Wie kleinste Veränderungen des Gefäßtonus den Hochleistungsbetrieb Netzhaut aufrechterhalten

Die Netzhaut ist eines der stoffwechselaktivsten Organe des menschlichen Körpers. Ihre Versorgung durch die Mikrovaskulatur des Auges ist essentiell, um diesen Hochleistungsbetrieb aufrecht zu erhalten. Im heutigen Beitrag befassen wir uns mit genau diesem im Hintergrund arbeitenden System.

Von Kaliberschwankungen und unserem Tor zur Außenwelt

Die Netzhaut ist eines unserer wichtigsten Tore zur Außenwelt. Ein komplexes Netzwerk aus Sinneszellen ermöglicht es uns zu sehen, unsere Umwelt wahrzunehmen. Dabei übersteigen die Fähigkeiten der Netzhaut technische Geräte um ein Vielfaches in ihrer Leistung. Pro Sekunde werden mehr als 10 Millionen Informationssätze verarbeitet und über den Sehnerven an unser Gehirn für weitere Verarbeitungsprozesse fortgeleitet.1 Die Netzhaut ist eines der stoffwechselaktivsten Organe des menschlichen Körpers. Ihre Versorgung durch die Mikrovaskulatur des Auges ist essentiell, um diesen Hochleistungsbetrieb aufrecht zu erhalten. Im heutigen Beitrag befassen wir uns mit genau diesem im Hintergrund arbeitenden System. 

Flackerndes Licht und pulsierende Gefäße

Die Aderhaut versorgt die lichtempfindlichen Photorezeptoren in der äußeren Netzhaut. Die retinale Blutversorgung ist verantwortlich für die Versorgung der Zellen der inneren Netzhautschichten. Die Blutzirkulation innerhalb dieser Versorgungssysteme hängt von der Kalibergröße der Blutgefäße ab und unterliegt strengen Regulationsprozessen. Doch wie jedes System ist auch dieses anfällig für Störfaktoren. Ein interessantes Beispiel für die Regulation der Kalibergröße der peripheren Blutgefäße liefert uns flackerndes Licht. Wird ein Mensch flackerndem Licht ausgesetzt, so reagieren die Arteriolen mit einer Gefäßerweiterung, um der erhöhten neuronalen Aktivität nachzukommen. Die inneren Netzhautschichten können nun mit einer erhöhten Blutmenge versorgt werden.  Es handelt sich hierbei um eine gut definierte hyperämische Reaktion. Der Gefäßtonus der retinalen Blutgefäße hingegen wird nicht über einen direkten neuronalen Input moduliert. Hier spielen andere Faktoren eine Rolle. Es wird angenommen, dass Makrogliazellen (Müllerzellen und Astrozyten) die Kalibergröße dieser Gefäße aktiv regulieren und an die Veränderungen der neuronalen Aktivität anpassen können.2

Vaskuläre Dysfunktionen beim Diabetes mellitus

Die Regulierung des Blutflusses der Netzhaut ist ein zentrales Element der Funktionalität des Auges. Vaskuläre Dysfunktionen können zu Netzhauterkrankungen führen. Zu diesen zählt auch die diabetische Retinopathie. In der frühen Phase der diabetischen Retinopathie zeichnet sich ein reduzierter retinaler Blutfluss bis hin zu Ischämien der Netzhaut ab.2

Die Mikroglia hat das Sagen, wenn es um die Versorgung der Netzhaut geht

In diesem Video (Imaris-Rendering des Kontaktstelle) ist der Kontakt zwischen Mikrogliazellen und Perizyten in einer Netzhautprobe einer NG2-DsRed-Reportermaus erkennbar. Die Perizyten (DsRed, rot), Mikroglia (Iba-1, grün) und Endothelzellen (CD31, blau) wurden immunhistochemisch markiert.2 

Eine neue Idee bahnt sich ihren Weg: Die Rede ist von der neurovaskulären Einheit 

Kommen wir nun zu der Idee der neurovaskulären Einheit. In dem vorliegenden Video der Forschungsgruppe um Mills ließ sich diese Einheit der ineinander verschlungenen Zellen kaum leugnen. Die neurovaskuläre Einheit umfasst die Endothelzellen, die Perizyten und die Mikrogliazellen. Sie könnte einer der komplexen Regulationswege der Netzhaut sein. In vorhergehenden Studien ging man davon aus, dass die Müllerzell-abhängige Kalziumsignalisierung allein den Gefäßdurchmesser des Netzhautgefäßsystems beeinflusst. Was jedoch dagegen spricht, ist die Beobachtung, dass ein Lichtreiz sowohl eine Vasokonstriktion als auch eine Vasodilatation auslösen kann. Hinzukommt, dass die Müllerzell-abhängige Kalziumsignalisierung ausschließlich die Kapillaren innerhalb des intermediären Gefäßplexus kontrolliert.2

Die Mikroglia kann so viel mehr als nur Entzündungsprozesse zu beeinflussen

Lange herrschte die Annahme, dass die Mikroglia lediglich für die Freisetzung von proinflammatorischen und neurotoxischen Zytokinen und den damit verbundenen Erkrankungen verantwortlich ist. Neuere Ansichten gehen nun davon aus, dass die Mikroglia zu viel mehr im Stande ist. Zu den entzündungsunabhängigen Aufgaben der Mikroglia im Bereich der Netzhaut und des Gehirns zählen die dynamische synaptische Überwachung und das synaptische Pruning. Mittlerweile ist auch bekannt, dass die Mikroglia die Gefäßentwicklung beeinflussen kann.

Im kommenden Beitrag lernen wir die interessante Forschungsarbeit zu dieser Thematik im Detail kennen. 

Referenzen:
1. University of Pennsylvania School of Medicine. "Penn Researchers Calculate How Much The Eye Tells The Brain." ScienceDaily. ScienceDaily, 28 July 2006. .
2. Mills S. A. et al. (2021). Fractalkine-induced microglial vasoregulation occurs within the retina and is altered early in diabetic retinopathy, Proceedings of the National Academy of Sciences (2021).