Neues experimentelles RNA-Therapeutikum erfolgreich bei der Leber‘schen kongenitalen Amaurose mit einer Mutation im CEP290-Gen

Eine erst vor wenigen Tagen publizierte wissenschaftliche Studie hat die Aufmerksamkeit der ophthalmologischen Welt auf sich gezogen. Die Forschungsgruppe um Cideciyan hat die Wirksamkeit einer Antisense Oligonukleotid Therapie bei einer Unterform der Leber‘schen kongenitalen Amaurose mit einer Mutation im CEP290-Gen untersucht.

Eine erst vor wenigen Tagen publizierte wissenschaftliche Studie hat die Aufmerksamkeit der ophthalmologischen Welt auf sich gezogen. Die Forschungsgruppe um Cideciyan hat die Wirksamkeit einer Antisense Oligonukleotid Therapie bei einer Unterform der Leber‘schen kongenitalen Amaurose mit einer Mutation im CEP290-Gen untersucht.

CEP290 steht für centrosomales Protein 290. Die Leber‘sche kongenitale Amaurose ist ätiologisch betrachtet ein Spitzenreiter unter den Verursachern der Erblindung im jungen Lebensalter. Sie bezeichnet eine Gruppe von Netzhauterkrankungen, die kongenital oder innerhalb des ersten Lebensjahres mit einer deutlichen Visusminderung oder sogar einer Erblindung einhergehen können. Bei den betroffenen Kindern kann häufig ein okulodigitales Phänomen beobachtet werden. Dies macht sich wie folgt bemerkbar: Die Kinder drücken mit ihren Fingern auf die Augen, um eine Lichterscheinung auszulösen.1 Mit zunehmendem Alter ist auch die Durchführung einer Perimetrie möglich. Bei den perimetrischen Untersuchungen zeigen sich zentrale Gesichtsfeldrestinseln. Es kann ebenfalls eine herabgesetzte Nachtsicht und eine Farbsinnstörung bestehen. Die Leber‘sche kongenitale Amaurose wird meist autosomal-rezessiv vererbt. Eine Mutation folgender Gene kann hierbei vorliegen: AIPL1, CEP290, CRB1, CRX, GUCY2D, IMPDH1, IQCB1, KCNJ13, LCA5, NMNAT1, RD3, RDH12, RPGRIP1, SPATA7, RPE65 und TULP1.1

Sepofarsen als Hoffnungsträger bei Leber‘scher kongenitaler Amaurose mit einer Mutation im CEP290-Gen

Die experimentelle Therapie mit einer einzigen Injektion des RNA-Therapeutikums namens Sepofarsen ging bei einer Patientin/einem Patienten mit einer ein Jahr andauernden Visusverbesserung einher. Die Forscherinnen und Forscher des Scheie Eye Institute der Universität Pennsylvania haben erst kürzlich die bahnbrechenden Daten hierzu publiziert. Die Therapie führte zu deutlichen Veränderungen der Fovea und somit zu einer Visusverbesserung. Die klinische Studie wurde an der Penn Medicine durchgeführt. Die Studienteilnehmer*innen erhielten eine intraokuläre Injektionstherapie mit dem Antisense Oligonukleotid Sepofarsen.1

Welche Funktion hat eigentlich das CEP290-Gen?

Das CEP290-Gen ist grundlegend in die Zilienentwicklung involviert. Eine Mutation oder ein Defekt des CEP290-Gens kann zu einer Vielzahl verschiedener Krankheiten führen, die unter dem Oberbegriff Ziliopathien zusammengefasst werden. Sind verschiedene Organe betroffen, so kann dies mit einer phänotypischen Variabilität und einem großen Syndromspektrum einhergehen. Eine Mutation des CEP290-Gens kann zu isolierten Ziliopathien, sowie zu ziliopathieassoziierten Syndromen führen. Die Leber´sche Kongenitale Amaurose und die Retinitis pigmentosa zählen zu solchen isolierten Ziliopathien. Bei ziliopathieassoziierten Syndromen können neben den Augen weitere Organe wie die Niere, das Herz, die Leber, das Pankreas, die Lunge, das zentrale Nervensystem und das Ohr betroffen sein.2-7

Ein 15-monatiges Erfolgserlebnis

Das RNA-Therapeutikum Sepofarsen wirkt über eine intraokuläre Erhöhung des CEP290-Proteins auf ein normales Level hin innerhalb der Photorezeptoren. Dies geht mit einer Verbesserung der Funktionen der Retina bei Tageslicht einher. In einer vorhergehenden Studie aus dem Jahr 2019 konnte bei 10 PatientInnen mit Sepofarsen-Injektionen im 3-Monatsrhytmus eine Visusverbesserung erreicht werden.8 Die aktuelle Publikation aus diesem Jahr handelt von einem ganz besonderen Fall (ClinicalTrials.gov NCT03140969). Bei einer Patientin oder einem Patienten reichte lediglich eine Sepofarsen-Injektion zur Erlangung einer verbesserten Sehfähigkeit aus. Die Follow-Up-Zeit betrug 15 Monate. Zu Studienbeginn besaß die Patientin/der Patient einen deutlichen reduzierten Visus, erhebliche perimetrische Defekte und litt zudem an Nachtblindheit. Eine Visusverbesserung war bereits 1 Monat nach Sepofarsen-Injektion erkennbar gewesen und erreichte im 3. Monat ihren Peak. Auch noch 15 Monate nach Injektion konnte dieser verbesserte Visus beibehalten werden.1

Sepofarsen fungiert im Zellkern

Ein Grund für diesen anhalten Erfolg des Antisense Oligonukleotids Sepofarsen kann dessen kleine Größe sein. Das RNA-Molekül ist in der Lage in das Innere des Zellkerns zu gelangen. Gleichzeitig verbleibt es hier für einen längeren Zeitraum und kann so für ein normal hohes CEP290-Proteinlevel sorgen. Zudem schreitet die CEP290-Proteindegradation nur langsam in den Zapfen des menschlichen Auges voran. Die Kombination aus diesen beiden Gegebenheiten könnte den langanhaltenden Therapieeffekt bei der vorliegenden Patientin/dem vorliegenden Patienten erklären.1

Im kommenden Beitrag befassen wir uns mit einer innovativen Gentherapie zur Behandlung der Leber‘schen kongenitalen Amaurose mit einer Mutation im GUCY2D-Gen. Es bleibt spannend.

Referenzen:
1. Cideciyan A.V. et al. (2021). Durable vision improvement after a single treatment with antisense oligonucleotide sepofarsen: a case report. Nat Med (2021).
2. Lopes C.A.M. et al. (2011). Centriolar satellites are assembly points for proteins implicated in human ciliopathies, including oral – facial – digital syndrome 1. Journal of Cell Science 2011; Vol. 124, 600 – 612.
3. Mockel A. et al. (2011). Retinal dystrophy in Bardet – Biedl syndrome and related syndromic ciliopathies. Retinal and Eye 2011; Vol. 30, 258 – 274.
4. Hurd T.W. et al. (2011). Mechanisms of Nephronophthisis ans Related Ciliopathies. Nephron Experimental Nephrology 2011; Vol. 118, 9 – 14.
5. Harris P.C. et al. (2009). Ziliopathien: Springer Medizin Verlag 2009, medgen 2009; Vol. 21, 14 – 20.
6. Hosch J. et al. (2011). RPGR: Role in the photoreceptor cilium, human retinal disease and gene therapy. Ophthalmic Genetics 2011; Vol. 32 (1), 1 – 11.
7. Badano J.L. et al. (2006). The Ciliopathies: An Emerging Class of Human Genetic Disorders. Ophthalmic Genetics 2006; Vol. 7, 125 – 148.
8. Cideciyan A.V. et al. (2019). Effect of an intravitreal antisense oligonucleotide on vision in Leber congenital amaurosis due to a photoreceptor cilium defect. Nat Med. 2019 Feb;25(2):225-228.