Künstliche Intelligenz trifft auf Injektionsroboter

Der demographische Wandel und die Unterversorgung in ländlichen Regionen sind Problemfaktoren, die in den kommenden Jahren nach einer Lösungsstrategie verlangen. In verschiedenen Forschungsprojekten wird bereits untersucht, ob uns Injektionsroboter zukünftig in unserem klinischen Alltag unterstützen können.

Die intravitreale Gabe von Medikamenten ist bei vielen ophthalmologisch Erkrankungen die Therapie der Wahl. Chronische Krankheitsverläufe, wie sie bei der exsudativen Form der altersbedingten Makuladegeneration, bei dem Makulaödem nach retinalem Venenverschluss oder auch bei der diabetischen Makulopathie anzutreffen sind, machen eine regelmäßige Versorgung der Patientinnen und Patienten mittels IVOM-Therapie notwendig.

Der demographische Wandel und die Unterversorgung in ländlichen Regionen sind Problemfaktoren, die in den kommenden Jahren nach einer Lösungsstrategie verlangen. In verschiedenen Forschungsprojekten wird bereits untersucht, ob uns Injektionsroboter zukünftig in unserem klinischen Alltag unterstützen können. Erst kürzlich wurde ein interessanter wissenschaftlicher Artikel veröffentlicht, der sich mit den Sicherheitsaspekten der intravitrealen Injektion durch einen Roboter auseinandersetzt.1

Prof. Dr. Raphael Sznitman ist der neue Direktor des ARTORG (Artificial Organ) Center for Biomedical Engineering Research der Universität Bern. "Das ARTORG Center entwickelt technische Lösungen für klinische Probleme. Die Verbindung von Kliniken und Forschung zu Medizintechnik innerhalb einer medizinischen Fakultät macht das ARTORG Center in Europa einzigartig. Unter anderem werden hier künstliche Organe auf Chips, Robotik im Bereich der Chirurgie und Rehabilitation, störungsfreie Herzklappenimplantate, neuartige Therapien bei Blasenschwäche und Tinnitus sowie mit künstlicher Intelligenz betriebene Smartphone Apps entwickelt, die als Diagnosehilfen oder als alltägliche Unterstützung für Diabeteskranke dienen."

Im Interview vom 13.11.2019 berichtet Prof. Dr. Raphael Sznitman von einem seiner Projekte.

esanum: Sehr geehrter Prof. Sznitman, erst kürzlich haben Sie einen interessanten wissenschaftlichen Artikel über intravitreale Injektionen via Injektionsroboter veröffentlicht. Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in diesem Projekt?1

Sznitman: Zuallererst ist es wichtig zu wissen, dass Künstliche Intelligenz heutzutage mit verschiedenen Dingen assoziiert wird. Manche Menschen bezeichnen bereits die Robotik als Künstliche Intelligenz. Ich arbeite hauptsächlich an KI-Systemen, die Input-Signale von beispielsweise medizinischen Bildern analysieren. Dieser Vorgang soll automatisiert werden. In diesem Projekt wurde das Fassungsvermögen zur Bildererkennung durch die KI automatisiert. Das Ziel hierbei war eine automatische Einschätzung darüber machen zu können, wieviel physische Kraft sich während einer intravitrealen Injektion via Injektionsroboter auf das Auge auswirkt.

esanum: Auf welche Weise verbessert Ihre Methode das Sicherheitsprofil intravitrealer Injektionen via Injektionsroboter?1

Sznitman: Die Künstliche Intelligenz soll einen Schutzmechanismus für den Injektionsvorgang bereitstellen: Während der Durchführung einer intravitrealen Injektion via Injektionsroboter kann über einen Blick in die Bilddaten der Kamera das Ausmaß der Krafteinwirkung kalkuliert werden, der das Auge während des Injektionsvorgangs ausgesetzt wird. Ist diese Kraft zu hoch, so kann dem Roboter mitgeteilt werden, dass er sich vom Auge wieder entfernen soll. Ist die Kraft adäquat, so kann die Injektion weiter durchgeführt werden.

esanum: Was denken Sie, wann werden intravitreale Injektionen via Injektionsroboter Einzug in unseren klinischen Alltag nehmen?

Sznitman: Dieses Projekt ist noch sehr futuristisch. Es ist ein konzeptioneller Prototyp. Mit ihm wollten wir herausfinden, ob intravitreale Injektionen via Injektionsroboter möglich sind. Durch dieses Projekt erfahren wir, welche weiteren Schritte und Maßnahmen notwendig sind, um eine sichere, präzise und personalisierte intravitreale Injektion via Injektionsroboter in die Realität umsetzen zu können.

esanum: Welche Vorteile bringt Künstliche Intelligenz für das Gesundheitssystem mit sich?

Sznitman: Aus meiner Sicht sind KI-Systeme "co-clinical tools". Sie sollen die praktizierenden Ärztinnen und Ärzte bei der Durchführung monotoner Aufgaben unterstützen. KI-Systeme sind in der Lage Biomarker automatisch zu erkennen. Sie können dabei helfen, die sub- oder intraretinale Flüssigkeit in OCT-Bildern zu quantifizieren. Die Auswirkung der KI-Systeme auf das Gesundheitssystem ist immens: Heutzutage wird eine sehr große Menge an Gesundheitsdaten generiert. Künstliche Intelligenz kann uns dabei helfen, dass die Ärztinnen und Ärzte die wichtigen Gesundheitsdaten ihrer Patientinnen und Patienten zur ihrer Behandlung erhalten. Hochrechnungen zeigen, dass KI-Systeme bei chronischen Erkrankungen ein großes Einsparungspotential mit sich bringen.

Referenzen:
1. Int J Comput Assist Radiol Surg. 2019 Sep;14(9):1601-1610. doi: 10.1007/s11548-019-02048-3. Epub 2019 Aug 16. Force classification during robotic interventions through simulation-trained neural networks. Mendizabal A1,2Sznitman R3Cotin S4.
2. https://www.unibe.ch/aktuell/medien/media_relations/medienmitteilungen/2019/medienmitteilungen_2019/raphael_sznitman_ist_neuer_direktor_des_artorg_center/index_ger.html