Epigenetik: Vorgeburtliche Wurzeln von Asthma, Allergien und Lungenfunktion

Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich Expositionen Jahre vor der Empfängnis relevant auf die Gesundheit nachfolgender Generationen auswirken können. Die Lebensumstände der Eltern können das Asthmarisiko der Nachkommen beeinflussen.

Der Einfluss früherer Generationen auf die respiratorische Gesundheit unserer Kinder

Inzwischen gibt es immer mehr Belege dafür, dass die Gesundheit der Atemwege durch elterliche Belastungen beeinflusst wird, die lange vor der Empfängnis stattfinden.1 Die Autoren eines Reviews im Journal of Internal Medicine sehen in der Literatur klare Hinweise darauf, dass bei vielen Einflussfaktoren nicht zuvorderst "die Dosis das Gift macht", sondern das Timing. Aus anderen Kontexten wissen wir das eigentlich schon: So kann beispielsweise eine Exposition, die im Erwachsenenalter kaum ins Gewicht fällt, verheerende Auswirkungen haben, wenn sie in utero stattfindet. Die meisten Studien konzentrieren sich jedoch auf die Dosierung und die (relativ) kurzfristigen Folgen von Expositionen gegenüber Risikofaktoren wie Rauchen und Adipositas.

Angesichts der sehr unterschiedlichen Entwicklung der Keimzellen zu reifen Eizellen und Spermien gibt es für Männer und Frauen abweichende vulnerable Zeitfenster. Im Kontext der von dem Entwicklungsstadium der Geschlechtszellen abhängigen Übertragung von Umwelteinflüssen über die Gameten erweist sich die Vorpubertät bei Jungen als ein potenziell besonders wichtiger Zeitraum für die Gesundheit der künftigen Nachkommen. Expositionen, die vor dem Alter von 15 Jahren oder zwischen Kindheit und Stimmbruch bei Jungen beginnen, zeigen in Studien erstaunlich starke Assoziationen mit den Auswirkungen auf künftige Nachkommen, vergleichbar mit Expositionen in utero, unterstreichen die Forscher.1

Beginnt das Elternsein bereits in der eigenen Kindheit?

Der bisher in Humanstudien am besten belegte präkonzeptionelle Risikofaktor für die respiratorische Gesundheit oder Krankheit ist väterliches Rauchen, das in der frühen Jugend beginnt. Dieses ist mit einer niedrigen Lungenfunktion und Asthma bei künftigen Nachkommen verknüpft. Bei den Mädchen zeigt sich für die Vorpubertät keine solche Auswirkung, wohl aber für eine Exposition im Mutterleib (z.B. sogar das Rauchen der Großmutter in dieser Zeitspanne), was durchweg mit Asthma bei den Nachkommen in Verbindung stand.

Aus der Datenlage geht weiter hervor, dass Übergewicht des Vaters in der Kindheit/Jugend offenbar ein wichtiger Risikofaktor – wahrscheinlich ein ursächlicher Faktor – für Asthma und eine verminderte Lungenfunktion ist. Die Übersichtsarbeit hebt dabei eine erstaunliche Übereinstimmung der Ergebnisse über verschiedene Studien und Auswertungsmethoden hinweg hervor. Mütterlicherseits konnte kein solcher Effekt festgestellt werden. 

Die Literatur ist spärlich, was die mögliche Rolle anderer präkonzeptioneller hormonell-metabolischer Faktoren für die Gesundheit der Atemwege angeht. Zwei Mutter-Kind-Studien kamen zu etwas unterschiedlichen Ergebnissen: in einer japanischen Kohorte ging die frühere Einnahme oraler Kontrazeptiva durch die Mutter mit mehr Giemen, Asthma und Rhinitis bei den Nachkommen im Alter von 5 Jahren einher. Eine norwegische Arbeit, welche die Einnahme nur im Jahr vor der Schwangerschaft bei über 60 Tsd. Mutter-Kind-Paaren analysierte, konnte bis zum dritten Lebensjahr der Kinder keinen solchen Zusammenhang für Kombinationspillen (Östrogen und Gestagen) feststellen; reine Gestagen-Pillen standen jedoch in schwachem Zusammenhang mit vermehrtem Giemen bei den 6–8 Monate alten Säuglingen.

Für die These, dass ausgeprägte Immunreaktionen auf bestimmte Infektionen die Immunität über Generationen hinweg beeinflussen können, gibt es bisher nur sehr begrenzte Anhaltspunkte.

Vorgeburtliche Krankheitsentstehung in generationenübergreifende Prävention münzen

Es handelt sich um ein sehr potentes Feld für die Prävention, was jedoch am Menschen schwierig zu erforschen ist, da sich unser Lebenszyklus über Jahrzehnte erstreckt und im Unterschied zu experimentellen Tiermodellen – wie bei Nagetieren, Fischen und Wirbellosen – die Umwelt des Menschen viel komplexer und im Laufe der Zeit Veränderungen unterworfen ist. Um präkonzeptionelle Risikofaktoren in Humanstudien zu untersuchen, sind genaue Daten über Expositionen, Auswirkungen und wichtige Kovariaten für zwei oder mehr Generationen erforderlich, idealerweise mit prospektiv gesammelten Bioproben (einschließlich Gameten), um mechanistische Studien zu ermöglichen.

Die epigenetische Vererbung von durch externe Faktoren verursachten Veränderungen in den Keimbahnzellen eröffnet ein neues Präventionsparadigma: potenziell gefährdete Gruppen zu identifizieren und gesündere Entscheidungen bei Kindern, die sich der Pubertät nähern, zu fördern, um die lebenslange Gesundheit der Betroffenen selbst sowie ihrer künftigen Nachkommen und möglicherweise weiterer Generationen zu verbessern. So könnte einem Teufelskreis der Übertragung von Prädispostionen und gesundheitlicher Ungleichheit in der Bevölkerung über Generationen hinweg entgegengewirkt werden, schließt das Review.1

Quelle: