Impressionismus mit medizinischem Blick

Das Museum Barberini in Potsdam zeigt seit 5. September 2020 dauerhaft eine umfangreiche Sammlung impressionistischer und postimpressionistischer Gemälde – darunter Meisterwerke von Monet. Auch aus medizinischer Sicht lohnt der Besuch.

Augenerkrankungen in Bildern erkennen

Das Museum Barberini in Potsdam zeigt seit 5. September 2020 dauerhaft die umfangreiche Sammlung impressionistischer und postimpressionistischer Gemälde des Museumsgründers Hasso Plattner – darunter Meisterwerke von Monet, Renoir und Signac. Auch aus medizinischer Sicht lohnt ein Besuch.

Claude Monet, Camille Pissarro, Pierre-Auguste Renoir und Alfred Sisley fanden in den 1860er Jahren als Gruppe zusammen und revolutionierten die Kunst mit lichtdurchfluteten Landschaften, die sich von den traditionellen Bildthemen ihrer Zeit befreiten. 1874 wurden sie als die "Impressionisten“ bekannt, die mit Vorliebe in freier Natur malten und flüchtige Sinneseindrücke möglichst unmittelbar auf die Leinwand bannten.

"Die Gemälde beziehen uns als Betrachter unmittelbar mit ein. Wir spüren den Wind auf der Haut und die Temperatur des Wassers, wenn wir Monets Segelbooten auf der Seine zusehen. Das schafft keine andere Kunst. Die Impressionisten sind Kommunikationsgenies“, erklärte Hasso Plattner. Rund drei Jahre nach Eröffnung des Museums Barberini gab Hasso Plattner nun über 100 Werke seiner Privatsammlung wie auch seiner Stiftung, der Hasso Plattner Foundation, als Dauerleihgaben an das Museum.

Monets Spätwerk offenbart dessen Augenleiden

Monets Seerosenteich ist eines der berühmtesten Motive des Malers und geht auf die zu dessen Zeit weit verbreitete Begeisterung für Japan zurück. In Giverny legte Monet in seinem privaten Gartenparadies einen Weiher an, um Seerosen anzusiedeln. Mit Blick auf die Wasserfläche entstanden hier die großen Formate seines Spätwerkes.

Und doch fällt bei genauerem Hinsehen auf, dass sich in den letzten Jahren seines Lebens, die Bilder veränderten. Wir alle haben die Brücke mit den Seerosen im Kopf, oder den 111 Millionen Euro teuren "Getreideschober", wenn wir an Monet denken.

Filigrane Pinselstriche und Farbtupfer, die uns im Falle der Seerosen den Garten lebendig erscheinen lassen. Im Kontrast dazu, das gleiche Motiv in der Spätphase Monets: alles Figurhafte fällt den groben roten, braunen und schwarzen Pinselstrichen zum Opfer. Es fällt schwer, hier den Gartenteich mit der Japanischen Brücke und den lieblichen Seerosen-Arrangements überhaupt nachvollziehen zu können. Ein Stilwechsel des Künstlers? 

Nein. Monet war in seinen letzten Jahren des Lebens einfach nicht mehr in der Lage, Farben und Formen wie zuvor wahrzunehmen. Er war um 1900 bereits am grauen Star erkrankt, der ihn langsam seiner "künstlerischen Weltsicht" beraubte. Tragisch für den großen Künstler, aber dennoch ein Glücksfall für die  heutige medizinische Forschung.

Wie sehen Menschen mit Augenerkrankungen ihre Welt?

Barbara Pierscionek ist Wissenschaftlerin und spezialisiert auf die Computeranalyse von Gemälden, um daraus auf die Wahrnehmung des Künstlers rückschließen zu können. Das heißt: Sie kann mithilfe eines Computeralgorithmus nachvollziehen, wie beispielsweise der Künstler Monet in der Spätphase seine Umwelt wahrgenommen haben muss. Die Impressionisten sind für ihre Analysen bestens geeignet, denn wie keine andere Kunstrichtung, verstehen diese es Licht, Schatten und Farben sehr detailliert und in vollen Farben abzubilden. Ist der Blick eines Impressionisten getrübt, so wird das auch in dessen Werk sichtbar.

Durch Pierscioneks Forschung lassen sich aber auch wertvolle Hinweise ableiten, wie Menschen mit grauem Star sehen und was beim allmählichen Visusverlust mit Farben, Formen und Eindrücken passiert. Monet selbst beschrieb in einem Brief aus dem Jahr 1918, dass es ihm immer schwerer falle, Formen eindeutig abgrenzen zu können, dass rote und pinke Farbnuancen kaum mehr zu unterscheiden seien und alles zu einer blassen Masse verschwimme. Seine Bilder waren zu dieser Zeit fast nur noch von Braun- und Rottönen geprägt. Das Blau, Grün und Gelb verschluckten die trüben Augen einfach.

So sind die Bilder der Impressionisten keinesfalls nur dazu da, unser Auge und Herz zu erfreuen, uns längst vergangene Zeiten erlebbar wieder nahezubringen. Vielmehr lassen sich an ihnen ebenso Schicksale und Krankheitsverläufe während eines langen Künstlerlebens ablesen, was sie letztlich auch für die medizinische Geschichtsforschung interessant macht. Impressionismus ist eben weit mehr als nur das Abbild des Lebens, es ist das Leben an sich, mit all seinen Licht-und Schattenseiten.