Interdisziplinäre Rheumatologie: Möglichkeiten und Perspektiven in der Rheumatolgoie

Dass sich die Rheumatologie mit Nachwuchssorgen plagt, ist bekannt. Doch was lässt sich dagegen tun? Ein Symposium auf dem 47. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) lieferte interessante Lösungsansätze und zeigte darüber hinaus, wie vielschichtig das Fach ist.

Nachwuchsprobleme in der Rheumatologie

Dass sich die Rheumatologie mit Nachwuchssorgen plagt, ist bekannt. Doch was lässt sich dagegen tun? Ein Symposium auf dem 47. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) lieferte interessante Lösungsansätze und zeigte darüber hinaus, wie vielschichtig das Fach ist. 

Wie Dr. Ruben Sengewein von der Polyklinik für Rheumatologie, Düsseldorf, deutlich machte, stehen 776 RheumatologInnen schon heute 740.000 PatientInnen mit Rheumatoider Arthritis (RA) gegenüber. Notwendig wären allein für diese Zahl eigentlich 1.350 RheumatologInnen. Doch die Zahl nimmt nicht nur nicht zu, sondern eher ab: Waren es 2015 noch 53 neu erworbene Facharzttitel im Bereich der Rheumatologie, sank die Zahl 2016 auf 43 und blieb auch 2017 auf 43. Erschwerend kommt hinzu, dass an vielen deutschen medizinischen Hochschulen die Fachrichtung Rheumatologie gar nicht gelehrt wird. Bleibt alles so wie es ist, könnten im Jahr 2040 auf 776 RheumatologInnen 1.100.000 RA-PatientInnen kommen.

Um mehr RheumatologInnen auszubilden braucht das Fach mehr Lehrstühle.

Sengewein schlug eine ungewöhnliche Lösung vor, wie die Zahl der medizinischen Lehrstühle für Rheumatologie erhöht werden könnte. Dazu soll die Idee eines Spendenlaufes auf Lernen, Sammeln und die Finanzierung von Lehrstühlen übertragen werden. Der Plan ist, dass Medizinstudierende indem sie für den Fachbereich Rheumatologie lernen, Spenden sammeln.

Durch Rheuma lernen Spenden sammeln

Die Online-Lernplattform Humeo (Human Medicine Education Online) trainiert junge MedizinerInnen im Fach Rheumatologie. Durch unterschiedliche Lernmodule wie Videos, Bilder, Graphiken oder Texte wird Wissen vermittelt und vertieft. Durch Fragen und Vergleiche untereinander können sich die Nutzer messen und ihren eigenen Fortschritt verfolgen. Für richtig beantwortete Fragen bei Humeo könnte es Spendenpunkte geben.

Geht man von 90.000 Medizinstudierenden aus, das Spendenprojekt hätte eine Laufzeit von 6 Monaten, jede richtig beantwortete Frage bekäme einen Spendenpunkt und jede Pharmafirma würde pro richtig beantworteter Frage nur 2 Cent spenden, dann ergäbe sich ein potenzielles Spendervolumen von 2.9191.247 Euro, mit denen Lehrstühle finanziert werden könnten.

Als Übergangslösung setzt Sengewein auf digitales Lernen. Es ist messbar und dadurch transparent, es ist vergleichbar und lässt sich damit standardisieren. Neben Humeo ist das zB. das SPRINT-Seminar, ein Online-Kurs für MedizinerInnen, bei dem Patientenfälle über das Smartphone in Echtzeit bearbeitet werden. Kombiniert werden dabei drei empirische Lernmethoden: SPaced-, Retrieval- und Interleaved- Learning (=SPRINT). Für drei Fälle wurden Fragenkaskaden entwickelt, die eine hohe Variabilität bieten: Kein Kurs verläuft gleich! Die Studierenden müssen dabei selber Entscheidungen im Sinne der Gesundheit der PatientInnen treffen. Feedback erhalten sie durch den Krankheitsverlauf.

Das SPRINT-Seminar ist zudem ein effektives Analyse-Tool, ob und wie sich Studierende – anders als mit einer Prüfung – zum Lernen motivieren lassen. Dafür werden komplexe Techniken aus der Spieleindustrie ("Gamification") eingesetzt. In Zukunft können auch andere DozentInnen die Studierenden an selbsterstellten Fällen teilhaben lassen. Ziel ist, SPRINT als dauerhaftes Lerntool zu verstetigen. Inverted-Classroom-Modelle finden immer mehr Einzug in die Lehre. Studierende können ihr Studium mit digitalen Modulen personalisieren sowie flexibler und praxisnäher ausrichten und ihren digital bereitgestellten Lernstoff zu Hause erarbeiten.

Was spricht für eine Karriere an der Universität?

Was spricht für eine Karriere an der Universität? Aus Sicht von Dr. Jan Leipe von der Rheumaeinheit der TU München, zählt eine ganze Reihe guter Gründe: Die Möglichkeit, sich wissenschaftlich zu verwirklichen, grundlagenwissenschaftlich zu arbeiten, die Möglichkeit, Informationen von anderen Disziplinen einzuholen und zu lernen, eine Art "heißer Draht" zu anderen Fachbereichen (zB. Dermatologie, HNO; Gstroenterologie, Orthopädie, Opthalmologie) etwa. Die interdisziplinäre Besprechung schwerer Fälle zB. Autoimmunboard (Ophtalmologie, Dermatologie, Gastroenterologie, Hämatoonkologie, HNO, Kardiologie, Nephrologie, Pneumologie, Pathologie, Radiologie), die Arbeit im großen Team, den Austausch auf allen Ebenen, die Delegation von ärztlichen Aufgaben. Leipe betont auch, dass der wirtschaftliche Druck geringer sei als bei einer Niederlassung und dass es in der Regel mehr diagnostische Möglichkeiten gäbe. Tendenziell bekomme man auch mehr schwere komplexe Fälle v.a. auf Station zu sehen. Dagegen spreche: Man sei angestellt und damit weisungsgebunden, die Entscheidungen treffen andere, der Gestaltungsspielraum ist geringer und meist bekomme man befristete Verträge. Auch Nachtdienste und Wochenendvisiten sind nicht Jedermanns Sache. Hinzu kommt ein spezielleres Patientenspektrum: Man sähe stationär viele „Kolibris“ aber nur wenige Routine-Fälle.

Wie wäre es mit der Niederlassung?

Was alles für die Niederlassung spricht, machte Dr. Peer-Malte Aries deutlich. Aries arbeitet mit 8 ÄrztInnen im Struenseehaus zusammen, einer Art "ambulante Klinik". Ihn, so Aries, hatten vor allem Nachtdienste und Wochenenddienste, schlechte Arbeitsorganisation und Zeitverträge gestört. Und PatientInnen beurteilen weniger die medizinische Leistung als das Essen oder die Qualität, mit der geputzt werde. Chefarzt oder Chefärztin könnten nicht alle werden und "Chefarzt in Pinneberg ist nicht jedermanns Traum", so Aries. Darüber hinaus sei man auch Angestellter und abhängig vom Geschäftsführer.

Die Entscheidung für die Niederlassung biete:

Was man allerdings wissen müsse und für eine Niederlassung brauche: Die fachliche Qualifikation, die Fähigkeit zur Organisation, Durchhaltevermögen, wirtschaftliche Grundverständnisse und die Fähigkeit zum netzwerken.

Der mögliche Ablauf einer Praxisübernahme könnte so aussehen:

Aus Aries´ Sicht war die Niederlassung die "beste berufliche Entscheidung", allerdings zeit-und energieraubender als gedacht. Die Niederlassung biete eine sehr große Arbeitszufriedenheit, sei zukunftssicher und biete finanzielle Freiräume.

Referenzen:
47. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, Kongresszentrum Dresden 2019