (1993).
6. Sohn J.H. et al. (2000). Chronic low level complement activation within the eye is controlled by intraocular complement regulatory proteins. Invest Ophthalmol Vis Sci 41, 3492-3502 (2000).

7. Wu Z. et al. (2007). Oxidative stress modulates complement factor H expression in retinal pigmented epithelial cells by acetylation of FOXO3. J Biol Chem 282, 22414- 22425 (2007).
8. Skerka C. et al. (2007). Defective complement control of factor H (Y402H) and FHL-1 in age-related macular degeneration. Mol Immunol 44, 3398-3406 (2007).
9. Hageman G. S. et al. (2005). A common haplotype in the complement regulatory gene factor H (HF1/CFH) predisposes individuals to age- related macular degeneration. Proc Natl Acad Sci U S A. 2005; 102: 7227-7232.
10. Esparza-Gordillo J. et al. (2004) Genetic and environmental factors influencing the human factor H plasma levels. Immunogenetics 56:77–82.